Bekehrung des Saulus nach der Apostelgeschichte

Die Bekehrung des Saulus nach der Apostelgeschichte

Auf diesem Dreifachbild sieht man in der Mitte die Erscheinung Jesu am Himmel in den Wolken, das Kreuz in der Hand; Saulus fällt vom Pferd, blind geworden, die Soldaten verstecken sich vor Furcht; im linken Bild sieht man Saulus, wie er die Christen verfolgt, er steht mit dem Schwert an der Seite und befiehlt den Schergen, zwei junge Christen in Gewahrsam zu nehmen, der eine Jüngling trägt ein Kreuz in der Hand; auf dem rechten Bild sieht man den bekehrten Paulus, wie er dem Volk von Christus predigt

(im Jahre 34 oder 35 n. Chr.)

Saulus durch den verklärten Christus selbst zum Jünger und Apostel berufen

Saulus aber, noch Drohung und Mord schnaubend wider die Jünger des Herrn, trat vor den Hohenpriester und erbat sich von ihm Vollmachtsbriefe an die Synagogen in Damaskus, daß er, falls sich dort Männer oder Frauen fänden, die dieser Lehre anhingen, sie gebunden nach Jerusalem führe. (1) Als er nun auf dem Weg war und bereits Damaskus sich näherte, da umstrahlte ihn plötzlich um die Mittagszeit (2) ein gewaltiges Licht vom Himmel. Heller als der Glanz der Sonne. Auf die Erde niederfallend, hörte er eine Stimme, die in hebräischer Sprache zu ihm sagte: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?“ (3) Er sprach: „Wer bist du, Herr?“ Jener erwiderte: „Ich bin Jesus (4), den du verfolgst! Hart ist es dir, wider den Stachel auszuschlagen.“ (5) Und bebend und staunend sprach Paulus: „Herr, was willst du, daß ich tun soll?“ (6) Der Herr sprach zu ihm: „Steh auf und geh in die Stadt; da wird dir gesagt werden, was du tun sollst. Denn dazu bin ich dir erschienen (7), dich zum Diener und Zeugen dessen zu bestellen, was du gesehen hast, und dessen, weswegen ich dir noch erscheinen werde (8), indem ich dich errette aus diesem Volk und en Heiden, zu denen ich dich jetzt sende, um zu öffnen ihre Augen, auf daß sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und das Erbe unter den Heiligen durch den Glauben an mich.“ (9) Die Männer aber, die ihn begleiteten, fielen mit ihm zu Boden. Sie sahen das Licht, hörten auch die Stimme, sahen aber Jesus nicht und verstanden auch nicht seine Worte. (10) Noch ganz betäubt erhoben sie sich. Als aber auch Saulus aufstand und seine Augen öffnete, sah er nichts. (11) Da nahmen sie ihn bei der Hand und führten ihn nach Damaskus. Und er war daselbst drei Tage, ohne zu sehen; und er aß nicht und trank nicht.

Saulus von Ananias getauft

Es war aber zu Damaskus ein Jünger namens Ananias. Zu diesem sprach der Herr in einem Gesicht: „Ananias!“ Er aber sprach: „Siehe, hier bin ich, Herr!“ Und der Herr sprach zu ihm: „Steh auf und geh in die Straße, welche die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas ach einem Mann aus Tarsus namens Saulus; denn siehe, er betet.“ (12) (In demselben Augenblick sah Saulus einen Mann, namens Ananias, eintreten, der ihm die Hände auflegte, damit er wieder sehend würde.) (13)

Ananias aber erwiderte: „Herr, ich habe von vielen gehört, wieviel Böses dieser Mann deinen Heiligen (14) zu Jerusalem getan hat. Und auch hierher ist er mit der Vollmacht von den Hohenpriestern gekommen, alle in Fesseln zu legen, die deinen Namen anrufen!“ Der Herr aber sprach zu ihm: „Geh hin, denn ein auserlesenes Werkzeug ist mir dieser, um meinen Namen zu verkünden vor Heiden (15) und Königen und Söhnen Israels. Denn ich werde ihm zeigen, wie vieles er um meines Namens willen leiden muss.“

Da ging Ananias hin und kam in das Haus, legte ihm die Hände auf und sprach: „Bruder Saulus! Siehe auf! Der Herr Jesus, der dir auf dem Weg erschienen ist, hat mich gesendet, damit du wieder sehest und erfüllt werdest mit dem Heiligen Geist.“ Und sogleich sah er zu ihm auf; denn es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, und er sah wieder. Ananias fuhr fort: „Der Gott unserer Väter hat dich vorher bestimmt, seinen Willen zu erkennen, den Gerechten (den Messias) zu sehen und die Stimme aus seinem Mund zu hören; denn du sollst ihm Zeuge sein vor allen Menschen von dem, was du gesehen und gehört hast Und nun, was zögerst du? Steh auf, lasse dich taufen und wasche deine Sünden ab, nachdem du seinen Namen angerufen.“ (16)

Da stand er auf und wurde getauft. Nun nahm er wieder Speise und kam zu Kräften. Er hielt sich aber bei den Jüngern, die zu Damaskus waren, auf; und sofort predigte er in der Synagoge, daß Jesus der Sohn Gottes sei. Hierüber staunten alle, die es hörten, und sprachen: „Ist das nicht der, der in Jerusalem jene verfolgte, die diesen Namen Jesus anriefen, und der hierher gekommen ist, um sie gebunden zu den Hohenpriestern zu führen?“ Saulus aber erstarkte immer mehr und machte die Juden, die in Damaskus wohnten, zu Schanden, indem er zeigte, daß Jesus der Messias sei.

Seine Reise nach Arabien und sein dortiger Aufenthalt

Bald nachher zog sich Saulus, wie er selbst berichtet (17), ohne Zweifel auf göttliche Mahnung, nach Arabien zurück, wahrscheinlich, um in stiller Wüsten-Einsamkeit dem Gebet und der Betrachtung göttlicher Dinge, besonders der Betrachtung des AT im Licht der neuen Erkenntnis obzuliegen und so auf seinen hohen Beruf sich vorzubereiten. Hier auch wird es gewesen sein, daß ihn der göttliche Heiland wiederholter Offenbarung gewürdigt hat (18) und daß er eines gnadenvollen, mystisch und ekstatisch schauenden Verkehrs mit dem verklärten Christus sich erfreute. Dann kam er wieder nach Damaskus zurück. Hier aber hielten die Juden Rat zusammen, um ihn zu töten. Auf ihr Ansuchen ließ der Statthalter des Königs Aretas (19) Tag und Nacht die Tore bewachen, um ihn zu töten. Er aber erfuhr diese Anschläge, und die Jünger ließen ihn des Nachts durch ein Fenster in der Stadtmauer in einem Korb hinab, und so entrann er ihren Händen.

Anmerkungen:

(1) Sehr gut bemerkt Pölzl (Paulus 28): „Auch Saulus war seiner geistigen Verfassung nach ein Kind seiner Zeit; die religiösen, politischen und nationalen Vorurteile, welche das Gesamtleben des damaligen Judentums mehr oder weniger beherrschten, trübten auch sein Geistesauge, so daß er an der äußeren Erscheinung Jesu und an dessen tragischem Geschick hängen blieb und nicht in den Geist seiner Lehre einzudringen und nicht die Bedeutung seines Werkes zu erfassen vermochte.“ Sein Standpunkt für die Beurteilung Jesu war ein durchaus falscher; er beurteilte ihn, wie er selbst sagt, „nach dem Fleisch“. (2. Kor. 5, 16)
(2) Vgl. Apg. 22, 6; 26, 13
(3) In seinen Schülern, Jüngern, Gliedern sieht Jesus, der Lehrer, der Meister, das Haupt, sich selbst verfolgt. (Vgl. 1. Kor. 12, 22; ; Kol. 1, 18) Wie tief sich dieser Gedanke, daß Christus und die Christen eine mystische Einheit bilden, dem Apostel eingeprägt hat, beweisen seine Briefe.
(4) Ich bin Jesus! Mit Flammenschrift blieb fortan dieser heiligste Name Jesu dem Herzen des Apostels eingeschrieben; mit welchem Eifer er ihn gepredigt, mit welcher Liebe er für ihn gelitten, welche Stärke er daraus empfangen, ersehen wir aus seinen Briefen, in denen der Name Jesus über 230mal genannt ist. Es ist „ein Name über alle Namen“, und „im Namen Jesu soll sich beugen jegliches Knie derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind, und jegliche Zunge soll bekennen, daß der Herr Jesus Christus in der Herrlichkeit Gottes des Vaters ist“. (Phil. 2, 9ff)
(5) Nur zu deinem eigenen Schaden und Verderben hast du bisher dem Antrieb zum Glauben an mich und meine Religion widerstrebt; die Weisheit, Kraft und übermenschliche Liebe des Stephanus, der Starkmut der Christen, die Milde und Mäßigung Gamaliels, dein eigenes Erkennen von der Ohnmacht des Gesetzes – dies alles hat dich nur veranlaßt, geradezu mit Fanatismus dich an das Gesetz anzuklammern; nun unterlaß fortan dieses ebenso nutzlose wie selbstmörderische Verhalten. Das Bild ist genommen von dem Stachel, mit dem man die Tiere antrieb; schlagen diese dagegen aus, so verwunden sie nur sich selbst.
(6) Herrliche Frage, in der die vollständigste, rückhaltloseste Hingabe sich ausspricht. (Vgl. Gal. 1, 16; 2, 19f; 6, 17; Phil. 3, 7ff; Röm. 8, 35ff; 2. Kor. 4, 10ff; 11, 23ff)
(7) Er sah also den verklärten Heiland mit seinen leiblichen Augen.
(8) Auf die Erscheinung vor Damaskus bezieht sich der Apostel Gal. 1, 15f; 1. Kor. 9, 1; 15, 8. Von Offenbarungen des Herrn, die ihm zuteil geworden sind, spricht er Gal. 1, 12; 2, 2; Eph. 3, 3; 1. Kor. 11, 23. Mehrmals werden seine Visionen des Herrn erwähnt: Apg. 22, 17ff in Jerusalem, als er zum ersten Mal Petrus aufgesucht hatte; Apg. 18, 9 in Korinth; Apg. 23, 11 in Jerusalem in der Nacht nach seiner Verteidigung vor dem Hohen Rat; 2. Kor. 12, 2ff die Erhebung seines Geistes in die überirdische Welt. Es ist jedoch zu beachten, daß Paulus diese Visionen, die er hatte, nachdem er schon Christ geworden war, nicht als objektive, äußere Erscheinungen, sondern als innere Erlebnisse angesehen hat. Die Damaskus-Erscheinung aber war nach seiner unerschütterlichen Überzeugung nicht bloß ein inneres Erlebnis, sondern ein realer äußerer Vorgang; er ist sich bewußt, den auferstandenen, verklärten Heiland wirklich und leibhaftig geschaut zu haben. Er weiß wohl zu unterscheiden zwischen subjektiv-geistigen und objektiv-sinnlichem Schauen.
(9) So erzählt der hl. Paulus selbst vor dem Landpfleger Festus und dem König Agrippa II. (Apg. 26, 16 bis 19) Der Herr kündigt ihm im allgemeinen seine Berufung an; im übrigen verweist er ihn an seinen Diener. Saulus sollte sich erst durch Gebet und Fasten vorbereiten und dann in aller Ruhe das einzelne über seine Berufung und Sendung erfahren. Wir sollen überdies daraus lernen, daß wir nicht ohne Notwendigkeit unmittelbar von Gott Belehrung und Hilfe erwarten, sondern uns an die von ihm bestellten Diener seiner Wahrheit und Gnade, an die Bischöfe, Priester etc. wenden müssen. – Eine solche Bekehrung konnte nur Gott selbst unmittelbar wirken, sagt der hl. Thomas von Aquin (S. Theol. 2, 2q. 113, a. 10). Aber alles übrige konnten auch seine Diener besorgen.
(10) So erklärt sich der scheinbare Widerspruch zwischen der Darstellung des hl. Lukas, daß sie zwar die Stimme hörten, aber niemand sahen und der des hl. Paulus selbst, die der hl. Lukas (Apg. 22, 9) mitteilt, daß sie zwar das Licht sahen, aber die Stimme des zu ihm Redenden nicht hörten, d. i. nicht als Stimme eines Redenden hörten, noch verstanden.
(11) Die Blindheit war ein klarer Beweis, daß die Erscheinung Wirklichkeit war.
(12) Er ist kein Verfolger mehr, sondern er betet und bereitet sich für die Aufnahme in die Kirche vor.
(13) Saulus wurde durch dieses Gesicht vorbereitet, in Ananias auch wirklich den Gesandten zu erkennen, der ihn näher belehren und in die Kirche aufnehmen sollte.
(14) So werden die Gläubigen in der Heiligen Schrift sehr häufig genannt (vgl. Apg. 9, 32; Röm. 1, 7; 15, 25; 1. Kor. 1, 2; 2. Kor. 1, 1; 16, 1; Eph. 1, 15; 4, 12 etc.), weil sie auf besondere Wiese zur Heiligkeit berufen und hierzu mit den reichsten Gnaden ausgestattet sind. (Eph. 1, 4ff; 1. Petr. 2, 9 u. 10)
(15) Paulus bekannte später selbst, obwohl wegen seiner früheren Verfolgung der Kirche der geringste unter den Aposteln, ja unwürdig des Namens eines Apostels, habe er doch durch Gottes Gnade mehr als alle gearbeitet. (1. Kor. 15, 9 u. 10) Er nannte sich auch den Lehrer der Heiden. (Vgl. 1. Tim. 2, 7; Gal. 2, 8)
(16) So berichtet der hl. Paulus selbst die Worte des Ananias, in seiner Rede vor dem Volk von Jerusalem. (Apg. 22, 13 bis 16)
(17) Gal. 1, 17. Dieser Aufenthalt in Arabien ist in der Apostelgeschichte zwischen dem 9, 21 und 9, 22 Erzählten einzufügen. 9, 19 nämlich hat die Apostelgeschichte von einem „einige Tage“ währenden Aufenthalt in Damaskus gesprochen; 9, 22 spricht sie von einem „viele Tage“ umfassenden Zeitraum; zwischen die so bezeichneten Zeitabschnitte setzt man den Aufenthalt in Arabien.
(18) Gal. 1, 12; Eph. 3, 3
(19) Vgl. 2. Kor. 11, 32f. Damaskus gehörte seit Pompejus (64 v. Chr. Zur römischen Provinz Syrien. Als Herodes Antipas der Herodias zuliebe seine Gemahlin, die Tochter des Aretas, des Königs von Arabia Peträa (seit 9 v. Chr.), verstieß, wurde er von diesem mit Krieg überzogen und (im Jahre 36) in mehreren Schlachten furchtbar geschlagen. Er wandte sich nun an den Kaiser Tiberius, der dem Vitellius, Statthalter von Syrien, befahl, gegen Aretas zu Felde zu ziehen. Allein kaum hatte Vitellius den Krieg eröffnet, so stellte er ihn auch aus Hass gegen Herodes Antipas wieder ein, da die Nachricht vom Tode des Tiberius (16.März 37) anlangte, und zog sich nach Antiochien zurück. )Josephus, Jüd. Altert. 28, 5, 3) Möglicher Weise benutzte Aretas diese Gelegenheit, um sich des reichen Damaskus zu bemächtigen. Wahrscheinlich aber müssen wir annehmen, daß Kaiser Caligula dem Aretas Damaskus übergeben hat, vielleicht durch Vermittlung des Herodes Agrippa, der bei Caligula sehr einflussreich war und der, gleich Aretas, den Herodes Antipas hasste… daß aber Aretas die Pläne der Juden von Damaskus gegen die Christen begünstigte, erklärt sich aus der zahlreichen jüdischen Einwohnerschaft von Damaskus und der Freundschaft mit Herodes Agrippa. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der biblischen Geschichte Bd. 2, 1910, S. 660 – S. 665

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