Der hl Paulus in seiner Vorherbestimmung

Der heilige Apostel Paulus sieht majestätisch aus, wie er da steht mit Vollbart und in der rechten Hand auf ein Schwert gestützt

Der heilige Paulus in seiner Vorherbestimmung

An dem heiligen Apostel Paulus ist das Wort des heiligen Augustinus bereits seinem ganzen Inhalt nach erfüllt: „Gott hat uns vorher bestimmt, bevor wir waren; hat uns gerechtfertigt, da wir Sünder waren; hat uns verherrlicht, da wir sterblich waren.“ (1) Gott hat diesen Apostel von Ewigkeit her dazu erwählt, was er in der Zeit werden, und in alle Ewigkeit bleiben sollte. Er war in seiner ersten Lebensperiode nicht dort, wo Gott ihn haben wollte; er war ein Verfolger der Kirche Gottes, und musste von Gott gerufen werden. Gott erbarmte sich seiner, rechtfertigte und heiligte ihn. Gott berief ihn zur apostolischen Vollkommenheit, stärkte, befestigte und vollendete ihn in seinem erhabenen Beruf, daß er zur Krone der Herrlichkeit gelangte. Er ist, nachdem er seinen Lebenslauf glorreich abgeschlossen hat, am ewigen Ziel angelangt, und nun eingegangen in die Freude seines Herrn.

An diesem Apostel hat sich auch das andere Wort desselben heiligen Lehrers als wahr erwiesen: „Es werden auserwählt, die noch nicht sind; und es irrt nicht, der sie auserwählt; er auserwählt sie auch nicht erfolglos; er auserwählt sie aber dennoch, und hat Auserwählte, die er als solche erschaffen will, die auserwählt werden sollen.“ (2) Wenn die Auserwählung eines Menschen auch vor seiner Erschaffung von Seite Gottes stattfindet, wenn Gott in seiner Auserwählung sich auch nicht irren kann, und, die er auserwählt hat, auch in der Folge Auserwählte sein werden; so wird diese Auserwählung Gottes gleichwohl erst nach der Erschaffung des Menschen vermittelst der Gaben und Gnaden Gottes und der frei tätigen Mitwirkung des Menschen mit denselben ausgeführt, und mit der Erreichung des letzten Zieles vollendet. Obwohl daher Paulus von Gott ohne sein Verdienst, und bevor er war, für Alles, was er geworden ist, vorher bestimmt, und von Seite Gottes als treu und vollendet voraus gesehen war; hat er sein Ziel doch nicht ohne sein eigene freie Wahl, und ohne seine selbsttätige freie Mitwirkung erreicht. Geheimnisvoll und wunderbar sind die Wege Gottes und die Wege des Menschen.

(1) De verbis Apostol. Serm. 16.
(2) Ibid. Serm. 11.

Paulus für den Glauben, für die Kirche, für die Heiligkeit und für die Seligkeit auserwählt und vorher bestimmt

Paulus war von Gott von Ewigkeit her für den Glauben, für die Kirche Christi, für die Heiligkeit und für die Seligkeit vorher bestimmt. Dies erklärt er selbst in seinen Briefen, ohne sich besonders hervorzuheben, oder bemerkbar zu machen, auf die klarste und gründlichste Weise. Denn in dem Brief an die Epheser, unter welchen sich Christen aus dem Judentum und aus dem Heidentum befanden, schreibt also: „Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen, mit himmlischen Gaben in Christo, so wie er uns in ihm erwählt hat vor der Grundlegung der Welt, daß wir heilig und untadelhaft seien vor ihm in der Liebe; der uns vorher bestimmt hat zur Kindschaft durch Jesum Christum für ihn nach dem Vorsatz seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, mit welcher er uns begnadigt hat, durch seinen geliebten Sohn. (1) Hier bezeichnet der Apostel die Ursache, welche diese Vorherbestimmung bewirkt (2): „Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi“; die Ursache, welche diese Vorherbestimmung verdient hat (3): „durch Jesum Christum“; die Ursache, nach deren Vorbild diese Vorherbestimmung ausgeführt werden soll (4): „für ihn“ (5), nämlich daß wir seinem Vorbild ähnlich werden, und so ihm zur Ehre gereichen; die Ursache, welche den letzten Grund dieser Vorherbestimmung in sich schließt (6): „Nach dem Vorsatz seines Willens“; endlich die Ursache, welche den Zweck dieser Vorherbestimmung enthält (7): „Zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade“. Er nennt da ausdrücklich die Auserwählung und Vorherbestimmung: „So wie er uns in ihm auserwählt hat“; und: „der uns vorher bestimmt hat.“ Er sagt auch, daß diese Auserwählung, diese Vorherbestimmung von Ewigkeit her geschehen sei: „Vor der Grundlegung der Welt.“ Endlich bezeichnet er noch das, wofür diese Auserwählung und Vorherbestimmung geschehen ist: „Daß wir heilig und untadelhaft seien vor ihm in der Liebe“; und: „Der uns vorher bestimmt hat zur Kindschaft“; was nur durch den Glauben, in der Kirche und durch wahrhafte Heiligkeit möglich ist, wie er dies im Folgenden auch ausspricht: „Indem er uns das Geheimnis seines Willens nach seinem Wohlgefallen kund tat, nach welchem er bei sich beschlossen hat, die Fülle der Zeiten eintreten zu lassen, und Alles, was im Himmel, und was auf Erden ist, zu erneuern in ihm“ (8); denn mit diesen Worten bezeichnet er die von Christus gegründete Heilsanstalt, die heilige Kirche. (9)

Ferner erklärt der Apostel, daß diese Auserwählung und Vorherbestimmung für ihn, für die Judenchristen und für die Heidenchristen eine gemeinschaftliche sei; indem er zuerst von sich selbst und von den Judenchristen unter den Ephesern sagt: „In welchem (nämlich in Christus) auch wir zur Erbschaft berufen wurden, die wir nach dem Vorsatz dessen, der Alles nach dem Ratschluß seines Willens wirkt, vorher bestimmt sind, damit wir zum Lobe seiner Verherrlichung seien, die wir schon vorher auf Christum gehofft haben.“ (10) Von den Heidenchristen unter den Ephesern aber spricht er: „In welchem auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit (das Evangelium eures Heiles) gehört hattet, in welchem (sage ich) auch ihr, da ihr glaubtet, besiegelt worden seid mit dem verheißenen heiligen Geiste.“ (11)

Endlich fügt der Apostel hinzu, daß in diesen bereits gegebenen und empfangenen Gnaden auch das Unterpfand der Hoffnung auf die ewige Seligkeit liege: „Mit dem verheißenen heiligen Geist, der das Unterpfand unserer Erbschaft ist, zur Einlösung des Eigentums, zum Lobe seiner Herrlichkeit“ (12); nämlich des Eigentums der ewigen Seligkeit, welches wir durch die Sünde verloren haben, Christus aber wieder eingelöst hat, und der heilige Geist durch die Verdienste Christi Jedem von uns persönlich einlösen, das heißt, Jedem wieder zu eigen machen hilft.
So klar, bestimmt und begründet legt der Apostel seine Auserwählung und Vorherbestimmung dar, indem er sich zwar nur mit den übrigen Christen in dieselbe einbegreift, und in Bezug auf die ewige Erbschaft nur die empfangenen Gnaden als Unterpfand fester Hoffnung hinstellt; aber doch so sicher davon spricht, wie Einer, der sich bereits auf dem Wege befindet, der zum Ziel führt. Gegen das Ende seiner Laufbahn aber erklärt er auch seine Auserwählung und Vorherbestimmung für das ewige Leben mit den bestimmtesten Worten: „Die Zeit meiner Auflösung ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben verwahrt; im Übrigen ist mir die Krone der Gerechtigkeit hinterlegt, welche mir an jenem Tage der gerechte Richter geben wird.“ (13)

Wir haben somit sein eigenes Zeugnis, und in diesem Zeugnis, das vom heiligen Geist inspiriert ist, das Zeugnis des heiligen Geistes, selbst, daß er von Gott von Ewigkeit her für den Glauben, für die Kirche, für die Heiligkeit, für die ewige Seligkeit auserwählt, und vorher bestimmt worden ist.

Da wir aber den Apostel nicht bloß in seiner Auserwählung und Vorherbestimmung zum Glauben, zur Kirche, zur Heiligkeit und zur ewigen Seligkeit, sondern auch in seiner Berufung zum Apostolat zu betrachten haben; so müssen wir noch zuvor von der Berufsgnade im Allgemeinen sprechen.

(1) Ephes. c. I. v. 3-7
(2) causa efficiens
(3) Causa meritoria
(4) Causa exemplaris
(5) Allioli übersetzt: „für sich“, Reischl: „zu ihm selber“; den allgemein angenommenen Sinn des : in ipsum; scheint jedoch: „für ihn“ besser auszudrücken.
(6) Causa formalis
(7) Causa finalis
(8) ibid. v. 9.10.
(9) Vide Corn. A Lapid. In h. l. Reischl zu Epheser K. 1, V. 5. N. g.
(10) Ephes. c. I. v. 11.12.
(11) Ibid. v. 13.
(12) Ibid. v. 14.
(13) 2. Tim. c. IV.v. 7. 8.

aus: Georg Patiss SJ, Paulus in seinen apostolischen Tugenden, 1881, S. 1 – S. 2; S. 6 – S. 9

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