Fest der Bekehrung des heiligen Paulus

In den Wolken erscheint Christus dem Saulus, der vom Pferd auf den Boden fällt, da das Pferd quasi scheut; die Soldaten als seine Begleiter fallen ebenfalls zu Boden, halten sich die Ohren zu, bedecken ihren Kopf und sind voll Angst

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Betrachtung zum 25. Januar

Fidelis sermo et omni acceptione dignus, quod Christus Jesus venitin hunc mundum peccatores salvos facere, quorum primus ego sum. Sed ideo misericordiam consecutus sum, ut in me primo ostenderet Christus Jesus omnem patientiam.

„O wahrhaft und aller Annahme wert ist das Wort, daß Jesus Christus gekommen ist in diese Welt, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der Erste bin. Aber darum habe ich Barmherzigkeit erlangt, daß an mir Ersten Christus Jesus alle Langmut zeige.“ (1. Tim. 1,15 u. 16)1.

Erwäge, welch großen Trost du aus diesen untrüglichen Worten des Glaubens schöpfen musst: „Jesus Christus ist in diese Welt gekommen, die Sünder selig zu machen.“ Wenn der Herr kam, die Sünder selig zu machen, so kam er auch um deines Heiles willen. Der Apostel sagt, daß er in diese Welt gekommen sei, nicht, daß er geboren wurde; um anzuzeigen, daß er auch vor seiner Geburt gewesen ist, aber anderswo, nämlich im Schoß des Vaters. Daraus magst du abnehmen, wie groß sein Verlangen ist, dich selig zu machen, daß er deshalb aus dem Wohnsitz der ewigen Seligkeit in den Wohnsitz alles Elends herab stieg: Er kam in diese Welt. Aber er wußte vielleicht nicht, wie übel man ihn da behandeln würde? O er wußte es nur zu gut: „Er wußte Alles, was über ihn kommen würde.“ (Joh. 18,4)

2. Erwäge ferner, wie demütig der Apostel von sich sprach, da er sagte, daß er der erste Sünder, d. h. der größte von allen sei. Das konnte er ohne Lüge auch sagen, weil er sich in der Tat dafür ansah. Der Apostel dachte immerdar an seine große Sünde, diese betrachtete, diese erkannte er, und kümmerte sich dabei nicht um die Sünden Anderer; und so kam er denn dahin, daß er es machte, wie ein Kranker, der die heftigsten Podagra- oder Steinschmerzen leidet, und dabei sich überzeugt hält, daß kein Schmerz dem seinigen gleich komme, weil er diesen aus eigener Erfahrung kennt, von fremden aber nur eine schwache Vorstellung hat. Wenn auch du fortwährend die Umstände genau betrachten würdest, die deine Sünden vergrößern, fremde aber verkleinern, so würdest du ebenso reden. Aber du tust gerade das Gegenteil, denkst immer nur daran, was Anderer Sünden erschwert, die deinigen verringert. Willst du dich in Wahrheit für schlechter als Alle halten? Nun denn, so mach es so: Fasse einen großen Haß gegen dich selbst. Siehst du nicht, was du tust, wenn du gegen Jemand wegen einer Beleidigung einen bitteren Haß hegst? Sagst du nicht, es gebe keinen Verräter, der ihm gleich wäre? Und das sagst du nicht einmal aus Übertreibung, sondern weil du in deiner Wut wirklich so urteilst. Dasselbe wird bei dir der Fall sein, wenn du jenen Gipfel des Selbsthasses erreicht hast, zu dem die Heiligen gelangt sind.

3. Bedenke, daß der Apostel, obwohl er schon längst sich bekehrt hatte, nicht gesagt: ich bin der Erste gewesen; sondern: ich bin der Erste. Er sah nämlich nur darauf, was er von Natur aus in sich hatte, und wußte, daß es keine Sünde gebe, die er nicht von dieser Seite leicht begangen hätte, daß er es aber einzig der Gnade verdanke, sie nicht begangen zu haben. Sieh da, welch weites Feld für die Demut hier sich öffnet. Erwäge oft die bösen Neigungen, die in dir herrschen, und betrachte, was geschehen würde, wenn Gott nur ein wenig seine heilige Hand von dir abzöge.

4. Erwäge, wie der Apostel, um einen Jeden zum Vertrauen auf Christus zu ermutigen, sich selbst anklagte. Er sagt, Christus wollte barmherzig sein, um an ihm, als dem größten Sünder, die Größe seiner Langmut zu zeigen. Und in der Tat, wie Viele haben nicht Mut gefaßt aus dem Beispiel des heiligen Paulus, der von Christus am heutigen Tage aus einem so heftigen Verfolger in einen so glühenden Prediger umgewandelt wurde! Es darf uns aber auch nicht Wunder nehmen, wenn in einer Stadt ein neu angekommener Arzt, der einen schon aufgegebenen Kranken ganz vollkommen herstellt, von allen übrigen Kranken in ihr Haus gerufen wird. Aber siehe, wie der Apostel gerade hiervon Veranlassung zur Demütigung nimmt. Er sagt, der Herr habe gegen ihn alle Langmut gezeigt; gleichsam als hätte er alle jene Langmut, mit der alle Anderen einzeln übertragen, in der geduldigen Übertragung seiner allein ganz vereinigt. O wie viel richtiger kannst du sagen, daß er an dir alle Langmut gezeigt habe, da er überdies deinen so großen Undank erträgt! Der Apostel hat endlich, nachdem er sich einmal bekehrt hatte, Christo immer treu bis an den Tod angehangen, hat gearbeitet und geschwitzt, und fast Unglaubliches gelitten und getan, um der Wohltat Gottes zu entsprechen: „Er hat mehr gearbeitet als alle übrigen.“ (1. Kor. 15,10) Du hingegen, wie oft bist du zurückgekehrt zur Sünde?

5. Betrachte, daß, obgleich der vornehmste Zweck, den Gott bei der langmütigen Übertragung deiner Person hat, die Offenbarung seiner Langmut ist, du ihm deshalb doch nicht minder verpflichtet bist, weil er dieselbe auch an unzähligen Anderen zeigen könnte, an denen er sie aber nicht zeigt. Welche Gnade also erzeigt er dir nicht, da er seine Langmut besonders an dir zeigen will! Das allein wird hinreichen, dich zu beschämen und zu dem aufrichtigen Geständnis zu bewegen: „Ich will ihn loben im Lande meiner Gefangenschaft, denn er hat seine Herrlichkeit erwiesen an einem sündigen Volke.“ (Tob. 13,7) –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. I, S. 48 – S. 50

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