Kirchenlexikon Karl der Große

Karl der Große wird Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt: der Papst setzt Karl, der vor dem Papst kniet, die Reichskrone aufs Haupt; Geistliche und auch Leute aus dem Volk sind bei der Krönung anwesend

Kirchenlexikon: Karl der Große

Der erste Träger des abendländischen Kaisertums

Regent des fränkischen Reiches

Karl der Große, der erste Träger des abendländischen Kaisertums, wurde am 2. April 742 wahrscheinlich zu Aachen geboren. Allerdings nehmen auch Paris, Ingelheim, Jupil bei Lüttich, Großvargel an der Unstrut, die Reismühle am Würmsee in Bayern die Ehre in Anspruch, daß dort seine Wiege gestanden habe. Karl hatte noch als Knabe (am 28. Juli 754) zugleich mit seinem Vater Pippin und seinem jüngeren Bruder Karlmann im Münster von St. Denis bei Paris durch Stephan II. die Krönung zum Frankenkönig und die Würde eines römischen Patricius erhalten. Er war bereits (wie auch Karlmann) bei Lebzeiten seines Vaters verheiratet mit einer Fränkin Himiltrude, aus welcher Ehe einige Kinder stammten. Bei dem Tode Pippins (24. September 768) trat er zugleich mit seinem Bruder Karlmann die Regierung des fränkischen Reiches an und ließ sich (am 7. Okrober) in Noyon, wie dieser in Soissons, huldigen. (Einhard Annal. M.G. SS. I, 147) Um die mit den Langobarden obschwebenden Wirren auf friedlichem Wege zu lösen, veranlaßte die Königin-Witwe Bertrada ihren Sohn Karl, seine Frau zu entlassen und sich trotz der ernsten Abmahnung des Papstes Stephan III. (IV.) (im Frühjahr 771?) mit Desiderata, auch Irmingard genannt (vgl. Civiltà Catt. 1863,V, 387, nota 2), der Tochter des Langobarden-Königs Desiderius, zu vermählen (Cod. Carol. ep. 47, bei Jaffé, Mon. Carol. 158 sq.). Karl erkannte durch des Papstes wahrscheinlich verspätet eingelaufenes Schreiben die Unrechtmäßigkeit seines Schrittes und wohl auch den in der Vermählung mit der Langobardin liegenden politischen Missgriff, entließ daher die neue Gattin noch im Jahre 771 und heiratete, nachdem inzwischen seine rechtmäßige Gemahlin Himiltrude gestorben war (vgl. Civiltà Catt. 1. c. 405), die Schwäbin Hildegard. (Über die mutmaßlichen Gründe zur Scheidung s. Abel 79; psychologisch richtiger legt sie dar Hergenröther, K.-G. I, 721, Note.) Nachdem Karlmann (am 4. Dezember 771) gestorben und dessen Gemahlin Gerberga (Gilbirga) mit ihren beiden Söhnchen zu Desiderius nach Italien geflohen, welcher seit der Verstoßung seiner Tochter Karls erbitterter Gegner war, wurde dieser, damals 30 Jahre alt, König des ganzen Frankenreiches.

Kriege zum Schutz der christlichen Kultur

Er musste sofort zum Schutz der christlichen Kultur in seinem Reich das Schwert ziehen und durfte es lange Jahre nicht mehr in der Scheide ruhen lassen. Die Geschichte zählt während seiner 46 Jahre dauernden Regierung 53 Feldzüge, unter diesen 18 gegen die Sachsen, 1 gegen die Aquitanier, 5 gegen die Langobarden, 7 gegen die Araber in Spanien, 1 gegen die Thüringer, 4 gegen die Avaren, 4 gegen die Bretonen, 1 gegen die Bayern, 4 gegen die Slawen nördlich der Elbe, 5 gegen die Sarazenen in Italien, 3 gegen die Dänen, 2 gegen die Griechen (Weiß, Weltgeschichte II, 549). Das Gesamtresultat dieser Kriege war, daß er die Feinde des Frankenreiches in ihre Grenzen zurück wies, der Wirksamkeit der Kirche und der christlichen Kultur neue weite Bahnen eröffnete, alle deutschen Stämme auf dem Kontinent einigte, ihnen die Güter des Christentums sicherte und dem geeinigten deutschen Volk eine große Zukunft öffnete. Alle kreise des Lebens, der Wissenschaft und der Kunst, die Gebiete des Staates und der Kirche umfaßte er mit seiner gewaltigen, unermüdlichen Tätigkeit. Männer wie Karl zwischen zwei Zeiträumen, den einen abschließend, den andern eröffnend, indem sie die Errungenschaften des einen zusammen fassen und für den andern eine neue Entwicklung einleiten und fördern.

Der Krieg mit den Sachsen

Für die deutschen Verhältnisse waren am folgenreichsten die Kriege gegen die Sachsen, welche sich von 772-804 hinzogen. Es war nicht ein Streit um Grenzen und Land, sondern ein Kampf um Prinzipien. Die Sachsen waren Heiden, durchglüht von odinischem Fanatismus; jedes Jahr kamen sie an den Rhein, verbrannten die Kirchen und Klöster, erschlugen die Priester und opferten die Kriegsgefangenen ihren Götzen. Die Franken aber waren jetzt Christen und zwar eifrige, überzeugungstreue Christen. Von ihrer Seite war der Sachsenkrieg ein Kampf aufgezwungener Notwehr zum Schutz der christlichen Kultur. Ferner war unter den Franken das monarchische Prinzip zur Herrschaft gekommen, die Sachsen aber lebten in ihren Marschen noch nach altrepublikanischer Weise, die Stämme unabhängig von einander. Eben weil deren politische Verbindung eine so lose war und nur im Krieg zeitweilig eine Einigung unter frei gewählten Führern stattfand, zog sich der Kampf gegen dieselben so in die Länge. War ein Stamm unterworfen, so führte ein anderer bei gegebener Gelegenheit den Krieg fort, und die Klagen der Franken über Treulosigkeit der Gegner waren wohl berechtigt. Dadurch erklärt sich auch die immer steigende Erbitterung des Kampfes. Das Sachsenvolk selbst war trotz seiner reichen Anlagen seit Jahrhunderten auf derselben Stufe der Barbarei stehen geblieben. Ohne fremde Anregung, namentlich ohne den Bruch mit seinen alten Zuständen und ohne Aufgeben seines heidnischen Glaubens, war ein Aufschwung zu Höherem nicht denkbar. Erst nachdem der Same des Christentums auf dieses neue Ackerfeld geworfen war, entfalteten sich unter dessen Einfluß die geistigen Anlagen des Volkes, und es trat vollberechtigt in die Reihe der Kulturvölker ein. (Vgl. Pfahler, Deutsche Altertümer 404ff; Weiß II, 549ff) Den entscheidenden Wendepunkt bot die Taufe ihrer bedeutendsten Führer Widukind und Alboin Ende 785 auf der Pfalz zu Attigny (Annal. Lauriss. M.G. SS. I, 168). Von jetzt an erschienen auch die Sachsen auf den fränkischen Reichstagen vertreten, mit allen Rechten eines freien Volkes. Nur mussten sie die im ganzen Frankenreich eingeführten Zehnten für kirchliche Zwecke entrichten. Die Gesetze gegen Fortsetzung heidnischer Gebräuche waren streng, aber freiwillige Buße vor dem Priester erwirkte leicht Nachsicht und Schonung (Capit. De partibus Saxoniae, M-G. Legg. I, 48 sqq.). Übrigens wurden noch 804 viele Sachsen in fränkischem und Franken in sächsischem Gebiet angesiedelt, um durch diese Mischung der Bevölkerung leichter den starren Sinn der Sachsen zu brechen. Als Missionare unter den Sachsen war eine Reihe von hervorragenden Geistlichen tätig. Abt Sturm von Fulda begleitete den König auf seinen meisten Feldzügen, Willehad aus Nordhumbiren war 772 in Friesland, 779 an den Ufern der Weser tätig; bei dem Aufstand von 782 musste er weichen und konnte erst 785 zurückkehren. Er wurde Bischof von Bremen und starb daselbst 789. Ludger 804 zu Münster, Hathumar, ein in Würzburg gebildeter Sachse, 806 in Paderborn, Wicho um 783 in Osnabrück, Heribert 803 in Minden, Pacificus (Patto) 785 in Verden der erste Bischof. Im Wesentlichen war zwischen 780 und 814 die kirchliche Einteilung des Sachsenlandes vollendet. Allenthalben erhoben sich unter freigebiger Unterstützung von Seite Karls und seiner Großen Kirchen und Klöster.

Krieg mit den Langobarden

Hatte der Kampf gegen die Sachsen die Ausbreitung der Kirche zum Zweck gehabt, so galt der gegen die Langobarden der Freiheit der Kirche. Das gewaltsame Drängen des Königs Desiderius, daß Papst Hadrian I. die Söhne Karlmanns zu Königen über das Frankenreich salbe, um dadurch einen Zwiespalt in das jetzt geeinigte Reich zu bringen, und des Königs wiederholte Angriffe auf den Kirchenstaat, selbst auf Rom, veranlaßten Karl (Herbst 773) zum Zuge nach Oberitalien. Als die Belagerung des in Pavia eingeschlossenen Desiderius sich in die Länge zog, machte Karl in der Osterzeit eine Pilgerfahrt nach Rom, wo er am Karsamstag (2. April 774) eintraf und mit den Ehren, wie man sie früher dem Exarchen und Patricius (älterer Ordnung) erwiesen hatte, empfangen wurde (Liber pontif., Vita Hadriani, ed. Mogunt. 1602,155). Mit der Kapitulation von Pavia (Sommer 774) und der Verweisung Desiderius` in das Kloster Lüttich, später nach Corbie, wo er als Mönch starb, hatte das Langobardenreich ein Ende, und Karl nannte sich zum ersten Mal in einer Urkunde vom 6. Juni 774 Rex Francorum et Langobardorum. (Böhmer, Regesta Carol. 8) Seine folgenden Züge (776,780,784 etc.) hatten den Zweck, Empörungen zu dämpfen und Benevent zu unterwerfen. Zur Sicherung des Erworbenen wurden die großen Herzogtümer in kleine Grafschaften geteilt und fränkische Besatzungen in die wichtigsten Städte gelegt.

Züge gegen die Araber, Bayern und Avaren

Die Züge gegen die Araber in Spanien (778 und 797) hatten den Zweck, die Christen der Halbinsel den erbetenen Schutz zu gewähren und eine Grenzmark zwischen dem christlichen Frankenreich und dem moslemischen Spanien zu errichten. – Die Expedition gegen Bayern (787) war veranlaßt durch die schwankende und unzuverlässige Haltung des Herzogs Tassilo. Dieser schloß sein Leben in dem Kloster Jumiéges; auch das letzte deutsche Herzogtum wurde in Grafschaften zerlegt – unter den damaligen Verhältnissen ein Glück für die deutsche Sache. Denn Bayern in der Unabhängigkeit vom Reich, wie Tassilo dieselbe wollte, würde den Slawen zur Beute gefallen sein; das Reich ohne Bayern hätte sich nicht Donau abwärts ausbreiten können. Denn veranlaßt durch einen Einfall der Avaren in Bayern, rüstete Karl 791 zum Krieg gegen dieses Räubervolk, welches seit Jahrhunderten der Schrecken seiner zivilisierten Nachbarn gewesen war; im Jahre 803 war dieser Krieg, aber auch die Existenz des avarischen Volkes geendet; seine Reste verschwanden unter den Slawen und eingewanderten Franken.

Karl als Schutzherr der Kirche

Auf einem Zuge nach Rom (Spätherbst 799) genügte Karl seiner Pflicht als Patricius, als Schutzherr der Kirche. Papst Leo III. war bei der Markus-Prozession am 25. April 799 von einer ihm feindlichen Adelspartei unter Paschalis und Campulus, zwei Neffen des vorigen Papstes Hadrian, brutal mißhandelt worden (Einhard, Annal. Ad ann. 799, M.G. SS I, 187) Der Papst floh aus Rom nach Paderborn zu Karl und um Hilfe. Karl empfing ihn feierlich und ehrerbietig und ließ ihn im Spätherbst dieses Jahres durch die Erzbischöfe von Köln und Salzburg, die Bischöfe von Worms, Freising, Amiens u. a. Nebst einigen Herzögen und Grafen nach Rom zurück geleiten. Dort hielten Karls Sendboten vorläufig Untersuchung über die Empörer. Er selbst kam im November 800 nach Rom und präsidierte am 1. Dezember einem in der St. Peterskirche abgehaltenen Gericht. Bezüglich der wider den Papst erhobenen Gegenklagen, deren Nichtigkeit evident war, erklärten die fränkischen Bischöfe, es stehe ihnen nicht zu, über den apostolischen Stuhl ein Urteil auszusprechen. Dieser richte über Alle, habe aber keinen höheren irdischen Richter über sich, worauf der Papst am folgenden Tage unter der Betonung : a nemine judicatus et coactus, einen Reinigungseid leistete (Lib. Pontif., Vita Leonis III. 1. c. 183). Dieses Auftreten als Patricius fand seine dankbare Anerkennung von Seite des Papstes durch die Krönung Karls zum römischen Kaiser. – Ein Zug gegen Venedig (805) hatte als Resultat die definitive Abwendung der Republik von Byzanz und deren Hinneigung zum Frankenreich. –

Die Anerkennung seiner Oberhoheit

Ein in demselben Jahr unternommener Zug gegen die Böhmen diente zum Schutz der unterworfenen Avaren; gleichzeitig wurden zahlreiche andere kleinere Slawenstämme dienstbar gemacht. – Durch einen Zug gegen die Dänen (809) wurde die Nordgrenze gesichert. Karl gebot nun als König von der Weichsel bis zum atlantischen Meer, von der Adria bis zur Nordsee, von der Schlei bis zum Ebro, über ein Reich, in welchem deutsch, französisch, italienisch, mongolisch, slawisch, griechisch, arabisch und baskisch gesprochen wurde. Aber sein Einfluß ging weiter. Egbert von Wessex hatte (787-800) als Flüchtling am Hofe Karls gelebt. Nach seiner Heimkehr vereinigte er, von Karls Einfluß unterstützt, aber wohl auch unter Anerkennung seiner Oberhoheit, in kurzer Zeit die sieben angelsächsischen Reiche unter seinem Zepter und gründete das einheitliche Anglia (Weiß II, 642). Die Könige der schottischen Inseln bezeichneten Karl als ihren Herrn, sich als seine Diener und Untertanen. Spanische Emire, Zeid und Abdallah, erschienen 797 bei Karl in Aachen und erklärten ihm ihre Unterwerfung. Der Gotenkönig Alfons, welcher sich in Asturien und Gallizien gegen die Araber erhoben hatte, sandte ihm (798) nach erfochtenem Sieg prachtvolle Beutestücke und nannte sich seinen Untergebenen. Der Kalif Harun al Raschid sandte (Juni 801) einen Gesandten mit Ehrengeschenken nach Vercelli und bewilligte ihm die Schutzherrlichkeit über das heilige Grab (Einhard, Vita, cap. 16). Der Patriarch Georg von Jerusalem überschickte ihm (Ende 800) durch zwei Mönche die Schlüssel vom heiligen Grab, von Jerusalem und von dem Berg Sion nebst einer Fahne und unterstellte dadurch die Stadt und die heiligen Stätten von Jerusalem symbolisch der Oberhoheit und dem Schutz des Kaisers. Im Jahr 803 erschienen wiederholt Gesandte des Patriarchen am Hoflager Karls. Die Bevölkerung der Balearen unterwarf sich 799 seiner Herrschaft, um durch ihn Schutz gegen die maurischen Seeräuber zu erhalten. Der byzantinische Statthalter von Sizilien, Michael, schickte (799) einen Gesandten nach Paderborn, wie es scheint, mit dem Anerbieten ganz Italien samt Sizilien und Sardinien Karls Oberherrlichkeit zu unterwerfen.

Seine Leistungen

Politische Einheit

Die Einheit in dem gewaltigen Reich Karls war gewahrt durch die Person des Kaisers, welchem Alle die Huldigung geleistet hatten, und von welchem die Grafen der einzelnen Gaue abhängig waren. Ein anderes Mittel zur Vereinigung waren die Reichstage, deren unter seiner Regierung nicht weniger als 65 gehalten wurden. Sie waren von den geistlichen und weltlichen Großen und zahlreichen Gemeinfreien beschickt (Hincmar, De ordine palatii, ap. Walther, Corp. Jur. German. III, 761-772); durch deren Zusammenwirken wurden die das ganze Reich verbindenden Gesetze (Capitularia) beschlossen und diese dann durch eigene Boten in den einzelnen Provinzen proklamiert. Neben diesen bestanden die alten Volksrechte fort, von welchen Karl die Lex Saxonum, Angliorum et Werinorum (Thüringer), Frisionum aufzeichnen, die übrigen bereits aufgezeichneten (Lex Salica, Ripuariorum, Bajoariorum, Alamannorum) 802 revidieren ließ. Von dem Urteil, welches unter Vorsitz des Grafen mit den sieben Scabini oder Rachimburgii auf dem regelmäßig dreimal zu haltenden Gericht (placitum generale, legitimum) oder auf dem für einen bestimmten Fall beantragten Botding gefällt worden war, konnte an den Pfalzgrafen (Palatinus, daher Curia Palatina, Hofgericht), an den Erzkaplan (Apocrisiarius) und endlich an den Kaiser selbst appelliert werden. Um etwaigen Missbrauch der Amtsgewalt zu verhüten, wurde jeder Gau (Missaticum) wenigstens einmal im Jahr von zwei Sendgrafen (Missi dominici), einem höhern Geistlichen und einem Weltlichen, bereist und bezüglich der Rechtspflege, der Herrbann-Pflicht etc. visitiert.

Verdienste gegenüber der Kirche

Rücksichtlich der Kleriker wünschte Karl, daß dieselben zur Sicherung ihrer sittlichen Haltung Mönche oder Kanoniker nach der Regel Chrodegangs seien (Cap. Von 789, n. 71, M.G. Legg. I, 65). für die Real- und Personalexistenz der Kirche war durch den mit Strenge einzutreibenden Zehnten gesorgt (Cap. Langob. 803, n. 19, 1. c. 111). Der Bischof hatte seine Diözese und selbst die Klöster zu visitieren; dagegen hatte er vor dem geistlichen Sendboten Rechenschaft abzulegen. Die Geistlichen erfreuten sich des Privilegium fori (Cap. Von 803, n. 12, M.G. Legg. I, 110) und konnten nur mit Zustimmung des Bischofs vor den weltlichen Richter gefordert werden (Weiß II, 566ff). Karl suchte den Kirchengesang zu heben, ließ Sänger aus Rom kommen und gründete Sängerschulen in Soissons, Metz und St. Gallen.

Kaiser Karl empfängt Gesandte und Kaufleute und Händler aus dem Orient; Karl der Große sitzt auf seinem Thron, mit Zepter und Reichsapfel, vor ihm rechts und links sieht man orientalisch gekleidete Menschen

Handel und Wirtschaft

Mit welch universellem Blick er Alles umfaßte, zeigt sein Capitulare de villis (M.G. Legg. I, 181) und die Beneficiorum fiscorumque regalium describendorum formulae (1. c. 176), durch welche die königlichen Domänen zu Musterwirtschaften gemacht und eine rationelle Landwirtschaft angebahnt werden sollte (vgl. Pfahler, Deutsche Altertümer 592ff. 738ff.) Den Handel von der Elbe bis zur avarischen Grenze regelte das Capitulare von 805 (M.G. Legg. I, 133). Der Handelsverkehr hob sich mächtig. Durch die avarische Beute war viel Edelmetall in Umlauf gekommen. Auf der Messe in St. Denys erschienen griechische und sarazenische Kaufleute; fränkische hatten ihre Comptoire in Syrien, um hier die Produkte Indiens in Empfang zu nehmen. –

Pflege der Wissenschaft

Großartiges leistete Karl für die Pflege der Wissenschaft. Infolge einer mißverstandenen Stelle bei Einhard (Vita v. 25) glaubte man, Karl habe nicht schreiben können. In Wirklichkeit bezieht sich die Stelle auf das im Mittelalter beliebte kalligraphische Zeichnen und Malen von Initialen. Er sprach fertig Latein, verstand Griechisch und selbst etwas Hebräisch. Vor allem aber liebte er die deutsche Muttersprache, ließ alte Sagen und Lieder sammeln, deren Aufzeichnungen leider wieder verloren gingen, arbeitete an einer deutschen Grammatik und setzte die deutschen Benennungen für die Monate und die zwölf Windrichtungen fest (Einh., Vita, c. 29). Schon auf seiner ersten italienischen Reise (780 – 781) traf Karl mit Alcuin zusammen, lud ihn an seinen Hof ein und brachte Paulus Diaconus, den Grammatiker Peter von Pisa, vielleicht auch den Poeten Theodulf, einen Goten (später Erzbischof von Orleans), mit ins Frankenreich. Zu dem gelehrten Kreis, dessen Mittelpunkt Alcuin war, gehörten in der Folge noch Leibrad aus Noricum, später Erzbischof von Lyon, Smaragdus, Abt von St. Michiel, Paulinus, später Erzbischof von Aquileja, Angilbert, Abt von St. Riquier, Adalhard, Abt von Corvey, Einhard, sein Biograph, Reichs-Historiograph und Architelt, Riculf, später Erzbischof von Mainz, Ricbod, Abt von Lorsch, später Erzbischof von Trier. Selbst Karls Söhne und Töchter und seine Schwester Gisela nahmen an dem gelehrten Verkehr der Hofschule Anteil. Alle Teilnehmer an der selben führten des ungezwungenen Verkehrs wegen eigne Namen, welche aus dem Alte Bund, der griechischen und römischen Geschichte und aus dem christlichen Altertum genommen waren, wie eben Karl selbst in seiner Person die harmonische Vereinigung der klassischen Kultur mit christlich-germanischem Geist repräsentiert. Aus dieser Hofschule und aus der später von Alcuin in Tours geleiteten Klosterschule gingen zahlreiche tüchtige Staatsmänner und Kirchenfürsten hervor, deren Bischofssitze wieder Mittelpunkte für gelehrte Strebungen wurden. Vor Karl gab es im Reich da und dort eine Schule, da und dort einen tüchtigen Mann; bei seinem Tod war ein Netz von Schulen über das Reich hin verbreitet, und es gab eine Reihe von tüchtigen, gelehrten und frommen Männern. Als Vorbild für die Prediger ließ er durch Paulus Diaconus eine Homilien-Sammlung für alle Feste des Jahres veranstalten (M.G. Legg. I, 45). Auch Alcuin hatte eine solche verfaßt. Selbst für Textkritik hatte Karl Vorschriften gegeben (Cap. Eccles. 789, M.G. Legg. I, 65, und die Vorschrift von 805: De scribis, ut vitiose non scribant, 1. c. 131), und für die Herstellung reiner Bibeltexte, welche durch die Unwissenheit der Abschreiber oft korrumpiert waren, bediente er sich namentlich der Hand Alcuins.

Karl`s Familienleben

Einige Missverständnisse

Eine für den oberflächlichen Beobachter anstößige Partie im Leben Karls ist sein Familienleben; Einhard nämlich (Vita c. 18) führt mehrere seiner Frauen als concubinae auf. Nach den oben erwähnten Frauen, der fränkischen Himiltrude, welche von Einhard als concubina bezeichnet ist (vgl. Annal. Lauriss., M.G. SS. I, 119 Paul. Diac. De Epp. Mettens. 1. c. II, 265), und der pflichtmäßig wieder entlassenen Langobardin Disiderata, nahm er in matrimonium die edle Schwäbin Hildegard, dann die Ostfränkin Fastrada, die Sächsin Liutgard; hierauf als concubinae Madelgarda (deren Name mit dem ihrer Tochter Ruothilde übrigens in einem Trierer Codex fehlt), die Sächsin Gersuinda, Regina und Adelinde. Diese Darstellung gibt vielen Autoren, welche sonst die Verdienste Karls vollkommen würdigen, Veranlassung, mehrere seiner Kinder als uneheliche zu bezeichnen. Nun wird aber in Beziehung auf die von Einhard als concubina bezeichnete Himiltrude in einem Schreiben des Papstes Stephan III. an Karl (und seinen ebenfalls bereits verheirateten Bruder Karlmann) gesagt: Jam Dei voluntate et consilio conjugio legitimo ex praeceptione genitoris vestri copulati estis (Mon. Carol., Jaffé IV, 159). Bezüglich der an letzter Stelle genannten Frauen ist zu betonen, daß sich Karl nicht simultan, sondern sukzessiv mit ihnen verbunden hatte, wie aus dem Alter der von ihnen geborenen Kinder, so mager auch die bezüglichen Angaben der Quellen sind, geschlossen werden darf (vgl. AA. SS: Boll. Jan. II, 884). Bestimmter noch darf dies daraus entnommen werden, daß Karl gewiß nicht erst in vorgeschrittenem Alter (bei dem Tode seiner Gemahlin Luitgard am 4. Juni 800 zählte er bereits 58 Jahre) in unerlaubten simultanen Verbindungen gelebt, er, von dem berichtet wird, daß er immer auf dem bloßen Leib ein Cilicium getragen habe (Ademari Chron., M. G. SS. IV, 118). Aus der erwähnten Bezeichnung der Himiltrude durch Einhard als concubina, durch den Papst als conjux legitima, aus dem innigen Verhältnis Karls zu allen gleichzeitigen Päpsten und zu so vielen eifrigen Bischöfen, Äbten und Priestern, aus Karls Eifer und Ernst für Sittlichkeit in jeder Form, daraus endlich, daß kein einziger gleichzeitiger Autor ein Wort des Tadels für sein eheliches Leben gehabt, geht hervor, daß der Ausdruck concubina überhaupt nicht in dem modernen Sinn gefaßt werden darf.

Der Begriff „concubina“

Derselbe ist vielmehr zu nehmen im Sinn des altrömischen Rechtes, welches Unterschied zwischen conjugium inaequale, der Verbindung mit einer Frau von geringerem Stand, geschlossen ohne gesetzliche Feierlichkeit, ohne Erbrecht der Kinder, und conjugium aequale, welches mit allen gesetzlichen Formen und Bedingungen geschlossen wurde. Beide Formen der Ehe waren erlaubt und rechtmäßig; die Kirche adoptierte (bis zum Tridentinum) sie beide, und die erstere wurde von Gratian ins Kirchenrecht aufgenommen (Dist. XXXIV, c. 4. Corp. Jur., ed. Halae-Magdeb. 1747, col. 100. 101): quae (concubinae) sine dotalium tabularum (Ehekontrakt) solemnitate ductae fuerunt… In quibus tria erant necessaria:… Diese Art der Ehe, der concubinatus perpetuus, entspricht also, abgesehen von der durch das Tridentinum vorgeschriebenen Form der Eheschließung, genau der jetzt gebräuchlichen morganatischen Ehe oder Ehe zur linken Hand. Derartige Ehen waren zweifellos jene Ehen Karls mit den Frauen, welche Einhard als concubinae bezeichnet (vgl. Katholik 18671, II. 92ff; Civiltà catt. 1863, V, 401 sqq.). Selbst daß Karl mit Zustimmung der Bischöfe Konkubinen, d. h. wahre, aber nicht ebenbürtige Gemahlinnen, entlassen habe, was Damberger III, 67 als glaublich bezeichnet, und wodurch sich die Vielzahl der Ehen leichter erklären würde, ist nicht anzunehmen. Der Verbot der connubia injusta (Cap. Von 789, n. 67, M.G. Legg. I, 64) und die Worte nec vir aliam (uxorum) accipiat vivente uxore priore (1. c. n. 43, p.61), welche das von Karl selbst als verbindlich anerkannte Kirchenrecht braucht, lauten zu bestimmt. Ein Unterschied in der Unauflöslichkeit der Ehe mit einer ebenbürtigen und einer unebenbürtigen Frau wurde sicher nicht gemacht; hierin stand die kirchliche Praxis in jener Zeit auch bei den germanischen Völkern bereits fest. Der schnelle Abschluss einer neuen Ehe nach dem Tode einer Frau erklärt sich vollständig durch die Notwendigkeit, bei seiner häufigen Abwesenheit im Kriegslager eine einsichtsvolle und gewissenhafte Leitung für seine zahlreiche Familie zu haben; die Wahl der Frauen endlich deutet auf politische Erwägungen hin, indem er seine späteren Frauen aus den Völkern wählte, mit welchen er kurz zuvor Krieg geführt hatte: Langobarden, Alemannen, Ostfranken, also Thüringern, Sachsen; sie sollten zur Befestigung des Friedens behilflich sein.

Testamentarische Verfügung und Tod

Noch bei Lebzeiten ordnete Karl (806) an, wie das Reich unter seine drei aus ebenbürtiger Ehe entsprossenen, also erbfähigen Söhne Karl, Pippin, Ludwig geteilt, aber dabei doch die prinzipielle Einheit des Reiches festgehalten werden solle (Cap. De divisione imperii, M.G. Legg. I, 140; Einhard, Annal. Ad ann. 806, M.G. SS. I, 193). Die Teilung kam nicht zur Ausführung, weil Pippin und Karl vor ihm (810 und 811) starben. Im Jahre 811 traf Karl testamentarische Verfügung über sein Vermögen (Einhard, Vita 33) und veranlaßte (September 813), daß die in Aachen zum Reichstag versammelten Großen seinem jetzt einzigen erbfähigen Sohn Ludwig als König des ganzen Reiches huldigten. Am folgenden Tag fand dessen Krönung in der Leibfrauenkirche daselbst statt. Am Sonntag den 22. Januar 814 zwang starkes Fieber den Kaiser, in Aachen das Bett zu hüten. Am fünften Tag seiner Krankheit empfing er aus der Hand des Erzbischofs Hildebald von Köln die heiligen Sakramente. Am Sonntag den 28. Januar schloß er, nicht ganz 72 Jahre alt, sein Leben. Die letzte Handbewegung war das Kreuzzeichen, mit welchem er sich bezeichnete; das letzte Wort: Pater, in manus tuas commendo spiritum meum (Einhard, Vita, c. 30; Theganus, Vita Hludowici, M.G. SS. II, 592). Noch an demselben Tage wurde er in der von ihm erbauten Liebfrauenkirche zu Aachen beigesetzt, in vollem Kaiserornat auf vergoldetem Thron sitzend, das Evangelienbuch auf dem Schoß, aber unter dem Prachtgewand das Bußkleid, welches er zu tragen pflegte (Ademari Chron.., M. G. SS. IV, 118). So fand die Leiche Kaiser Otto III., als er im Jahre 1000 das Grab öffnen ließ (Thietmar, Chron. SS. III, 781).

Falsche Kanonisation

Als Friedrich Barbarossa am 29. Dezember 1165 durch Erzbischof Rainald von Köln und Bischof Alexander von Lüttich Karls Gebeine erheben ließ, waren sie in einem Marmor-Sarkophag beigesetzt (Sigeb., Auct. Aquic. SS. VI, 411).
Bei dieser Gelegenheit ließ Friedrich eine von dem Gegenpapst Paschalis ausgestellte Kanonisations-Bulle verlesen, und als Gedenktag wurde der 28. Januar bestimmt, welcher auch in mehreren Martyrologien sich findet (Boll. Jan. II, 874. 888). Der damals noch im Schisma befangene Kaiser wollte das Volk glauben machen, er wandle denselben Weg, wie der um die Kirche so hoch verdiente Gründer des römisch-deutschen Kaisertums. Diese Kanonisation wurde von der allgemeinen Kirche nicht anerkannt; nur für Aachen wurde seine Verehrung als Beatus zugestanden (Officium, richtiger Missa de S. Carolo bei Canis., Lect. Antiq., ed Ingolst. 1604, VI, 438; Walch, Hist. Canon. Caroli Magni, Jenae 1750; AA. SS: Boll. 28. Januar II, 874 sqq.)

Abschließende Würdigung

Der erste römische Kaiser deutscher Nation war ein Mann des Gedankens und der Tat, ein gelehrter und ein Kriegsmann, besonnen und kühn, der Schrecken der Feinde und der Schutzherr der Schwachen, ein großer Staatsmann und ein edler Mensch, und vor allem ein frommer, gläubiger Christ. Darin beruht seine Größe, daß er die Bedeutung der Kirche erfaßte, derselben für ihre zivilisatorischen Aufgaben sein Arm lieh, dafür aber auch für seine Aufgabe ihre mächtige Unterstützung empfing – das Ideal der Einigkeit zwischen Imperium und Sacerdotium, wie es wenige der nachfolgenden Kaiser erstrebten und erzielten. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 7, 1891, Sp. 160 – Sp. 170

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