Heiligenkalender
28. Januar
Der selige Kaiser Karl der Große
Die Geschichte kennt keinen Fürsten, welcher die wahre Bedeutung eines christlichen Regenten besser erfaßt, mit solcher Vollgewalt und Majestät verwirklicht hat wie Karl der Große, der allzeit Erhabene, der von Gott Gekrönte. Die Völker hatten ihn Jahrhunderte lang tatsächlich als Heiligen verehrt, als Friedrich Barbarossa 1165 beim Gegenpapst Paskal III. seine Heiligsprechung erwirkte. Der wirkliche Papst Alexander II. konnte dieses Verfahren nicht anerkennen, und seither wurde zur Wiederaufnahme des Prozesses kein Antrag gestellt, aber auch vom heiligen Stuhl keine Einsprache gegen dessen Verehrung erhoben, und mehr als dreißig Bistümer Deutschlands feiern heute noch das Fest seines Andenkens. Erst nach der Reformation, welche naturgemäß diesen Kaiser hassen musste, welcher das schönste Muster eines katholischen Fürsten gewesen, haben Geschichts-Schreiber seiner Sitten-Reinheit Makel angedichtet, von denen siebenhundert Jahre lang die Welt nichts gewußt und die berühmtesten Geschichtskenner, wie ein Bossuet, Mabillon, Noel, Lecointe nichts entdeckt haben.
Karl, 742 geboren, war der reich begabte Sohn des Frankenkönigs Pippin und der griechischen Prinzessin Berta und erhielt eine sorgfältige Erziehung. Von seiner ersten Gattin Himiltrude trennte er sich aus unbekannter Ursache und heiratete aus Nachgiebigkeit gegen seine Mutter die edle Hermengarde. Papst Stephan III. (768-772) (siehe Beitrag: Gründung des Kirchenstaates unter Papst Stephan III.) mißbilligte zwar die Gründe dieser Ehescheidung nicht, verlangte aber doch von Karl, daß er seine erste Gattin behalte, und dieser gehorchte. Die Verleumder seines späteren ehelichen Lebens haben in für sie fataler Weise es übersehen, daß die zwei heiligen Päpste Hadrian I. (772-795) (siehe Beitrag: Papst Hadrian I. und Karl der Große)und Leo III. (795-816) (siehe Beitrag: Heiliger Papst Leo III. und Karl der Große), welche Karl wie seine Väter ehrte und liebte, mit keinem Wort seine Sittlichkeit getadelt haben, da doch das Papsttum immer über die Sittlichkeit der katholischen Fürsten ein sehr wachsames Auge und eine freimütige Sprache hatte: sie übersahen, daß Karl die strengen Gesetze gegen Ehebrüche usw. unmöglich gegeben hätte, wenn eine ähnliche Makel seinen Charakter entehrt haben würde.
Im Jahre 768 wurde er zum König gekrönt und nach dem Tode seines Bruders 771 Alleinherrscher. Das einzige Lebensziel und unsterbliche Verdienst dieses allseitig großen Mannes, der auf dem Schlachtfeld ein nie besiegter Held, auf dem Thron ein eifriger Beförderer der Bildung, der Wissenschaften und Künste, unter dem Volk ein väterlicher Beschützer seiner Rechte und Wohlfahrt war, gipfelte in der Verteidigung und Ausbreitung der katholischen Kirche, die er wie seine eigene Mutter hoch schätzte.
In Spanien verteidigte er in siegreichen Schlachten das Christentum wider die Sarazenen. Die Sachsen, weil sie oft eidbrüchig die Grenzen seines Reiches verwüsteten und die ihnen zugesandten Glaubensboten mordeten, besiegte er nach einem 33-jährigen Kampf und legte ihnen keine andere Verpflichtung auf, als daß sie die christliche Religion annehmen, daß die Grundherren hölzerne Kreuze auf ihren Äckern errichten und dadurch Christum öffentlich bekennen sollten. In Ungarn bis nach Slawonien kämpfte er gleichfalls acht Jahre für die Ausbreitung des christlichen Glaubens. Mit Heeresmacht zog er zweimal nach Italien, um die Päpste Hadrian I. und Leo III. gegen die rohe Gewalt ihrer Feinde zu verteidigen.
Als Karl im Jahre 800 zu Rom das heilige Weihnachtsfest feierte, setzte ihm Leo III. die von den Cäsaren beschmutzte, von den Händen des Papstes wieder geweihte Krone als dem ersten, abendländischen, römischen christlichen Kaiser auf das Haupt, und der St. Petersdom widerhallte von dem tausend stimmigen Jubelruf: „Leben und Sieg dem gnädigsten Karolus Augustus, dem von Gott gekrönten Kaiser!“ Durchdrungen von der Überzeugung, daß die Völker seines ausgedehnten Reiches nur durch die göttliche Kraft des christlichen Glaubens zu wahrer Bildung des Geistes und Herzens erhoben, in den sittlichen und bürgerlichen Tugenden befestigt werden könnten, berief er fromme und gelehrte Männer aus Italien und England an seinen Hof, errichtete vierundzwanzig Klöster mit reicher Ausstattung, stiftete zwei Erzbistümer und neun Bistümer, baute siebenundzwanzig neue Kirchen, verschönerte sehr viele Gotteshäuser mit wahrhaft kaiserlichen Geschenken, sorgte mit großen Kosten für sehr zahlreiche Volksschulen, die er selbst häufig besuchte, errichtete zwei Universitäten zu Paris und Pavia und legte viele Bibliotheken an, wodurch kostbare Werke der Alten für die Nachwelt gerettet wurden.
Überall legte er die Bischofswahl in die Hände der Geistlichkeit und des Volkes; sorgfältig bemühte er sich, alle Kirchen seines Reiches mit dem römischen Stuhl zu verbinden, allenthalben die Feier des Gottesdienstes nach dem römischen Ritus einzuführen, und erbat sich vom Papst geübte Sänger, um den gregorianischen Kirchengesang nach Frankreich und Deutschland zu verpflanzen. Er bestimmte, daß die Reichsgesetze in Versammlungen beraten und erlassen werden sollten, in welchen die Bischöfe und Äbte, die ihnen gebührende Stelle einnahmen. Gegen jeden ungerechten Eingriff schützte er die Kirchengüter, die ihm als Opfer der Gläubigen, als Lösegeld für die Sünden, als Erbteil der Armen heilig waren.
Die Tugenden, welche das Privatleben dieses Kriegshelden und Beherrschers eines Weltreiches zieren, sind nicht minder erhaben als seine Taten, welche die Geschichte preist. Er befleißigte sich nicht nur beständiger Nüchternheit – einer Tugend, die um so höher zu schätzen ist, je seltener sie zu damaliger Zeit in seinem Volke war, – sondern hielt alle Fasten mit der Strenge eines Mönches. Bis zu seinem Tode trug er ein härenes Bußhemd: jeden Tag wohnte er dem Gottesdienst und in der Nacht dem Psalmen-Gesang bei, selbst in den Feldzügen, wo derselbe im Lager abgehalten wurde; mit seinen Almosen erfreute er nicht bloß die Armen seiner Staaten, sondern kam auch den Christen in Afrika, Ägypten, Palästina und Syrien zu Hilfe, so daß oft genug sein Schatz erschöpft war.
Am Ende seines Lebens versammelte er alle Bischöfe und Großen des Reiches in der prachtvollen, von ihm erbauten Kirche zu Aachen, legte seine Kaiserkrone auf den Altar, bestimmte den Sohn Ludwig zu seinem Nachfolger und sprach zu ihm feierlich: „Liebe Gott und halte heilig seine Gebote: trage Sorge für die Kirche Jesu Christi und schütze sie allzeit gegen Boshafte: ehre die Priester als deine Väter und liebe die Untertanen wie deine Kinder: den Klöstern und Armen sei ein Tröster, wähle nur gerechte und gottesfürchtige Richter und betrage dich selbst vor Gott und den Menschen unsträflich!“ Nachdem Ludwig dies zu befolgen mit lauter Stimme versprochen, fuhr er vor: „Nimm nun die Krone vom Altar als aus der Hand Gottes, setze sie dir selbst auf zum beständigen Andenken an dein Gelöbnis.“
Von nun an beschäftigte er sich nur mehr mit Gebet und Betrachtung. Er schloß sein ruhmreiches Leben am heutigen Tage 814; seine Reliquien werden noch heute in Aachen verehrt. (siehe auch den Beitrag: Kirchenlexikon: Karl der Große) –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 68 – S. 69