Die Päpste werden unabhängige Fürsten (715-858)

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

 Die Päpste müssen unabhängige Fürsten werden

Einleitung

Sie regierten vom Jahre 715 – 858 und heißen:

Hl. Gregor II. 715-731
Hl. Gregor III. 731-741
Hl. Zacharias 741-752
Stephan II. 752
Hl. Stephan III. 752-757
Hl. Paul I. 757-767
Hl. Stephan IV. 768-772
Hadrian I. 772-795
Hl. Leo III. 795-816
Hl. Stephan V. 816-817
Hl. Paschalis I. 817-824
Eugen II. 824-827
Valentin 827
Gregor IV. 828-844
Sergius II. 844-847
Hl. Leo IV. 847-855
Benedikt III. 855-858

Je mehr wir in der Geschichte des Papsttums vorwärts schreiten, desto klarer sehen wir, daß diese göttliche Anstalt zum Heil und Wohl der Menschen sich mehr und mehr entfaltet. Ihre Macht wächst nach und nach und erhebt sich über jede andere Macht. Sie ist ihrer Natur nach unabhängig; denn sie redet im Namen Gottes und erklärt unfehlbar das Wort und Gesetz Gottes. Sie erlangt nach und nach eine zeitliche Unabhängigkeit, wodurch die geistige Unabhängigkeit ihren kräftigsten Schutz findet. Solange die Päpste in weltlichen Dingen den römischen und griechischen Kaisern unterworfen waren, konnten sie ihr heiliges Amt nicht frei und selbständig verwalten. Sie waren stets gehindert, beschränkt und eingeengt. Wie einst der heilige Petrus in Joppe durch eine Erscheinung belehrt wurde, daß Gott auch die Heiden in seine Kirche berufen habe, so mussten die Päpste der späteren Zeit gleichsam durch handgreifliche Ereignisse genötigt werden, die weltliche Krone zu nehmen, die vor ihnen lag. Es wäre schon dem heiligen Gregor dem Großen leicht gewesen, Italien und den Kirchenstaat für unabhängig von Konstantinopel zu erklären. Noch näher lag dieser Plan seinen Nachfolgern. Der heilige Sergius und Papst Johann VI. durften nur die Hand ausstrecken, um die weltliche Macht anzunehmen. Sie taten es nicht, sondern bewahrten dem Kaiser die Treue und ermahnten das Volk zum Gehorsam gegen Konstantinopel.

Die Zeit wird reif für die Unabhängigkeit der Päpste

Damit ja die Welt erkennen möge, daß nicht ein Funken von Ehrgeiz oder Herrschsucht die Päpste leitete, als sie den Kirchenstaat annahmen und dem Papsttum die notwendige Unabhängigkeit sicherten, ließ die göttliche Vorsehung es zu, daß die Nachfolger des heiligen Gregor des Großen die weltliche Krone wiederholt zurückwiesen. Durch das Volk sollten die Stellvertreter Christi genötigt werden, eine Macht anzunehmen, die der Kirche zum Heile gereicht. Nur ein von weltlichen Fürsten unabhängiger Papst ist das freie und selbständige Oberhaupt der Gläubigen auf der ganzen Welt.
Der Geschichtsschreiber Gröne sagt in seiner Papstgeschichte: „Es muss uns wunder nehmen, daß Volk und Päpste der griechischen Tyrannei noch so lange treu blieben und nicht eher das unerträgliche Joch abschüttelten. Als aber endlich die wilde Bilderstürmerei des Kaisers Leo das Maß voll machte, als sich dann das bedrängte Volk zur eigenen Rettung aufmachte und den kaiserlichen Statthalter erschlug; als es von keinem Kaiser mehr etwas wissen wollte, und sich unter den Schutz des Papstes begab: da wäre es Verrat an ihrer Würde, an ihrer Religion, an dem Lande und Volk gewesen, wenn die Päpste sich desselben nicht angenommen hätten und es eine Beute der räuberischen Langobarden hätten werden lassen.“
Und ein anderer Kirchenschriftsteller bemerkt: „Wegen der Besitzergreifung der Stadt Rom durch die Päpste glauben die Geschichtsschreiber sich aufhalten zu müssen über den Ehrgeiz der Päpste, über ihre Sucht nach Besitz und Macht, über die Leiden, die sie dadurch Italien bereiteten. Wir haben uns erlaubt, so oft die Geschichte uns das recht dazu gab, den vorgefaßten Meinungen und willkürlichen Annahmen entgegen zu treten. Auch hier werden wir uns an Tatsachen halten. Nun aber stehen hier einerseits die griechischen Kaiser, die nicht als rechtmäßige Nachfolger der alten römischen Kaiser, sondern nur mit dem Recht der Eroberung Italien besitzen, nachdem sie ihm seine alten Vorrechte genommen, anderseits fremde Könige, bewaffnet und drohend, welche Eide schwören und brechen, das Land mit Feuer und Schwert heimsuchen. Ihnen gegenüber erblicken wir Greise, Diener Gottes, vom Volk und aus seiner Mitte gewählt, welche beten, schreiben, Prozessionen abhalten, Gesandte schicken, auch persönlich als Bittsteller ausziehen, nichts als Frieden und Gerechtigkeit verlangen; nur zu ihrer Verteidigung vermögen sie notdürftig ein kleines Häuflein von Kriegsmännern zusammen zu bringen.“

Die Römer betrachteten den Papst als Verteidiger ihrer Rechte

Blieb also den Italienern noch eine Hoffnung auf Rettung, Wiedererhebung oder wenigstens Erleichterung, so konnte ihre Hoffnung nur auf dem Papst beruhen, den die Römer schon längst als den Verteidiger ihrer Rechte betrachteten, als den einzigen, der die Bedrückten zu trösten und die Unterdrücker die Sprache der Wahrheit und Gerechtigkeit vernehmen ließ; auf dem Papst, der schon allein durch seine geheiligte Person der Gerechtere, der Mildreichere sein musste.

Es ist unbegreiflich, wie es in unserer Zeit noch Leute geben kann, die jubeln, daß Papst Pius IX. sein Land verlor. Dieser Raub ist und bleibt eine Schmach für das neunzehnte Jahrhundert.

Es ist lächerlich für den, der die Geschichte kennt, zu sagen: „Die Päpste hatten keine Zeit und nicht das Geschick, die Völker als weltliche Fürsten zu regieren.“ Wer hat denn Italien regiert zur Zeit des heiligen Papstes Gregor des Großen und seiner nächsten Nachfolger? Nur die Päpste und zwar trotz der Verwirrung, welche die griechischen Statthalter anrichteten. Sie hatten die Zeit gefunden, Italien zu retten und zu regieren. Daß sie gute Regenten waren, dafür zeugt die Liebe des Volkes. Als dasselbe zwischen Luitprand, Leo dem Isaurier und dem Papst die Wahl hatte, widersetzte es sich den ersteren mit den Waffen, den Papst aber bat es fußfällig, die Leitung des Reiches zu übernehmen.

Der entscheidende Umschwung vollzog sich, als im folgenden Jahrhundert Kaiser Leo Rom und seine Bewohner der Herrschaft seiner bilderstürmenden Offiziere unterwerfen wollte. Vergebens suchte der heilige Papst Gregor II. das gefährliche Unternehmen zu vereiteln. Der Unwille der Katholiken stieg auf das Höchste. Da verlor Konstantinopel Rom und Italien: der Papst war von da an unabhängig in seiner weltlichen Regierung. Zwar hinderten ihn noch lange Zeit die Langobarden, dagegen hielt ihn, ermutigte und sicherte ihn das Vertrauen der Völker, deren einzige Zuflucht er war, die an ihm den sichtbaren Stellvertreter Gottes verehrten. Es geschah im Jahre 726, daß die ewige Stadt die Gesetze des Statthalters Jesu Christi annahm und keinem andern Fürsten mehr Gehorsam leistete. Wir müssten gegen die göttliche Vorsehung blind sein, wenn wir hierin nicht den unabänderlichen Willen Gottes sehen wollten.

Rom ist die Stadt Jesu Christi. Niemand anderer, außer der Statthalter Jesu Christi soll dort regieren. Weltliche Gewalthaber mögen dort auf einige Zeit die rechtmäßige Gewalt unterdrücken, aber ihre Tage sind jedesmal gezählt. Ihre Bemühungen werden nur dazu dienen, daß die Unverletzlichkeit dieses Thrones klarer gesehen und bewiesen wird. Gott gab dem Papst dieses Land, Gott wird es ihm zu erhalten wissen.

Die göttliche Vorsehung lenkt die Ereignisse

Der freundliche Leser hat ohne Zweifel längst die Überzeugung gewonnen, daß die göttliche Vorsehung selbst in die Ereignisse eingriff, um die Unabhängigkeit der Päpste von jeder weltlichen Macht zu sichern. Die Verzögerungen der Papstwahlen, welche im vorigen Abschnitt so viel Schaden angerichtet haben, sollten nun aufhören. Wozu braucht auch ein rechtmäßig gewählter Papst eine Bestätigung von Seiten eines Fürsten? Die Zeit war gekommen, da dieser weltliche Einfluß gänzlich wegfallen sollte.

Gott ebnete selbst die Wege. In Frankreich, das vor allen andern Ländern den Glauben angenommen hatte, trat zu eben der Zeit ein Heldengeschlecht auf, das mit Kraft und Klugheit regierte. Die Blicke der Welt wendeten sich auf König Pippin, Karl Martell und Karl den Großen. Sie waren von Gott ausersehen, ein starkes abendländisches Reich zu gründen, unter dessen Schutz die päpstliche Unabhängigkeit reifen und sich befestigen konnte. Sie waren imstande, die Griechen und Langobarden gegenüber ein heilsames Gegengewicht zu bilden. Ohne die Karolinger wäre die päpstliche Unabhängigkeit sicher noch lange nicht begründet worden.

Diese Tatsache wird noch klarer, wenn wir aus der Geschichte erfahren, daß zu eben der Zeit der größte Missionar Deutschlands, der hl. Bonifatius, auftrat. Er erhielt vom heiligen Papst Gregor II. die apostolische Sendung. Im Jahre 718 ging dieser eifrige Missionar nach Rom, wo er vom Papst freundlich aufgenommen wurde. Der heilige Gregor hielt ihn während des Winters bei sich und erteilte ihm im Mai des folgenden Jahres Vollmachten für die Mission der heidnischen Völker Deutschlands. Erfreut über die Erfolge des heiligen Bonifatius lud ihn Papst Gregor noch einmal nach Rom ein und weihte ihn dort im November des Jahres 723 zum Bischof für ganz Deutschland. Mit heiligen Reliquien und Empfehlungsschreiben an den Frankenfürsten Karl Martell kehrte der hl. Bonifatius nach Deutschland zurück. Es ist nicht das kleinste Verdienst des Apostels der Deutschen, daß die Karolinger ein weit ausgedehntes Reich gründen konnten; denn die Predigt des Evangeliums einigte die Völker zuerst im Kreuz Christi. So nützte der vom Papst bevollmächtigte Apostel der Deutschen den Karolingern; diese waren auch dafür dankbar und vergalten den Päpsten die empfangenen Wohltaten durch einen uneigennützigen Schutz. So war es den Päpsten möglich, ihre große Aufgabe zu erfüllen und die Freiheit und Unabhängigkeit des Heiligen Stuhles zu begründen.

In den bisher geschilderten Zeitabschnitten der Geschichte der Päpste haben wir gesehen, daß Gott jedesmal, wenn ein wichtiges Werk aufzunehmen war, einen tatkräftigen Mann auf den Heiligen Stuhl berief, der seine Zeit vollkommen begriff, die passenden Mittel benützte, um die Kirche den Zeitereignissen gemäß zu leiten. Silvester, Leo der Große und Gregor der Große sind dafür die besten Beispiele. Es entsteht nun die Frage, ob Gott auch in der Zeit, da der Heilige Stuhl durch ein eigenes Land seine volle Freiheit erlangen sollte, den passenden und geeigneten Mann berief. Der Papst, unter dessen Regierung diese neue Ordnung der Dinge sich vollziehen sollte, musste ein Mann sein, ausgezeichnet durch Weisheit und Großmut, damit die Feinde nicht sagen könnten, Ehrgeiz und Sucht nach irdischen Gütern hätten sie bewogen, seine Hand nach der Fürstenkrone auszustrecken. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 229 – S. 234

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