Der mystische Leib der Gegenkirche

Die Predigt des Antichristen, von Satan eingegeben

Der mystische Leib der Gegenkirche

5. Die Gegensubjekte des mystischen Leibes der Kirche

Antithetische Begriffsbildung

Viele Begriffe werden durch den Gegensatz gebildet, sei dieser kontradiktorisch, negativ, privativ oder konträr. Hier handelt es sich um den konträren Gegensatz zwischen gut und schlecht, gerecht und sündig, auserwählt und verworfen, selig und verdammt. Wenn man die Begriffe Kirche und Leib, Haupt und Glieder als Grundbegriffe, die genannten konträren Gegensätze aber als Bestimmungsbegriffe verwendet, so ist der Weg offen zu einer antithetischen Begriffsbildung, die der Kirche der Gerechten die Kirche der Schlechten, dem Leib und den Gliedern Christi den Leib und die Glieder des Teufels gegenüber stellt. Auch St. Thomas hat diese Begriffsbildung teils übernommen, teils mitgemacht und teils fortgesetzt.

Der Leib aller Schlechten als Gegensubjekt zum mystischen Leib der Kirchenbegriffs

Der Gemeinschaft der Gläubigen (congregatio fidelium) gegenüber stand bei solchem Gedankengang eine Kirche der Bösen (ecclesia malignantium), dem Leib aller Guten ein Leib aller Schlechten. Man konnte damit den Begriff eines mystischen Leibes der Gegenkirche entwickeln und sich die Zugehörigkeit beziehungsweise Mitgliedschaft zu ihr ähnlich abgestuft denken, wie wir das beim mystischen Leib der Kirche (…) gesehen haben. Erster Grad wirklicher Mitgliedschaft waren dann die Verdammten, zweiter und dritter Grad die Ungläubigen und Sünder. Ja man konnte außer den wirklichen Mitgliedern auch solche unterscheiden, die es nicht wirklich waren, aber fähig waren, es zu werden, nämlich die Gerechten, die in Wirklichkeit dem Leib der Schlechten nicht angehörten, aber fähig waren, zu fallen, eine Fähigkeit, die bei manchen später verwirklicht, bei manchen nicht verwirklicht wurde. Man muss zur Ehre des hl. Thomas sagen, daß er diese Spekulation nicht so weit vorgetrieben hat.

Der Leib des Teufels und des Antichrists als Gegenprädikat zum mystischen Leib Christi

Wie man von der Kirche oder vom Leib der Kirche das Prädikat „mystischer Leib Christi“ aussagte, so konnte man folgerichtig von der Kirche der Bösen und dem Leib aller Schlechten aussagen, sie, beziehungsweise er sei der Leib des Teufels und des Antichrists.

Denn nach St. Thomas ist der Teufel das Haupt aller Schlechten, sind Antichrist und Teufel ein Haupt (1), ist somit der Antichrist wie der Teufel das Haupt der Schlechten (caput malorum), das Haupt aller Schlechten, das Haupt aller Ungerechten (caput omnium iniquorum). Der Antichrist ist selbst ein Glied des Teufels und jeder Schlechte mit ihm.

Die bedenkliche Seite des Begriffes der Teufelskirche

Die scheinbar so harmlose Theorie hatte doch ihre sehr bedenklichen Seiten. Da Sündenstand, Verworfenheit und Verdammnis ebenso unsichtbare Dinge sind wie Gnadenstand, Auserwählung und Seligkeit, so war die Kirche der Schlechten und der Leib des Teufels ein ähnlich mystischer Leib wie der „mystische Leib der Kirche“, die Gemeinschaft der Gerechten, Auserwählten und Seligen. Er war dessen wahres mystisches Gegenstück und Gegensubjekt.

Da es in der sichtbaren Kirche nach Schrift und Überlieferung immer Gerechte und Sünder, Auserwählte und Verworfene geben wird, da diese Tatsache auch für die römisch-katholisch Kirche augenscheinlich und unbestritten war, so ging infolge jener Begriffsbildung mitten durch die römisch-katholische Kirche eine geistige Demarkationslinie, wenn ich so sagen darf. Auf der einen Seite der Linie lag der „mystische Leib der Kirche“ beziehungsweise die unsichtbare Kirche der Gerechten, auf der andern Seite die ebenso unsichtbare Kirche der Schlechten und der mystische Leib dieser Gegenkirche. Die sichtbare Kirche war damit in zwei unsichtbare aufgeteilt. Der Grenzverkehr war gesichert durch die Fähigkeit der Gerechten zu fallen, und durch die der Sünder, sich zu bekehren.

Solange man trotzdem die sichtbare Kirche als die wahre Kirche und als den mystischen Leib Christi ansah, war diese Begriffsbildung noch nicht ketzerisch, aber schon bedenklich genug. Denn die Glieder dieser sichtbaren Kirche gehörten unsichtbarer Weise teils zum mystischen Leib der Kirche, zur Kirche der Gerechten, und waren so volle und wirkliche Glieder Christi, teils aber waren sie das nicht, sondern gehörten zur Kirche der Schlechten und waren so wirkliche Glieder des Teufels.

Damit spitzte sich das Problem der unwürdigen kirchlichen und weltlichen Vorgesetzten noch mehr zu. Waren sie schon früher nicht mehr volle und wirkliche Glieder des Leibes Christi, nicht bloß kranke und befleckte, sondern tote und abgestorbene Glieder der Kirche, so waren sie jetzt auch noch Glieder des Leibes aller Schlechten, Glieder des Teufels und des Antichrists. Wie sollen denn Glieder des Teufels die Glieder Christi lehren, führen und heiligen oder sonst wie ihre Vorgesetzten sein? Wie sollte sich Christus oder der Hl. Geist dieser Glieder des Teufels bedienen, um die Glieder Christi übernatürlich zu beeinflussen?

Ketzerische Lehre über die Gegenkirche des Teufels

Sobald nun die ketzerische Lehrentwicklung einsetzte und nur mehr die unsichtbare Kirche der Gerechten, Auserwählten und Vollkommenen als wahre Kirche Christi betrachtete, war die sichtbare Kirche durch zwei unsichtbare ersetzt, eine unsichtbare Kirche Christi und eine unsichtbare Kirche des Teufels, durch einen mystischen Leib Christi und einen des Antichrists. Die Kirche des Teufels wurde nun das wahre Gegensubjekt zum mystischen Leib der Kirche. Immerhin gehörte noch ein Teil der römisch-katholischen Kirche zur unsichtbaren Kirche Christi und nur der andere Teil zur Kirche des Teufels.

Sah man aber die sichtbare römisch-katholische Kirche, die doch weiter existierte, als grundsätzlich fleischlich und verkommen an, so war der Schritt nahe liegend, und er wurde getan, die sichtbare römisch-katholische Kirche zur Gänze als sichtbare Kirche des Teufels (synagoga satanae) (2) und den Papst, ihr Oberhaupt, als den wahren Antichrist zu betrachten und zu erklären (3).

Wahrhaft erlösend klingt demgegenüber die Grundlehre des Rundschreibens (Anm.: von Pius XII. „Mystici corporis“): Die römisch-katholische Kirche ist der mystische Leib Christi. Damit sind wir beide unsichtbaren Kirchen wieder losgeworden. Der unsichtbare „mystische Leib der Kirche“ kann nicht mehr beanspruchen, im Gegensatz zur sichtbaren römisch-katholischen Kirche der mystische Leib Christi zu sein, und kein mystischer Leib des Teufels kann beanspruchen, römisch-katholische Christen zu seinen Gliedern zu zählen.

Die römisch-katholisch Kirche umfaßt also Gerechte und Ungerechte, Gute und Schlechte, Auserwählte und Verworfene, Vollkommene und Unvollkommene, aber keiner ist so schlecht, daß er ein Glied des Teufels und nicht ein Glied des Leibes Christi wäre, keiner zu gut, um Glied der sichtbaren Kirche zu sein, und keiner so vollkommen, um beanspruchen zu dürfen, einer anderen, unsichtbaren Kirche zugerechnet zu werden.

(1) Man vergleiche die von St. Thomas noch nicht ausgesprochene These „Christ und Papst sind ein Haupt“
(2) Zunächst die römische Kirche im engeren Sinn (Wicleff) D 617
(3) D 645 –
aus: Albert Mitterer, Geheimnisvoller Leib Christi nach St. Thomas von Aquin und nach Papst Pius XII., 1950, S. 36 – S. 39

siehe auch den Beitrag: Pius XII. über die Existenz zweier Kirchen

Bildquellen

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