Einfluss von Maria auf das Haupt Christus

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Der Einfluss von Maria auf das Haupt Christus

Christologische Bedeutung der Jungfräulichkeit und Unbefleckten Empfängnis

Schon in ihrer Eigenschaft als Gottesgebärerin hat Maria auf das Haupt Christus einen entscheidenden Einfluss ausüben dürfen. Sie hat ihm jene menschliche Natur gegeben, die nach St. Thomas und nach dem Rundschreiben (Anm.: Pius XII. „Mystici corporis“) einer der sechs Gründe ist, warum Christus unser Haupt genannt werden kann.

Eine nicht geringere christologische Bedeutung hat ihre Jungfräulichkeit und ihre Unbefleckte Empfängnis. Es ist nicht so, daß diese beiden Attribute bloß Auszeichnungen Mariä wären, die ihre wegen ihrer Gottesmutterschaft verliehen wurden. Es sind vielmehr, wie es scheint, auch Eigenschaften, die sie in besonderer Weise befähigten, Mutter Christi zu sein. Ihre Jungfräulichkeit trotz Mutterschaft war schon nach St. Thomas der nächste Grund für die Unbefleckte Empfängnis Christi, weil das Fehlen eines menschlichen Vaters die Vererbung der Erbsünde auf Christus von Vaterseite ausschloss. Aber nachdem heute im Gegensatz zu damals erkannt ist, daß die Vererbung der menschlichen Natur nicht bloß durch den Vater, sondern auch durch die Mutter erfolgt, scheint die Unbefleckte Empfängnis Mariä ein ebenso wichtiger nächster Grund für die Unbefleckte Empfängnis Christi zu sein wie die Jungfräulichkeit Mariä, besonders wenn man jene Unbefleckte Empfängnis so auffaßt, daß Maria nicht bloß selbst von der Erbsünde frei, sondern auch von der verhängnisvollen Fähigkeit befreit war, sie auf andere zu übertragen.

Jedenfalls hat Christus, das Haupt, seiner Mutter auf beiderlei Weise einen inneren Einfluss auf sich eingeräumt, der mit dem Einfluss des Herzens auf das Haupt, wie es scheint, gut verglichen werden könnte. Dazu kommt nun noch der Einfluss, den sie nach seinem Willen auf Leib und Glieder der Kirche auszuüben berufen ist.

Die allgemeine Mutterschaft Mariä, die Pius XI. (1) und mit ihr Pius XII. in unserem Rundschreiben eingehend darstellen und zu deren Ehre Pius XI. ein eigenes Fest gestiftet hat, muss heute um so mehr als ein dem Herzen ähnlicher Zug betrachtet werden, als Pius XI. in seinem Ehe-Rundschreiben die Stellung der Mutter in der Familie mit der des Herzens vergleicht (2) und damit, (…) über die aristotelischen Vorstellungen des hl. Thomas wesentlich hinaus geht.
Das Prädikat Miterlöserin, das von der kirchlichen Behörde genehmigt ist (3), sichert Mariä einen gewissen Anteil an der Erlösungstat Christi, also an einer der drei Tatsachen, infolge deren die Kirche nach dem Rundschreiben als Leib Christi im institutionellen Sinne betrachtet werden muss.

Einfluss von Maria auf die Glieder des Leibes Christi

Dadurch, daß Maria allen Gliedern des Leibes Christi die vom Haupt verdienten Gnaden vermittelt oder wenigstens vermitteln kann (4), übt sie einen mächtigen inneren Einfluss auf Leib und Glieder aus. Dieser Einfluss ist einerseits dem des Hauptes Christus ähnlich, also wieder eine der sechs Tatsachen, deretwegen Christus nach dem Rundschreiben Haupt der Kirche ist, andererseits unterscheidet sich aber dieser innere Einfluss Mariä von dem Christi so, daß Maria die zugeteilten Gnaden nicht verdiente, sondern vermittelte, ein Zug, in dem sie wieder dem Herzen zu gleichen scheint, das die den Gliedern zugeführten wertvollen Stoffe nicht erzeugt, sondern vermittelt.

Hat das Rundschreiben zunächst allgemein das Vorurteil beseitigt, als ob die Glieder vom Haupt oder vom Leib nur als empfangend und nicht auch als gebend gegenüber dem Haupt und dem Leib anzusehen seien, so zeigt die fortschreitende Mariologie, die auch Pius XII. unterschreibt, daß unter den gebenden Gliedern nach Christus dem Haupt an erster Stelle Maria zu nennen ist, und zwar als gebend dem Haupt, dem Leib und den Gliedern gegenüber, wie eben dargetan werden konnte – wieder ein Zug, der mit der einflussreichen, gebenden und verteilenden Funktion des Herzens im Leib in Analogie zu stehen scheint.

Das Herz Mariä und Maria als Herz

Wir kommen zur Weihe der Kirche und des ganzen Menschengeschlechts an das heiligste Herz Mariä. Es ist gewiß etwas anderes, das Herz Mariä zu verehren, und etwas anderes, sie selbst als Herz der Kirche zu betrachten, wie es etwas anderes ist, das Haupt des Herrn zu verehren und ihn selbst als Haupt der Kirche zu betrachten.

Aus der Verehrung des hl. Herzens Mariä und aus der Weihe der Menschen an dieses hl. Herz folgt auch nicht ohne weiteres, daß man Maria als das Herz der Kirche betrachten müsse, so wie aus dem Umstand, daß wir das Herz Jesu verehren und daß ihm Kirche und Menschheit geweiht ist, nicht folgt, daß wir Christus als Herz der Kirche und der Menschheit betrachten. Wir betrachten ihn nicht als das Herz, sondern als das Haupt der Kirche und der Menschheit.

Doch stellt die Weihe der Kirche an das hl. Herz Mariä, die unser Hl. Vater vorgenommen hat (5), einen engen Zusammenhang zwischen ihrem leiblichen Herzen und ihrer Stellung in der Kirche her, so daß man sich sagen muss, sie sei in der Kirche wie die Mutter und damit wie das Herz in der Familie, also wie das Mutterherz.

Das verborgene Herz des Leibes und das verborgene Mutterherz der Kirche

Vielleicht könnte man den Einwand erheben, daß das Herz, wenn auch innerhalb des sichtbaren Leibes verborgen, doch ein sichtbares und spürbares Organ und im Gegensatz zur Seele ein sichtbarer Teil des Menschen sei. Maria aber habe dem sichtbaren Leib der Kirche als sichtbarer Teil nur während ihres Lebens angehört. Hernach sei sie unsichtbar geworden und könne wie jedes verstorbene Glied der Kirche nicht mehr als Glied der katholischen Kirche angesehen werden. Sie habe auch nicht wie Christus, das Haupt, eine sichtbare Vertretung auf Erden, die mit ihr ein Herz wäre, wie der Papst mit Christus ein Haupt ist, und so könne sie nicht wie Christus als Glied und damit auch nicht als Herz seines Leibes betrachtet werden.

Allein, wenn man die ganze Lehrentwicklung überblickt, so scheinen solche Einwände zu zerrinnen. Falls Maria das Herz der Kirche ist, wie Christus das Haupt, so war sie es jedenfalls wie Christus in sichtbarer Weise bis zu ihrem Sterben. Die danach gegebene Verklärung und Unsichtbarkeit hat keine Schwierigkeit gemacht, Christus als Haupt der Kirche zu betrachten, auch damals nicht, als man den sichtbaren Stellvertreter Christi noch nicht, als ein Haupt mit ihm, in diese Betrachtungsweise einbezog. Warum sollte es also ein Hindernis sein, Maria als Herz der Kirche anzusehen?

Die Unsichtbarkeit des Hl. Geistes hat St. Thomas und mit ihm Leo XIII. nicht gehindert, den Hl. Geist als Herz der Kirche zu bezeichnen, und die Unsichtbarkeit Mariä den hl. Bernhardin nicht, sie als Hals der Kirche anzusprechen.

Ja, St. Thomas hat in der Verborgenheit des Herzens geradezu einen Grund dafür gesehen, etwas verborgenes, wie die Gottheit Christi oder den Hl. Geist, zu dessen Analogat zu machen. Vielleicht könnte es auch berechtigt sein, zwischen der Verborgenheit des Herzens und der Verborgenheit Mariä einen analogen Zug zu sehen. Wie die Mutter, nach Pius XI. das Herz der Familie im Gegensatz zum Haupt der Familie (6), ein mehr verborgenes Leben innerhalb des Hauses führt, einen stillen Einfluss ausübt, so, könnte man sagen, sei es auch bei der Mutter Maria, dem Herzen der Kirche. Zu ihren Funktionen in der Kirche ist es, nicht notwendig, eine sichtbare Vertretung zu haben, sie wirkt in der Kirche verborgen wie das Herz im Leibe.

Außerdem darf hier die Lehre von der Himmelfahrt Mariä nicht übersehen werden. Maria ist wie Christus vor allen Engeln und abgeschiedenen (vom Körper getrennten) Seelen der Menschen insofern durch eine gewisse Sichtbarkeit ausgezeichnet, als sie wie er die Auferstehung des Fleisches bereits hinter sich hat, mit ihrem Leib wieder vereinigt und in den Himmel aufgenommen ist. Sie ist infolge dessen befähigt, wie Christus, im eigenen Leib zu erscheinen, nicht aber genötigt, wie Geister oder Seelen des Jenseits unter einer sonst wie angenommenen Gestalt gegenwärtig zu sein, um gesehen zu werden.

Wie übrigens das Herz trotz aller Verborgenheit deutlich spürbar sei, so, könnte jemand geltend machen, ist auch Maria nach dem Haupt das spürbarste Glied im Leib der Kirche, oft in einer recht auffallenden Weise, wie die zahlreichen Mariophanien und Marien-Gnadenstätten zeigen, und die Ereignisse, bei denen sie sich als „Hilfe der Christen“ erwies.

Haupt und Herz, Christus und Maria

Gewisse Analogen haben eine Verwandtschaft miteinander, die zur Folge hat, daß sie zu Paaren verbunden werden. Diese Verwandtschaft beziehungsweise Verbindung kann synonyme Bedeutung haben wie etwa „ein Herz und eine Seele“ oder antonyme wie „Haupt und Herz“.

Das gleiche gilt von Analogaten, wie Vater und Mutter, König und Königin usw. Nun ist auffallend, daß Christus und Maria in der fortschreitenden Christologie und Mariologie durch eine Reihe solcher Antonyme zu einem unzertrennlichen Begriffspaar verschmolzen sind, wie König und Königin, Erlöser und Miterlöserin, Mittler und Mittlerin, einigermaßen auch Vater und Mutter, soferne wir wenigstens vom Papst, der doch ein Haupt mit Christus ist, „Hl. Vater“ sagen.

Merkwürdiger Weise sind aber alle diese Begriffspaare wieder Analogate zum Begriffspaar Haupt und Herz, wie wir bereits gesehen haben und nur noch für das Begriffspaar König und Königin einigermaßen hervorheben wollen, die als Haupt und Herz eines Königreiches bezeichnet werden können.

So scheinen auch hier wieder Bezogenheiten vorzuliegen, die bei einer Verhältnis-Gleichung in folgender Form ihr anschließendes Ende finden: Christus verhalte sich zu Maria wie da Haupt zum Herzen. Damit kann diese Überlegenheit geschlossen werden. Es sollte nur gezeigt werden, daß gewisse der bisherigen Operationen der Theologie auf diese Schlussgleichung hinaus zu laufen scheinen.

(1) D 2271
(2) D 2233
(3) D1978a
(4) Leo XIII., D 1940a; Pius X., D 1978a Eigenes Fest; BMV omnium gratiarum mediatrix am 31. Mai.
(5) Es geschah am 31.10.1942 durch Radiobotschaft anlässlich des Abschlusses der Jubiläums-Feierlichkeiten zu Ehren der Seligsten Jungfrau von Fatima als Einleitung eines neuen Marianischen Zeitalters.
(6) D 2233 –
aus: Albert Mitterer, Geheimnisvoller Leib Christi nach St. Thomas von Aquin und nach Papst Pius XII., 1950, S. 122 – S. 127

Bildquellen

  • vatican-city-2278859_1920: pixabay

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