Paulus in der apostolischen Tugend des Glaubens
Darum hassen sie Paulus und verstümmeln und verdrehen seine Lehre
Ein Apostel muss nicht bloß Anfänger und Fortschreitende, sondern auch Vollkommene zu lehren, zu unterweisen und zu führen im Stande sein; da in der Wissenschaft des Heiles mit dem Fortschreiten die Gefahren der Täuschung wachsen, und auch die Vollkommenen ohne Führer und Lehrer keine sicheren Wege gehen, und diese Belehrung und Führung bei jenen suchen müssen, welche sie an Christi statt zu hören angewiesen sind.
Diese göttliche Weisheit wirkte aber in den Worten des Apostels unter Begleitung der Gnade des heiligen Geistes mit solcher Kraft, daß sie Alles, was der Verkündigung des Evangeliums und der Ausbreitung des Christentums feindlich entgegen stand, siegreich niederwarf, und keine List oder Bosheit dagegen aufkommen ließ, wie er selbst sagt: „Wir wandeln im Fleisch, kämpfen aber nicht nach dem Fleisch. Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig durch Gott zum Niederreißen der Vesten, indem wir niederreißen die Ratschläge und alle die Hoheit, welche sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und gefangen nehmen jeden Verstand zum Gehorsam Christi, und bereit sind, jeden Ungehorsam zu züchtigen.“ (2. Kor. 10, 3-6) Er schreibt an die Korinther auch an einer andern Stelle: „Meine Rede und meine Predigt bestand nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft; damit euer Glaube nicht auf Weisheit der Menschen, sondern auf Gottes Kraft beruhe.“ (1. Kor. 2, 4-5) Er hatte den Glauben den Juden, den Griechen, den Römern, der ganzen Welt zu predigen, und gegen die Magier und Philosophen, gegen die Schulen und Gerichtshöfe, gegen die Irrlehrer und Tyrannen, gegen die ganze „irdische, tierische und teuflische Weisheit“ (Jak. 3, 15) zu verteidigen, und zu rechtfertigen.
Selbst seine Briefe, die er der Kirche hinterlassen hat, sind so voll von dieser himmlischen Weisheit und dieser göttlichen Kraft, daß die Irrlehrer und Feinde des Glaubens seiner Zeit und aller nachfolgenden Jahrhunderte darin ihre Widerlegung und Vernichtung finden. Denn sie enthalten den Kern der ganzen Glaubenslehre und der christlichen Religion, die Lehre von der allerheiligsten Dreifaltigkeit, von den neun Chören der Engel, von der Schöpfung, von der Erbsünde, von der Gnade, von der Vorherbestimmung und Auserwählung, von der Menschwerdung und Heilsökonomie Christi im Fleisch, von der Kirche, von der Ehe, von den Rechten und Pflichten der Eheleute, der Vorgesetzten und Untergebenen, von der Jungfrauschaft, von dem Zölibat, von dem allerheiligsten Altarssakrament und von dem göttlichen Opfer, von den Ämtern und Pflichten der Bischöfe, Priester, Diakonen und der ganzen Hierarchie, von dem Einfluss der bösen Geister auf die Menschen, von der Auferstehung der Leiber, von dem Gericht, von der ewigen Vergeltung im Himmel und in der Hölle, von den verschiedenen Tugenden und Lastern, von dem ganzen christlichen Leben in seinem Anfang, in seiner Entwicklung und in seiner Vollendung, in solcher Klarheit, Fülle und Genauigkeit, aber auch in solcher Tiefe, daß Eusebius sagt: „Paulus, welcher als der Unterrichteste unter den übrigen Aposteln und als der Tiefsinnigste auch euch bekannt ist, hat nur eine kleine Sammlung von Briefen hinterlassen, welche aber unermessliche und unzählige Geheimnisse in sich enthält; denn er hatte ja, bis in den dritten Himmel entrückt, gesehen, was da vorging, und, in das Gottes würdige Paradies eingeführt, dort unaussprechliche Worte vernommen, und, zum Schüler jener Schule geworden, dort seine Lehre empfangen. (Hist. Libr. III, c. 24)
Deswegen hassten und hassen ihn alle Irrlehrer, und die Einen verwarfen alle seine Briefe, wie die Ebioniten und Helchesiten (5. Irenaeus Libr. I, c. 26. Euseb. Hist. Libr. III. c. 24); die Andern gaben vor, in seinen Briefen sei Vieles nicht vom heiligen Geist eingegeben, sondern rein Menschliches enthalten, Manches auch unecht und unterschoben, wie die Enkratiten, Severianer, Marcioniten, Manichäer, Arianer, Antianer; und Andere, wie die Lutheraner, Calviner und Zwinglianer tun, was der heilige Petrus von diesen Briefen in seinem zweiten Brief schreibt, indem er die Gläubigen zur würdigen Vorbereitung auf die Ankunft Christi und zum geduldigen Ausharren ermahnt: „Befleißet euch, daß ihr von ihm unbefleckt und tadellos im Frieden erfunden werdet; und haltet die Langmut unsers Herrn für Heil, wie auch unser geliebtester Bruder Paulus nach der ihm verliehenen Weisheit geschrieben hat; und wie er denn in allen seinen Briefen tut, in welchen er davon redet, in welchen Manches schwer verständlich ist, welches, so wie die übrigen Schriften, ununterrichtete und leichtfertige Menschen zu ihrem eigenen Verderben missdeuten.“ (2. Petr. 3, 14-17)
Weil die Irrlehrer Anderes lehren wollen, als Paulus, und weil sie gegen seine Lehre sich nicht rechtfertigen können; darum gehen sie gegen dessen Schriften gerade so vor, wie gegen die Lehre der heiligen Kirche, indem sie verwerfen, verstümmeln und verdrehen, was sich mit ihren Irrtümern nicht verträgt, und Gottes Wort und Wahrheit durch Menschenwort und Lüge sakrilegisch verfälschen und verdrängen.
Paulus führt Alle in die Arche des Heils
Von der mündlichen und schriftlichen Glaubenspredigt des heiligen Paulus gilt das Urteil, welches der heilige Chrysostomus in folgendenWorten niedergelegt hat; von seiner mündlichen Predigt: „Die Erde und das Meer, die Länder der Griechen und der Barbaren, die ganze Erde, wie weit sie sich unter dem Himmel ausdehnt, hat er wie im Fluge durchzogen, nicht etwa so in einfacher Mühe zweckloser Reisen, sondern indem er zugleich die Dornen der Sünde ausrottete, den Samen des Wortes ausstreute, überall die Irrtümer gegen die Gottesverehrung verscheuchte, die Wahrheit zurück führte, aus Menschen Engel machte; ja vielmehr die Menschen selbst aus Teufeln zu Engeln erhob“ (Homil. I de laudibus S. Pauli); von seiner schriftlichen Glaubenspredigt aber, indem er ihn und seine Briefe mit Noe und mit der Arche vergleicht, und sagt: „Von jenem liest man nur, daß er sich und seine Kinder gerettet habe, dieser hat aber in der viel wütender tobenden Sündflut der Welt, nicht aus zusammen gefügten Brettern eine Arche zimmernd, sondern durch die Verfassung von briefen, nicht zwei oder drei oder fünf Verwandte, sondern einfach den ganzen Erdkreis, welcher im Untergehen war, mitten aus den Wogen gerettet. Und dies war keine solche Arche, daß sie bloß an einem Ort herum getrieben wurde, sondern ihre Fahrt erstreckt sich bis an die Grenzen des Erdkreises. Denn bis jetzt führt Paulus Alle in die Arche, die er gewiß groß genug bereitet hat, um die Menge, welche gerettet werden soll, aufzunehmen, und sie macht solche, die fast törichter waren, als die unvernünftigen Tiere, zu Nachahmern der Engel. Auch dadurch übertrifft sie jene Arche, daß jene den Raben zwar aufgenommen, aber auch wieder als Raben entlassen, und, wiewohl sie den Wolf eingeschlossen hat, doch nicht im Stande gewesen ist, ihm seine Wildheit zu nehmen, diese aber Habichte und Falken aufnimmt, und in Tauben verwandelt, indem sie jede Unvernünftigkeit und Wildheit vertreibt, und die Sanftmut des Geistes einführt; diese Arche schifft heute noch, zerfällt niemals, und kein Sturm der Bosheit vermag ihr Gebälk aus den Fugen zu bringen, sondern sie bändigt vielmehr den Andrang des Sturmes durch ihren lauf; was auch eine ganz folgerichtige Wirkung ist. Denn ihr Gebälk ist nicht mit Harz und Pech verkittet, sondern von dem heilige Geist gesalbt.“ (Homil. I. de laudibus S. Pauli.) Das ist die Wirksamkeit und Kraft der mündlichen und schriftlichen Glaubenspredigt des großen Apostels. –
aus: Georg Patiss SJ, Paulus in seinen apostolischen Tugenden, 1881, S. 146 – S. 152