Der Heilige Geist ist Gott der Schönheit

Komm heiliger Geist erfülle die Herzen deiner Gläubigen, das ist der Spruch auf der mit Pflanzen geschmückten Bild; in der Mitte ist der Heilige Geist als Taube dargestellt, von sieben Feuerflammen umgeben

Für die heilige Pfingstzeit – Der Gott der Wahrheit, Gutheit und Schönheit

Der Heilige Geist – Gott der Schönheit

Die Schönheit ist das Reich der Kunst.

Die Kunst ist ja das Vermögen, das Schöne in einer sinnfälligen, Herz erfreuenden Erscheinung darzustellen. Die Schönheit aber ist nichts anderes als die Wahrheit und Gutheit der Dinge, die durch ihr sinnfälliges Erscheinen uns mit Genuss und Wohlgefallen erfüllt. Es gehören also zum Wesen der Schönheit drei Dinge: erstens die innere Wahrheit und Gutheit oder die Übereinstimmung mit der vernünftigen Natur, am Ende mit Gott, dem Urbild aller Wahrheit und Gutheit; zweitens die sinnliche Erscheinung, in welcher die innere Wahrheit und Gutheit uns entsprechend offenbar wird; drittens der Genuss, die Befriedigung und das Wohlgefallen, die durch die Erkenntnis und das Offenbarwerden der Wahrheit und Gutheit in unserem herzen erweckt werden. Die rein geistige Schönheit bietet sich dem reinen Geist unmittelbar zum Genuss dar, uns Menschen aber, als geistig sinnlichen Wesen, bloß vermittelst einer entsprechenden sinnlich wahrnehmbaren Erscheinung. Den Genuss nun, den wir beim Anschauen des Schönen empfinden, nennen wir Gefühl des Schönen, und es ist der nächste Zweck und die unmittelbare Wirkung der schönen Kunst. Der Genuss muss aber ein reiner und harmonischer sein, so daß alle Fähigkeiten des Menschen dabei befriedigt sind und kein Vermögen der sinnlich-geistigen und vernünftig-sittlichen Natur des Menschen getrübt wird. Daher ist nötig, daß das Kunstwerk reine Wahrheit und Güte in einer ganz entsprechenden sinnlichen Erscheinung zum Ausdruck bringe. Das Gefühl des Schönen ist somit wirklich eine Befriedigung des Menschen, mittelbar oder unmittelbar ein Aufschwung zu Gott. Gott ist ja die höchste und unendliche Wahrheit und Güte und deshalb auch die unendliche Schönheit, und je nachdem ein Kunstgebilde an dieser Wahrheit und Güte teilhat und sie äußerlich darstellt, um so mehr zieht es selbst unwissentlich zu Gott hin und erfüllt mit beseligendem Genuss. So ist das Gefühl des Schönen gleichsam ein Vorgefühl und eine Vorausnahme der himmlischen Beseligung, wo alle Vermögen des Menschen harmonisch befriedigt sind, der Verstand durch die unmittelbare Anschauung Gottes, der Wille durch die beseligende Liebe und friedenvolle Freude, die sinnlichen Vermögen durch ihre zukömmliche Befriedigung.

Die Beziehung des Heiligen Geistes zur schönen Kunst

Welches ist nun die Beziehung des Heiligen Geistes zur schönen Kunst? Der innere, geistige Gehalt, gleichsam die Seele des Schönen ist, wie gesagt, Wahrheit und Gutheit. In der Gottheit nun ist der Sohn die Person der Weisheit und Wahrheit, der Heilige Geist aber die Person der Gutheit. So ist die Schönheit ihrem Wesen nach auch ein Ausfluss und ein Bild des Heiligen Geistes, und er gehört mit zu den Bestandteilen und Grundbedingungen des Schönen. – Deutlicher und frischer sind die Spuren des Heiligen Geistes in dem Zweck der Kunstschöpfung, nämlich in dem Gefühl des Schönen. Es ist hier ungefähr wie bei der himmlischen Seligkeit. Sie ist Anschauung und Liebe, Erkennen und Freude. Das Gefühl des Schönen beginnt mit dem Erkennen der inneren Wahrheit und Gutheit, es gelangt aber zum Abschluss in der Ruhe, in der Befriedigung und in dem Wohlgefallen an dem Ausdruck dieser inneren Wahrheit und Gutheit. So gehört der Heilige Geist, welcher Friede und Freude, weil die Liebe ist, zum Zweck und zur Wirkung der schönen Kunst. Auch hier gilt das Wort der Heiligen Schrift: „Das Reich Gottes ist … Freude im Heiligen Geist“ (Röm. 14, 17). –

Noch unmittelbarer führt auf den Heiligen Geist zurück das Zustandekommen des Kunstwerkes. Es beruht auf der künstlerischen Begabung oder auf dem Vermögen, Ideale zu bilden, welche der geistige Entwurf oder das Gedankenbild der künstlerischen Schöpfung sind. Allerdings helfen zum Bilden solcher Ideale Studium, Schulung, natürliche Anlage, liebendes Betrachten und Versenken in den Gegenstand und andere Mittel, die dem künstlerischen Schaffen zu Gebote stehen; aber zu einer hervorragenden Vollkommenheit gelangt das Ideal bloß durch die sog. künstlerische Inspiration. Diese ist ein Seelenzustand, in dem die innere Wahrheit und Gutheit des künstlerischen Gegenstandes dem Inhalt und der Gestalt nach mitgeteilt wird mit dem lebendigen Antrieb und dem Bewusstsein des Vermögens, ihn äußerlich zu verwirklichen. Die Inspiration ist eine Art imaginärer Vision oder Offenbarung, mit der alles, Gehalt und Gestalt, gegeben ist. Sie ist es, die den eigentlichen Künstler macht, und gewiß sind alle großen Kunstwerke bloß unter dem Wirken einer solchen Inspiration zustande gekommen. Wer sieht nun da nicht das Wirken des Heiligen Geistes, dem alles Einsichtige, Scharfsinnige, Kunstbegabte im Menschen zugeschrieben wird? (Weish. 7, 21ff)

Die Herrlichkeiten der göttlichen Kunst

So hat denn der Heilige Geist, der Geist der Schönheit, die Welt erfüllt mit den Herrlichkeiten der göttlichen Kunst. Schon die Schöpfung des Weltalls, das er geordnet hat (Ps. 103), ist die großartigste Kunstausstellung, unerschöpflich an Vorlagen und Mustern des Lebens, Lichtes, der Harmonie und des Farbenzaubers. Der Mensch selbst, der unsterbliche Dichter in dieser Kunstwelt, ist ein Schüler von Geistes Gnaden und selbst ein unsterbliches Gedicht. Die Heiden, so arm und uneins sie in dem Besitz der Wahrheit sind, so reich und einig sind sie im Empfinden und Schaffen des Schönen. Sie sind darin wie in manch anderem die dunkel tastenden Jünger und Anbeter, „des unbekannten Gottes“ (Apg. 17, 23) der Schönheit, der sie trotz ihrer Armut an beseligender Wahrheit und Gutheit zu unübertroffenen Meistern der natürlichen Formschönheit gemacht hat. Ihre ganze Kunstgröße und Herrlichkeit ist ein leuchtender Strahl, der sich aus dem Himmel und aus den glücklichen Himmelsstrichen der göttlichen Offenbarung in die Welt des Unglaubens verlor, und der sie den Weg zum wahren Gott finden sollte (Apg. 17, 27) In dem Alten Bund offenbart sich der Heilige Geist schon weit kräftiger als göttlicher Urheber der schönen Kunst in den begabten Baumeistern des herrlichen Bundeszeltes und der gottesdienstlichen Geräte (2. Mos. 28, 3; 31, 3), in der Anordnung des feierlichen Gottesdienstes, der alle Kunstmacht heran zog und zur Verwendung brachte (1. Chron. Kap. 25), und endlich in den Propheten. Moses, Salomon, David, Isaias, Daniel, Job, welche Dichtergestalten, und ihre Lieder welche Schöpfungen erhabener, zarter, urweltlicher und göttlicher Dichtkunst! Ihre Gesänge und Psalmen sind Weltgebete, ja das Liederbuch des Gottmenschen selbst und der Kirche geworden. Sie sind die großen, preiswürdigen Männer der Vorzeit, die in ihrer Kunstfertigkeit Musikweisen erfanden und kundmachten die Lieder der Schrift und Eifer hatten für das Schöne (Sir. 44, 5f). Das Bild des Gottmenschen, das die Propheten in so großartigen Zügen gezeichnet hatten, wurde verwirklicht in der Menschwerdung durch den heiligen Geist (Luk. 1, 35).

Der Gottmensch ist das höchste Werk des heiligen Geistes,

die Uridee der ganzen Schöpfung, der Abriss und die höchste Entfaltung schöpferischer Schönheit Gottes. Um ein Unendliches erweiterte der Heilige Geist mit dem Gottmenschen die Idealwelt und eröffnete für das menschliche Kunstvermögen einen nie endenden Wettbewerb. Es handelte sich nicht mehr darum, die Natur und das rein Menschliche, sondern das Übernatürliche, Himmlische und Göttliche in Idealgestalt zu fassen und darzustellen. Die göttliche Wahrheit und Gutheit selbst in der gottmenschlichen Person des Erlösers, in dem Liebreiz des liebenswürdigsten Menschenkindes und Menschenfreundes, in dem Ernst des göttlichen Gesetzgebers, in der Majestät des ewigen Gottkönigs und Weltrichters, der im bittersten Leiden und schmachvollsten Tode untergehend sein ewiges Reich aufrichtet, waren die Vorwürfe (=Vorentwürfe) der neuen himmlischen Kunst. Jetzt war wirklich das goldene Zeitalter des Schönen angebrochen und in dem Leben des Gottmenschen und seiner heiligen, jungfräulichen Mutter eine Idealwelt erschlossen, die immer und immer wieder ausgebeutet nie versiegen wird, solange die Welt steht und der menschliche Geist in Wort und Ton, in Farbe und stein dichtet.

Die Kirche ist Künstlerin zur Ehre Gottes

Die Kirche, hierin wie in allem andern das bevorzugte Werkzeug des heiligen Geistes, trat das neue Idealvermächtnis sowie den Kunstschatz des Alten Bundes an und machte sich daran, ihn zu verwerten. Sie war immer Künstlerin zur Ehre Gottes und, einmal zur Weltreligion erhoben, hat sie mit königlichem Geist den christlichen Kunstfleiß geweckt, ermuntert, belohnt. Man übersehe im Geist, was die Kirche von den ersten Linien an, in denen sie, verbannt von der Erdoberfläche und an den Särgen ihrer Kinder wachend, ihren Glauben, ihr Hoffen und ihre Liebe mit Farbe und Grabstichel an die feuchten Wände der Katakomben malte, bis zu den Schöpfungen eines Giotto, Angelico, Raffael, Buonarrotti, Ghiberti, Palestrina, Dante, an Denkmälern und Werken der christlichen Kunst allerwärts auf Erden errichtet und vollbracht hat. Ist das nicht eine ganz großartige Welt von Kunst und Schönheit? Sie ist das Werk des heiligen Geistes, des Gottes der Schönheit, zur Ehre des dreieinigen Gottes, des Welterlösers, seiner heiligen Mutter und der Heiligen, die das Idealbild des Gottmenschen in sich, jeder nach seiner Art widerspiegeln. Wenn die Kirche beim öffentlichen Gottesdienst ihr Opfer, den großen Staatsakt zwischen Gott und der Menschheit, vollzieht und die erhabenen Geheimnisse der Erlösung und die Veranstaltungen Gottes zu unserem Heil in dem Schaustück ihrer tiefen und herrlichen Zeremonien vorführt, dann fehlt keine der sieben heiligen Künste, ihr Kranz ist geschlossen und priesterlich tätig im Dienst des dreieinigen Gottes. Der unsichtbare Urheber, Ordner, Führer des himmlischen Reigens – würdiger Abglanz des ewigen Gottesdienstes im Himmel – ist niemand anders als der heilige Geist. –
aus: Moritz Meschler SJ, Aus dem katholischen Kirchenjahr, Erster Band, 1919, S. 435 – S. 439

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