Die Kirche ist gegen die Leichenverbrennung
Mit Recht hält die Kirche unter Ablehnung der schwer sündhaften und „barbarischen“ Leichenverbrennung (s. Off. d.d. 19.6.1926) an der Sitte der Beerdigung fest. Einmal handelt es sich dabei um die ursprüngliche und uralte christliche Sitte. Sodann sind es symbolische-mystische Gründe, die für diese Haltung der Kirche maßgebend sind. In Betracht kommt hier das ehrwürdige Wort vom „Zurückkehren zur Erde“, von der wir genommen sind (Gen. 3,19); Sir. 40,1). Höchst wirksam sodann wird christliches Fühlen und Denken beeinflußt durch die Erinnerung an das Begräbnis des Herrn selbst, Christus selbst hat die Sitte der Beerdigung geweiht und sie so seinen Anhängern lieb und wert gemacht, daher auch jener Haß der Kirchenfeinde. Überdies ist es christlichem Empfinden zuwider, zu wissen, oder gar dazu beizutragen, daß der Leib, das Geschöpf aus Gottes Hand und der frühere Tempel des Heiligen Geistes gewaltsam und „barbarisch“ vernichtet werde. Vielmehr ist es christlichem Empfinden und Glauben entsprechend, daß der Leib als Same eines neuen und verklärten Leibes der Erde anvertraut wird, um der Auferweckung am jüngsten Tag zu harren (1. Kor. 15,36ff.); der Christ will beerdigt sein propter fidem resurrectionis astruendam (Augustinus, De civ. Dei 1,13), noch sein Grab soll den Glauben bekennen und wecken, daß der Tag der Auferstehung kommen wird. Im strengen Sinn „demonstrieren“ kann man allerdings weder vom natürlichen noch vom christlichen Standpunkt aus die alleinige Berechtigung der Beerdigung, wer aber den angeführten mystisch-symbolischen Gründen den für ein christliches Gemüt überzeugenden Charakter abstreitet, zeigt, daß ihm das christliche Empfinden abhanden gekommen ist. Wären indessen diese gewichtigen Gründe auch nicht vorhanden, so müsste doch das tendenziöse, immer gehässiger und rücksichtsloser werdende Eintreten der Kirchenfeinde für die zu verabscheuende Sitte der Feuerbestattung und für die Entchristlichung des öffentlichen Lebens allein schon die Kirche und die Katholiken bestimmen, desto entschiedener der alten christlichen Sitte treu zu bleiben. –
aus: Otto Schilling, Lehrbuch der Moraltheologie II. Band Spezielle Moraltheologie, 1928, S. 393 – S. 394