Die Verlobung der allerseligsten Jungfrau Maria
Ursachen der Verlobung Mariä
Die kirchliche Feier der Verbindung Mariä mit dem hl. Joseph wurde von dem berühmten Kanzler Johann Gerson angeregt und von dem Franziskaner-Orden unter Papst Paul III. begonnen; Papst Benedikt XIII. verordnete sie 1725 für die ganze Christenheit…
Es wird dich interessieren, eine aufklärende Beantwortung der Frage zu erhalten: „Warum wollte die Weisheit Gottes, daß Maria, die wahre und wirkliche Braut des heiligen Geistes, sich mit Joseph, dem schlichten Zimmermann aus Nazareth vermähle? Wäre es nicht angemessener und für die auserwählte Himmelskönigin würdiger gewesen, wenn sie schon damals von ihren Zeitgenossen als die gnadenvolle Jungfrau erkannt und nicht bloß für eine gewöhnliche verheiratete Frau angesehen worden wäre?“
Die heiligen Kirchenlehrer bewundern die tiefe Weisheit dieses göttlichen Ratschlusses aus folgenden fünf Gründen:
1) Gott wollte durch diese in der tiefsten Frömmigkeit geschlossene makellose Ehe schon an der Schwelle des Neuen Bundes die geistige Hebung und Heiligung des Ehestandes als die Unterlage der Erlösung vorbereiten. Denn während der viertausend Jahre vor der Ankunft des Erlösers hatte die Ehe bei den Juden und noch viel mehr bei den Heiden gar sehr ihre ursprüngliche Würde verloren; ihre wahre und geistige Bedeutung wurde nicht mehr erkannt und ihre sinnliche und äußerliche Seite für die Hauptsache angesehen. Da nun Jesus in die Welt kam, um alle Verhältnisse des Menschen vom Fluch der Sünde zu reinigen und zu heiligen, so wollte Er zunächst die Ehe aus dem Abgrund der Entartung erheben und in ihre ursprüngliche Würde und Heiligkeit wieder einsetzen. Alle Weltweisen, Staatskünstler und großsprecherischen Volksbeglücker waren niemals im Stande, nur den Gedanken zu ersinnen, geschweige denn in einem tatsächlichen Vorbild zu zeigen, daß nicht sinnliches Gelüste und fleischliche Zuneigung, sondern die geistige, in Gott geeinte Liebe das Wesen der Ehe ist, wie solches die keusche Ehe Mariä und Joseph`s in vollendeter Wirklichkeit darstellt.
2) Jesus, der göttliche Erlöser, wollte uns in allen Verhältnissen und Beziehungen, die Sünde allein ausgenommen, gleichförmig werden. In Folge dessen wollte Er als schwaches Kind geboren werden, und wie andere Menschenkinder der hilfreichen Unterstützung eines sorgsamen Pflegevaters bedürftig erscheinen.
3) Es war in Anbetracht der bestehenden Gesetz und für den guten Ruf Mariä notwendig, daß das große Geheimnis ihrer jungfräulichen Geburt unter dem Schatten der ehelichen Verbindung verborgen wurde. Denn die Pharisäer und Schriftgelehrten würden gewiß die allerseligste Jungfrau mit der öffentlichen Beschämung nicht verschont, ja ihre Steinigung, als die gesetzliche Strafe eines gefallenen Weibes verlangt haben, wenn sie bei der Geburt ihres göttlichen Kindes nicht als eine rechtmäßig Vermählte anerkannt gewesen wäre.
4) Dem Satan, dem Fürsten dieser Welt, sollte das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes verborgen bleiben, indem er wegen der rechtmäßigen Vermählung in Maria nur eine wirkliche Ehefrau und deshalb in ihrem Sohn nur einen Menschensohn und nicht den „verheißenen Sohn der Jungfrau“ zu erkennen vermochte.
5) Es war der Güte Gottes ganz entsprechend, dafür zu sorgen, daß Maria in den vielen Trübsalen des Lebens und vorzüglich auf der Flucht nach Ägypten einen Tröster und treuen Beschützer, und wider die Bosheit der Menschen einen Verteidiger zur Seite habe.
Aus der Betrachtung dieser fünf Gründe ziehe für dich die nützliche Lehre:
Nein, Nichts geschieht von Ungefähr,
Von Gottes Hand kommt Alles her;
Und was Er will, und was Er tut,
Ist mir zum Heil und ewig gut.
aus: Otto Bitschnau O.S.B., Das Leben der Heiligen Gottes, 1880, S. 54/56