Gemeinden ohne katholische Seelsorger
Siebter Teil
Besser fromme Hausandacht als sakrilegischer Gottesdienst
VI. „Erbaut Euch lieber gegenseitig, Ihr christlichen Hausväter, Hausmütter und Hausgenossen, durch gemeinsames Gebet und heilige Lieder und Gesänge, ehe Ihr Euch an sakrilegischen Gottesdiensten beteiligt.“ (Bischof v. Paderborn.)
„In den innern Gemeinden wird, falls kein römisch-katholischer Priester daselbst wohnen darf, das Volk zu den gewohnten Gottesdienststunden die provisorischen Lokale besuchen und daselbst Gebets-Versammlungen halten. Die Vorstände der katholischen Vereine leiten dieselben.“ (Schweizer Kirchenverordnung.)
Wenn in einer Gemeinde kein öffentlicher (römisch-katholischer) Gottesdienst mehr gehalten wird, dann muss um so mehr die Hausandacht gepflegt werden, also gemeinschaftliches Morgen- und Abendgebet, Lesungen aus der Handpostille, dem Leben der Heiligen, Rosenkranz u.s.w. Täglich werde Glaube, Hoffnung und Liebe nebst Reue und Leid gebetet.
An die Stelle des sonst vom Priester gehaltenen öffentlichen Gottesdienstes tritt Laien-Gottesdienst. An Sonn- und Feiertagen versammeln sich diejenigen, welche nicht auswärts dem kirchlichen Gottesdienste bewohnen können, in ihrer Kirche oder, wenn die Benutzung der Kirche unmöglich ist, an einem andern geeigneten Orte. Einer von den Männern (vgl. 1 Kor. 14,34) wird die Versammlung leiten. Man wechselt ab mit Gesang, Gebet und geistlicher Lesung. Des Morgens kann im Anschluß an alle heiligen Messen, welche zur selben Stunde an andern Orten gefeiert werden, die vollständige Messandacht gehalten werden. Nach dem Glaubensbekenntnisse – schön wäre es, wenn die ganze Gemeinde dasselbe laut betete – wird vom Vorsteher der Versammlung die Epistel und das Evangelium des Tages vorgelesen, wozu eine Erklärung aus der Hauspostille oder aus einem approbierten Predigtwerke eine Predigt beigefügt werden kann. Mit dieser Andacht werden Fürbitten verbunden für das allgemeine Anliegen der Christenheit, für die bedrängte Kirche, für die abwesenden Bischöfe und Priester; für die Gemeinde, daß alle ihre Mitglieder feststehen mögen im Glauben und in der Liebe und Gnade Gottes, daß sie bald wieder einen Hirten erhalte, wobei der Kirchenpatron und die Heiligen, deren Reliquien in dem Altare (resp. Altären) der Kirche sind, besonders angerufen werden mögen; endlich Gebete für die Kranken, die Sterbenden und Abgestorbenen.
Beim Nachmittags-Gottesdienst kann mit dem Rosenkranz und den in der Gemeinde üblichen Bruderschafts-Andachten abgewechselt werden. Dringend ist von den Oberhirten die Andacht zum göttlichen Herzen Jesu empfohlen. Wo ein Kreuzweg errichtet ist, werde er fleißig nicht nur privatim, sondern auch öffentlich und gemeinschaftlich besucht.
„Wanket niemals, so mahnen uns die Oberhirten, in Eurem Vertrauen auf Gott und setzt alle Eure Hoffnung auf das Gebet! Flüchtet zu dieser Zeit, wo wir in der Welt keine Hülfe finden, zum göttlichen Herzen Eures Heilandes, der die Welt überwunden hat und uns nicht verläßt; dasselbe ist eine unüberwindliche Burg und eine immer offenstehende Zuflucht in jeder Not. Diesem göttlichen Herzen voll Liebe und Erbarmen empfehlen, widmen und weihen wir uns und alle unsrer Obsorge anvertrauten Seelen für immer und alle Zeit, für Zeit und Ewigkeit. Fliehet zur Mutter der Barmherzigkeit und rufet an die mächtige Fürbitte aller unserer verklärten Brüder und Beschützer, die am Throne Gottes stehen, damit die Tage der Trübsal abgekürzt werden. Betet insbesondere, daß Gott, der alles vermag, Denjenigen, die uns und unsern Glauben so sehr verkennen, die rechte Kenntnis verleihen und ihre Herzen zum Frieden lenken wolle, damit wir wieder, wie unsere Väter und wir selbst in besseren Tagen, in Sicherheit und Frieden nach unserm hl. Glauben leben können.“
Wie im Schweizer Jura, so ist zur Zeit auch bereits in verschiedenen Gemeinden unsers Vaterlandes Laien-Gottesdienst eingeführt. Die Gemeinde hält ihren sonn- und festtäglichen Gottesdienst ganz in der Weise wie bisher, nur der Priester fehlt. Zur bestimmten Stunde läuten die Glocken. Unter Orgelbegleitung wird ein Amt gesungen mit Einfügung von Gebeten. Nach dem Evangelium tritt ein Mann hervor und verliest die betreffende Epistel und das Evangelium, dann wird das Amt fortgesungen bis zur Wandlung, die Schellen und Glocken geben die üblichen Zeichen und die Gläubigen beten andächtig den Heiland an, wenn er auch sakramentalisch nicht zugegen ist, und so geht es in gewohnter Weise fort bis zum Schluß. Ebenso wenden die Nachmittags- und Abendandachten ganz wie früher gehalten. Von einer Gemeinde wird Folgendes berichtet: „Die Pfarrangehörigen, ihres Seelsorgers beraubt, helfen sich in einer recht sinnigen Weise. Jeden Morgen verrichten die Kinder ihr Morgengebet in der Kirche, an welchem auch noch viele Andächtige Teil nehmen. Abends versammelt sich ein großer Teil der Gemeinde zum gemeinsamen Nachtgebete am Missionskreuze. An Sonn- und Feiertagen begibt sich ein Teil der Gemeinde-Mitglieder in die nächstliegenden Pfarreien, um eine hl. Messe zu hören. Die Andern halten ihre Andacht unter Absingen der gewöhnlichen Messelieder in der Kirche, indem sie im Geiste den heiligen Messen beiwohnen, welche an nicht gesperrten Orten gefeiert werden. Nachmittags aber werden die gewöhnlichen Andachten, natürlich ohne Priester, gehalten.“
Gemeinden ohne Seelsorger, Der Tod ohne Priester. Die vollkommene Reue. Ein Lehr- und Trostbüchlein für römisch-katholische Christen, Mit kirchlicher Approbation, 2. Auflage, 1874, S. 11-13