Der hl. Paulus zum Apostolat berufen
Von seiner Berufung zum Apostolat spricht Paulus klar und bestimmt so oft, daß er beinahe alle seine Briefe mit der demütigen und dankbaren Hinweisung auf diese besondere und hohe Gnade anfängt. Den Brief an die Römer beginnt er mit den Worten: „Paulus, ein Diener Jesu Christi, berufener Apostel, auserwählt für das Evangelium Gottes – von seinem Sohne, – durch welchen wir Gnade und das Apostelamt empfangen haben, um alle Völker dem Glauben gehorsam zu machen für seinen Namen.“ (Röm. 1, 1. 3. 5) Er spricht da wie Einer, der sich seiner Sendung und göttlichen Vollmacht vollkommen bewußt ist, und das Recht hat, den Glauben und den Gehorsam der Völker für sein Wort zu fordern…
Beispiele aus seinen Briefen
An die Spitze des ersten Briefes an die Korinther setzt er die Worte: „Paulus, berufener Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen“ (1. Kor. 1, 1); und eben so an die Spitze des zweiten Briefes an dieselben: „Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes.“ (2. Kor. 1, 1)
Am Anfang des Briefes an die Galater hebt er diese Berufsgnade als eine ganz außerordentliche, unmittelbar von Gott selbst empfangene, Gnade mit allem Nachdruck hervor: „Paulus, ein Apostel, nicht von Menschen, noch durch einen Menschen, sondern durch Jesum Christum und Gott, den Vater, der ihn auferweckt hat von den Toten.“ (Gal. 1, 1)
Auch den Brief an die Epheser beginnt er also: „Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, an alle Heiligen, die zu Ephesus sind“ (Eph. 1, 1); und erklärt in diesem Brief im Verlauf seiner Ermahnungen, daß er von Gott ganz vorzüglich zum Apostolat unter den Heiden berufen worden sei: „Mir, dem Geringsten unter allen Heiligen wurde diese Gnade verliehen, unter den Heiden die unerforschlichen Reichtümer Christi zu verkünden, um Alle zu erleuchten, wie die Anstalt des Geheimnisses beschaffen sei, welches von Ewigkeit her in Gott verborgen gewesen ist, der Alles erschaffen hat.“ (Eph. 3, 8. 9)
Den Brief an die Kolosser beginnt er ebenfalls mit den Worten: „Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes“ (Kol. 1, 1); und, nachdem er sie ermahnt hat, in der Hoffnung des Evangeliums nicht zu wanken, fährt er fort: „dessen Diener ich Paulus geworden bin, der ich mich nun freue in den Leiden für euch, und das an meinem Fleisch ersetze, was an den Leiden Christi für seinen Leib, welcher die Kirche ist, mangelt, deren Diener ich geworden bin nach Gottes Veranstaltung, die mir für euch zu Teil geworden ist,…“ (ebd. 23-29)
Wie großartig und tiefsinnig ist da der von Gott erwählte, von Gott erfüllte, in Gott und mit Gott wirkende Apostel beschrieben!
Der Anfang des ersten Briefes an Timotheus lautet: „Paulus, Apostel Jesu Christi, nach dem Befehl Gottes, unsers Erretters, und Christi Jesu, unserer Hoffnung.“ (1. Tim. 1, 1) Hier nennt er seine Berufung zum Apostolat einen an ihn von Gott ergangenen Befehl zu diesem Amt, und spricht mit demütigem Herzen seinen Dank dafür aus: „Ich danke dem, der mich gestärkt, Jesu Christo, unserm Herrn, daß er mich für treu gehalten, und in das Amt eingesetzt hat, der ich vorher ein Lästerer und Verfolger und Schmäher war; aber ich habe Gottes Barmherzigkeit erlangt, weil ich es unwissend tat im Unglauben; und überschwänglich erwies sich die Gnade unsers Herrn mit Glauben und Liebe in Christo Jesu.“ (1. Tim. 1, 12. 13)
Ebenso beginnt er den zweiten Brief an Timotheus: „Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes zur Verheißung des Lebens, welches in Christo Jesu ist“ (2. Tim. 1, 1); und spricht seine ewige Berufung zum Apostelamt mit den klarsten Worten aus, indem er Timotheus, seinen Schüler, ermahnt: „Arbeite mit mir am Evangelium vermöge der Kraft Gottes, der uns erlöst, und berufen hat, durch seinen heiligen Ruf, nicht vermöge unserer Werke, sondern vermöge seines Vorsatzes und der Gnade, die uns gegeben in Christo Jesu vor ewigen Zeiten, …“ (ebd., 8-12) So klar und bestimmt hat der heilige Geist durch den Mund des Apostels selbst dessen ewige Berufung zum Apostelamt ausgesprochen, und den Völkern verkündet.
Am Anfang des Briefes an Titus gibt Paulus endlich auch den Gegenstand, den Zweck, den Urheber, den Grund seines Apostolates, und darin die Ursachen seiner Berufung an, indem er schreibt: „Paulus, Knecht Gottes, Apostel aber Jesu Christi gemäß dem Glauben der Auserwählten Gottes und der Erkenntnis der Wahrheit, welche der Gottseligkeit angemessen ist, zur Hoffnung des ewigen Lebens, welches Gott, der nicht lügt, vor ewigen Zeiten verheißen, aber geoffenbart hat zu seiner Zeit, (nämlich) sein Wort durch die Verkündigung, welche mir anvertraut worden auf Befehl Gottes, unseres Retters.“ (Tit. 1, 1-4) Denn er bezeichnet hier als den Gegenstand für seine Berufung zum Apostolat „den Glauben der auserwählten und die Erkenntnis der Wahrheit“ (Causa materialis), die er predigen sollte; als den Zweck „die Hoffnung auf das ewige Leben“ (Causa finalis), die er begründen sollte; als den wirksamen Urheber „den Befehl Gottes und des Erlösers“ (Causa efficiens), durch welchen er gesendet worden ist; als den innersten Grund „die Verkündigung, welche ihm anvertraut worden ist.“ (Causa formalis) Hiermit ist also von Paulus selbst, und durch ihn vom heiligen Geist, dessen göttliche Berufung zum Apostolat nach allen Seiten hin festgestellt.
Paulus, der vom Herrn nicht während seines Wandels unter den Menschen, sondern erst nach seiner Himmelfahrt berufen worden ist, scheint es in seiner Demut und Dankbarkeit nicht bloß als ein Bedürfnis seines liebenden Herzens gefühlt, sondern auch zum besten der Völker für notwendig, oder doch für heilsam erachtet zu haben, die Gnade seiner wunderbaren Berufung und seines erhabenen Berufes zu Gottes Ehre vor der ganzen Welt zu preisen, und mit aller Kraft zu betonen; damit die Menschen ihn, den früheren Verfolger der Kirche Christi, mit um so willigerem und gelehrigerem Herzen anhörten, und seiner Predigt um so vertrauungsvoller Glauben schenkten. Daher war immer gleichsam sein erstes Wort an sie die Beteuerung seiner göttlichen Sendung zum Apostolat, mit welcher er alle Irrlehrer und Feinde des Evangeliums, alle seine Gegner und Verleumder, welche, wie er selbst bezeugt, bald da, bald dort auftauchten, entwaffnete, die Herzen der Völker sich öffnete, die Gläubigen in seinen und ihren Verfolgungen aufrecht erhielt, und die Bekenner bis zum Märtyrertod stärkte und befestigte.
Die Auserwählung von Christus selbst ausgesprochen
Die ewige Auserwählung des Apostels und dessen Berufung zu diesem Amt hat auch Christus, der Herr, selbst mit klaren Worten ausgesprochen. Denn als Paulus, von der Hand des Herrn getroffen, zu Damaskus in dem Hause des Judas, körperlich blind, aber geistig schon erleuchtet, auf die weiteren Verfügungen des Herrn harrte und betete; sendete Christus den Jünger Ananias zu ihm mit den Worten: „Gehe hin; denn dieser ist mir ein auserwähltes Werkzeug, meinen Namen vor die Heiden und Könige und Kinder Israels zu bringen.“ (Act. Apost. 9, 15) Christus nennt hier Paulus „ein Gefäß der Auserwählung“ (Vas electionis), daß ist, ein auserwähltes Gefäß, und sagt ausdrücklich, daß es von ihm („Ist mir“) auserwählt worden. Das Wort: „Gefäß“ bedeutet in der Sprache des heiligen Geistes ein Werkzeug, wie z. B. „Gefäße des Gesanges“ (Amos 6, 5), das ist Muiskinstrumente; „Gefäße des Krieges“ (Gen. 45, 5), das ist Waffen; „Gefäße des Todes“ (Ps. 7, 14), das ist Werkzeuge, mit welchen Jemand getötet wird. Christus bezeichnet daher Paulus als den, welchen er sich auserwählt hat, um ihn als Werkzeug zu gebrauchen. Der Herr bezeichnet auch den Zweck, zu welchem, und den Gegenstand, für welchen er sich dieses Werkzeuges bedienen wollte; nämlich: „Um meinen Namen vor die Heiden, Könige und Kinder Israels zu bringen; „daß ist, das Evangelium den Juden und den Heiden, allen Menschen zu verkündigen.
Nach dem heiligen Hieronymus wollte Christus, der Herr, mit dieser Benennung auch die Kostbarkeit und Vortrefflichkeit dieses künftigen Apostels andeuten; denn ein von ihm auserwähltes Gefäß konnte kein gewöhnliches, sondern musste ein sehr kostbares und vortreffliches sein, wie Paulus selbst die Auserwählten „goldene und silberne Gefäße“ und „Gefäße der Ehre“ nennt. (2. Tim. 2, 20)
Ein kostbares Gefäß ist auch dazu bestimmt, kostbare Dinge in sich aufzunehmen; mit dieser Benennung wollte der Herr somit die Schätze der himmlischen Weisheit und Gnade andeuten, mit welchen Paulus erfüllt werden sollte, wie derselbe heilige Hieronymus sagt: „Ein Gefäß der Auserwählung ist Paulus, weil er ein Gefäß des Gesetzes und eine Vorratskammer der heiligen Schriften ist“ (in Ose. c. VIII); und der heilige Thomas von Aquin schreibt: „Paulus war ein Gefäß von Gold wegen der Weisheit, von Festigkeit wegen der Liebe; von Herrlichkeit wegen aller übrigen Tugenden.“ (Praefat. In Epist. S. Pauli)
Ein Gefäß muss wieder geben, was es in sich aufgenommen hat, und ein Werkzeug von der Hand dessen gebraucht, dem es Werkzeug ist. Wenn daher Christus sagt, Paulus sei ihm ein auserwähltes Gefäß und Werkzeug, so wollte er damit andeuten, daß er in ihm alle seine Erlösungs-Schätze niederlegen, und ihn dazu gebrauchen wolle, um von denselben durch ihn allen Menschen mitzuteilen. Wird also die Sonne in der heiligen Schrift „ein wunderbares Gefäß und Werk des Allerhöchsten“ (Eccles. 43, 2) genannt, weil sie das Licht in alle Welten ausstrahlt; so sagt der heilige Chrysostomus von Paulus: „Die Zunge des Paulus überstrahlte die Sonne selbst, da er in der Lehre des Wortes alle Übrigen übertraf, weshalb er von den Heiden für Mercurius gehalten wurde (in Röm. 1); und der heilige Hieronymus nennt Paulus „das Gefäß der Auserwählung, die Posaune des Evangeliums, das Gebrüll unseres Löwen, den Donner der Heiden, denStern der christlichen Beredsamkeit, der das Geheimnis, welches den früheren Geschlechtern verborgen war, die Tiefe des Reichtums, der Weisheit und Wissenschaft Gottes mehr bewundert, als ausspricht.“ (Epist. 61 ad Pammach)
Endlich hat Christus von keinem andern Apostel je eine solche Benennung in der Auserwählung und Berufung gebraucht, um anzudeuten, daß seine Auserwählung und Berufung gnadenreicher, außerordentlicher und wunderbarer sei, als diejenige aller übrigen; und daher behauptet der heilige Chrysostomus in dieser Beziehung mit allem Recht: „Keiner ist größer als Paulus, oder ihm auch nur gleich.“ (Libr. I. de provident.)
Zeugnis der göttlichen Auserwählung
Zudem bezeugt die göttliche Auserwählung und Berufung dieses Apostels zu seinem Amt auch der Erfolg, welchen er uns ebenfalls in seinen Briefen vor Augen stellt. Denn er schreibt an die Korinther: „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und seine Gnade ist in mir nicht unwirksam gewesen.“ (1. Kor. 15,10) Der Apostel erinnert hier die Korinther, wie er ihnen das Evangelium gepredigt, wie sie an das Evangelium geglaubt haben, und wie ihm und ihnen hierzu die Gnade Gottes verhilflich gewesen sei; es beweise somit diese Tatsache, daß er, wenn auch wegen seiner früheren Verfolgung der Kirche des Apostelamtes unwürdig, doch eben so gewiß und eben so wirksam ein von Gott gesendeter und begnadigter Apostel sei, wie alle übrigen; und er fügt ohne Bedenken bei: „Denn ich habe mehr, als sie alle, gearbeitet“ (1. Kor. 15, 10); worüber der heilige Hieronymus die Bemerkung macht: „Der plötzliche Eifer überwindet die lange Lauheit; Paulus, von der Verfolgung her in einen Apostel umgewandelt, ist zwar der Ordnung nach der Letzte, aber den Verdiensten nach der Erste; weil er, obgleich zuletzt berufen, doch mehr, als die übrigen, gearbeitet hat.“ (Epist. ad Paulinum)
Paulus berichtet im Brief an die Galater, daß die Ersten der Apostel und unter diesen selbst Petrus seine göttliche Berufung zum Apostelamt eben aus seinem gnadenreichen apostolischen Wirken erkannt, und darum ihn als Mitapostel anerkannt haben: „Als sie sahen, daß mir das Evangelium bei den Unbeschnittenen anvertraut ist, gleichwie dem Petrus bei den Beschnittenen (1), (denn der mit Petrus wirksam war zum Apostelamt bei den Beschnittenen, der war auch mit mir wirksam unter den Heiden), und als sie die Gnade erkannten, die mir verliehen ist; da gaben Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen waren, mir und Barnabas die Hand zur Gemeinschaft.“ (2)
(1) Das heißt: Nicht ein geteiltes Apostolat, sondern nur ein geteilter, nur als vorzüglicher Wirkungskreis in demselben Apostolat; denn beide Apostel haben, wie den Juden, so den Heiden gepredigt.
(2) Gal. 2, 7. 8. 9. Das heißt: Die Gemeinschaft im Apostolat, daß sie mich als wahren Apostel anerkannten; wobei der Primat des Petrus als selbstverständlich voraus gesetzt bleibt. –
aus: Georg Patiss SJ, Paulus in seinen apostolischen Tugenden, 1881, S. 31 – S. 38