Verherrlichung der Gnade durch den heiligen Paulus
Der Gnade, die sich in der Bekehrung des hl. Paulus so großartig offenbarte, wurde durch ihn auch geziemende Anerkennung und Verherrlichung.
Paulus unterwarf sich der Gnade Gottes
Der hl. Paulus verherrlichte die Gnade Gottes zuerst dadurch, daß er sie annahm und sich ihr unterwarf. Das ist die Anerkennung, die Gott bei der Gnade vor allem beabsichtigt und die wir ihr schulden.Die Gnade Gottes ist eigentlich nichts anderes als Gott selbst, der sich huldvoll herabläßt, unsern Verstand zu erleuchten und unsern Willen zu einem Heilswerk zu bewegen. Wir müssen also in der Gnade Gott selbst sehen und dürfen sie nicht anders behandeln als Gott selbst. Die Gnade wegwerfen heißt in einem gewissen Sinne Gott selbst wegwerfen. Dem hl. Paulus erschien gleichsam die Gnade leibhaft und sichtlich in der Person Christi, die sich ihm offenbarte und zeigte. Und er rief in edler Bereitwilligkeit aus: Herr, was soll ich tun? So müssen auch wir tun bei jeder Ansprache Gottes an unser Herz.
Paulus verwertete die Gnade für sich und andere
Zweitens verherrlichte der hl. Paulus die Gnade, indem er sie verwertete, zuerst zu seiner eigenen Heiligkeit, deren Bild in seinen Schriften und Taten so herrlich und glorreich vor uns steht. Es ist das Bild der vollendetsten apostolischen Vollkommenheit in ihren Tugenden, ihren Unternehmungen und Erfolgen. Er verwertete die Gnade sodann zum Heil unzähliger Seelen aus dem Juden- und Heidentum, zur Ausbreitung der Kirche und zur Verherrlichung Jesu Christi in Wort und Schrift, in Reisen und Arbeiten, in Wundern, Leiden und Martertod. Der Herr selbst sagte Ananias voraus: „Der soll mir ein auserwähltes Gefäß sein, meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels zu tragen. Denn ich will ihm zeigen, was er alles für meinen Namen leiden wird“ (Apg. 9, 15f.). Wie Paulus selbst bekennt, tat es ihm kein Apostel zuvor an Eifer und Erfolg (1. Kor. 15, 10; 2. Kor. 11, 5 u. 23; 12, 11). Die ganze Welt hat er erfüllt mit der Herrlichkeit des Namens Jesu und mit dem Ruhm seiner apostolischen Erfolge.
Paulus dankte für alles aufrichtig und demütig
Es verherrlichte endlich der hl. Paulus die Gnade, indem er aufrichtig und demütig anerkannte, daß er ihr alles zu verdanken hatte, seinen Beruf (Gal. 1, 15) und alles, was er an Erfolgen für sich und die Welt verzeichnen konnte. „Durch die Gnade Gottes bin ich das, was ich bin, und seine Gnade war nicht müßig in mir; sondern mehr als jene alle habe ich gearbeitet, aber nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir“ (1. Kor. 15, 10).S eine Briefe sind eine wahre Verteidigung und Lobrede der göttlichen Gnade, er selbst,s ein ganzes Wirken eine großartige Verherrlichung ihrer Vielfältigkeit, Unerschöpflichkeit und wunderbaren Macht, der ganze hl. Paulus ein glänzendes Sternbild am Himmel der Gnade, zum Lob ihrer Herrlichkeit.
Schlussfolgerungen
Zuerst müssen wir in unserem und in aller Namen der heiligsten Dreifaltigkeit danken, dem Vater, daß er Saulus so gnädig zu seinem Sohn gezogen (Joh. 6, 44); dem Sohn, daß er Paulus erwählt hat, um sich in ihm zu offenbaren (Gal. 1, 16); dem Heiligen Geist, der so plötzlich dieses stolze Herz bezwang und umgestaltete. Auch dem hl. Paulus müssen wir danken, daß er die Gnade annahm, sich ihr unterwarf und so treu mitwirkte. Wer ermißt es, was Großes und Herrliches für Gott, für die Kirche und für die ganze Welt aus seiner Bekehrung hervor gegangen ist?
Zweitens müssen wir aus dieser Bekehrung Trost und Vertrauen gewinnen. Sie zeigt uns, daß niemand verzweifeln darf, soweit er auch durch Verirrung und Widerstand von Gott entfernt ist. Liebenswürdig, groß und mächtig ist die Gnade Gottes oder vielmehr Gott in seiner Gnade. Sie kommt uns ohne unser Verdienst entgegen; alle Herzen stehen ihr offen, wenn sie will; alles vermag sie durch ihren Zauber und ihre Macht. Der heilige Apostel selbst macht wiederholt aufmerksam auf diese Frucht, die wir aus seiner Bekehrung ziehen sollen: „Christus Jesus kam in diese Welt, um die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin“ (1. Tim. 1, 15). „Mir, dem geringsten unter allen Heiligen, ist diese Gnade verliehen worden“ (Eph. 3, 8). Wir haben uns doch wohl nicht solche Verfehlungen gegen Christus und seine Kirche vorzuwerfen wie Paulus. Und wenn auch, dieGnade Gottes macht alles gut. In einem Augenblick, ohne Entgegenkommen abzuwarten, macht sie aus einem reißenden Wolf einen Hirten der Seelen, aus einem Verfolger den begeistertsten Apostel Christi. Warum sollte sich die Gnade Gottes, die sich so glorreich an Paulus erwiesen, in uns nicht wenigstens barmherzig offenbaren?
Drittes müssen wir die Gnade Gottes, wenn sie uns geboten wird, annehmen und mit ihr mitwirken. Der Anfang der Bekehrung ging ohne Zutun des hl. Paulus von Gott aus, das Zustandekommen und die Vollendung geschah nicht ohne dessen Mitwirkung. Deshalb ermahnt uns Paulus so oft und eindringlich, die Gnade Gottes nicht wegzuwerfen (Hebr. 12, 15), sie nicht unbenutzt zu lassen (2. Kor. 6, 1), unser Herz in der Gnade zu festigen (Hebr. 13, 9). Was wäre aus Paulus geworden, hätte er die Gnade verschmäht? Wer weiß es, was Gott aus uns machen will, wenn er uns seine Gnade anbietet, und was wir verscherzen, wenn wir sie von uns weisen?
Mittel, um Gnaden zu erlangen
Um nun zu Gnaden zu gelangen, gibt es folgende Mittel. Das erste Mittel ist das Gebet. Wir haben nicht immer die rechten Gnaden zur Hand, immer aber steht uns zur Hand das Gebet, mit dem wir Gnaden gewinnen können, und zwar alle ohne Ausnahme; denn es ist wie zu allem ein notwendiges, so auch allgemeines und zu allem ausreichendes Gnadenmittel. Das Gebet ist der Eimer, mit dem wir aus dem unergründlichen Brunnenschacht der göttlichen Barmherzigkeit Gnadenhilfe schöpfen. –
Das zweite Mittel, besondere Gnaden von Gott zu erhalten, besteht darin, daß wir mit den bereits erhaltenen mitwirken und sie benutzen. Durch guten Gebrauch der erhaltenen Gnaden bereiten wir uns den Weg zu ferneren, wie der Herr selbst sagt: „Dem, der hat, wird gegeben werden“ (Luk. 8, 18). Namentlich ist es von großer Bedeutung, den Gnaden zu entsprechen, die uns bei besonderen Anläsen, bei Anforderungen zu schweren Opfern, zuteil werden. Eine solche Gelegenheit bringt uns auf einmal weiter als hundert andere. Solche Gnaden und Gelegenheiten sich gleichsam das große Los im Haushalt des geistlichen Lebens. Für immer ist mit ihnen unser Glück gemacht. Das Beispiel des hl. Paulus bezeugt uns das. Konnte Paulus auf eine zweite derartige Gnade rechnen, wenn er die erste vernachlässigt hätte? –
Das dritte Mittel und eine vortreffliche Stimmung und Bereitung des Herzens für die Gnade ist die Ehrlichkeit und Entschiedenheit, die wir in dem Charakter des hl. Paulus sehen. Er stand immer auf Seiten der erkannten Wahrheit, Furcht und Halbheit im Einstehen für sie waren ihm unbekannt.
Möchte das Beispiel und die Fürbitte des hl. Paulus dem Reich Christi Männer und Seelen erwecken, die ihm ähnlich sind. Ein anderer Paulus wäre sicher die schönste Frucht des Festes Pauli Bekehrung. Wird der Heilige nicht sein glorreiches Mittler-Gebet einlegen, wenn wir ihm die wunderbare Barmherzigkeit Gottes vorstellen, die ihm in seiner Bekehrung zuteil geworden, wenn wir ihn hinweisen auf das Große und Herrliche, das aus ihr hervor gegangen, wenn wir ihn erinnern, wie bedürftig die Kirche solcher Bekehrungen ist? –
aus: Moritz Meschler SJ, Aus dem katholischen Kirchenjahr, Erster Band, 1919, S. 132 – S. 135