Heiligenkalender
25. August
Der heilige Ludwig IX König von Frankreich
Ludwig hatte mit acht Brüdern und zwei Schwestern das Glück, den sehr frommen und tapferen König Ludwig VIII. von Frankreich zum Vater, und die berühmte spanische Königstochter Blanca zur Mutter zu haben. Im Jahre 1214 wurde er in der Schloßkapelle zu Poissy getauft; deshalb unterschrieb er sich später nur: „Ludwig von Poissy“. Auf die Frage, warum er diese Kapelle so hoch schätze, und nicht vielmehr den Dom zu Reims, wo er zum König gekrönt worden, gab er die würdige Antwort: „Sollte ich Poissy, wo ich die unvergängliche Würde eines Christen erhielt, nicht höher schätzen als Reims, wo ich nur die vergängliche Würde eines Königs empfangen habe?“
Die Königin leitete selbst die wissenschaftliche und religiöse Ausbildung ihrer Kinder, besonders des Kronprinzen Ludwig. Als man einst am Hofe davon redete, der junge Ludwig scheine einem Edelfräulein auffallend gewogen, warnte sie ihn mit den Worten: „Mein Sohn, ich liebe dich mit der innigsten Liebe; aber doch wünsche ich, daß du eher vor meinen Augen sterbest, als daß du eine schwere Sünde begehst.“ Dieses Ort der Mutter blieb ihm unvergeßlich.
Beim Tode des Vaters 1226 war Ludwig erst im zwölften Jahre; die Mutter führte die Regierung des Reiches für ihn, ließ ihn aber sogleich zu Reims krönen, um den Empörungen der mächtigen Lehensträger zuvor zu kommen. Er lebte nach einer strengen Tagesordnung, fastete wöchentlich zweimal, zog zu bestimmten Zeiten ein härenes Bußkleid an, betete vor Tagesanbruch die kirchlichen Tagzeiten, hörte zwei bis drei heilige Messen an, betrachtete in der heiligen Schrift und las die hl. Väter, beichtete jeden Freitag, und zum Empfang der hl. Kommunion bewegte er sich jedesmal auf den Knien zum Altare hin. Seine Freigebigkeit war unerschöpflich: in seinem Palast speiste er täglich über hundert Arme und bediente sie oft selbst; drei arme Greise bewirtete er in seinem Speisesaal; er besuchte fleißig die Spitäler, pflegte die Armen mit eigener Hand und verweilte bei den ekelhaftesten mit Vorliebe. Als er das Spital zu Compiegne ganz ausgerüstet hatte, trugen er und sein Schwiegersohn, der König Theobald von Navarra, den ersten Kranken auf einem seidenen Tuch in dasselbe. Balduin II. schenkte die Dornenkrone Jesu, welche er den Venezianern verpfändet hatte, dem hl. Ludwig. Dieser löste sie aus und trug sie mit seinem Bruder Robert auf den Schultern – beide barfuß und in sehr einfachem Gewand – von Sens dreiundzwanzig Meilen weit nach Paris, begleitet von vielen Prälaten, Geistlichen und Rittern, alle barfuß. Als die Minister einst bemerkten, daß er doch bei den Kranken und in den Kirchen zu viel Zeit verliere und durch zu große Demut die Achtung vor der königlichen Majestät gefährde, sagte er lächelnd: „Aber wenn ich ganze Tage und Nächte beim Gelage und Spiele säße und wochenlang auf Jagden herum zöge, so würden die Leute es der Majestät angemessen finden.“
Im Jahre 1234 trat Ludwig die Regierung selbst an und vermählte sich mit der Gräfin Margaretha von Provence, die mit allen Reizen der Schönheit und Tugend geschmückt, dieses Heiligen würdig war; sie schenkte ihm fünf Söhne und fünf Töchter. Diese Kinder unterrichtete der König selbst jeden Abend im Katechismus, begleitete sie zur heiligen Messe und Predigt, und übte sie weise in der christlichen Abtötung. Seine Familie war ein Muster für alle Untertanen. Ludwig war freundlich gegen Hohe und Niedere, stets ruhig und besonnen: nie entehrte ein Fluchwort oder eine Lüge seinen Mund. Mit weiser Klugheit schaffte er alte Missbräuche ab, gab den Gerichten eine bessere Einrichtung und sprach selbst zu bestimmten Zeiten öffentlich Recht unter der großen Eiche zu Vincennes. Der Ruf seiner Gerechtigkeit war so allgemein und makellos, daß die Fürsten Europas oft ihm ihre Streitsachen zur Entscheidung vorlegten. Streng waren seine Gesetze und Urteile nur gegen die Lästerer wider Gott und die seligste Jungfrau Maria, und gegen die schamlosen Weibspersonen. Zur Milderung der Notstände, zur Förderung der Sittlichkeit und Bildung gründete er ungefähr vierzig Männer- und Frauenklöster, Erziehungs-Institute und die berühmte Hochschule (Sorbonne) zu Paris.
Auf die Trauerbotschaft, daß Jerusalem von den Sarazenen den Christen wieder genommen worden sei, gelobte Ludwig, der gerade an einem Fieber tödlich krank lag, einen Kreuzzug. Wie durch ein Wunder wieder genesen, erfüllte er sein Gelübde, war aber nach den ersten Siegen unglücklich, wurde vom Sultan gefangen, und kehrte erst nach sechs Jahren wieder nach Frankreich zurück.
Mit rastlosem Eifer sorgte er nun wieder für das Wohl des Reiches, ordnete Alles mit hoher Weisheit und durchreiste die Provinzen, um die Bedürfnisse und Beschwerden des Volkes persönlich kennen zu lernen. Eine Witwe klagte ihm, daß ein Edelmann ihr ganz ungerecht einen Acker weg genommen habe. Ludwig berief den Angeklagten, und dieser erschien mit zwei bestochenen Zeugen. Der König trennte die Zeugen von einander und befahl dem Ersten, daß er das apostolische Glaubensbekenntnis bete; dann sprach er zum Zweiten: „Ich sage dir bei meiner königlichen Ehre, dein Kamerad hat die reinste Wahrheit bekannt.“ Dieser glaubte nun verraten zu sein und gestand reumütig den wahren Sachverhalt. Der Edelmann erhielt die verdiente Strafe, die Witwe ihren Acker. Eine andere arme Frau verlor ihren Prozeß. Außer sich vor Zorn schimpfte sie den König ins Angesicht, er sei unwürdig, die Krone zu tragen und verdiene zum Lande hinaus gejagt zu werden. Sanft erwiderte der König: „Ihr habt recht, meine Freundin, ich bin nicht würdig, König zu sein, und verdiene nicht nur aus Frankreich, sondern von der ganzen Erde fort gejagt zu werden“; dann gab er ihr ein königliches Almosen.
Unterdessen rüstete sich das Abendland zu einem neuen Kreuzzug, auch Ludwig`s Mut flammte von neuem auf für die heilige Sache. Im Frühling 1270 segelte er mit seiner Flotte wider die Seeräuber von Tunis, weil sie den Kreuzfahrern so viel schadeten und dem Sultan von Ägypten allein Kriegsbedarf lieferten. Der König eroberte Karthago; aber nun verließ ihn wieder das Glück. Um Tunis angreifen zu können, musste er Verstärkung von Sizilien abwarten. Bevor dieselbe ankam, brach in seinem Lager die Pest aus und raffte in wenigen Tagen die Hälfte der Armee dahin. Wie eine Mutter pflegte der König die Kranken und tröstete die Sterbenden, bis die Seuche auch ihn auf`s Totenbett warf. Unbeschreiblich war die Besorgnis und Angst Alles um das teure Leben des Königs; Ludwig empfing mit ergreifender Andacht die heiligen Sakramente und starb in dem Augenblick, als man die Hilfe von Sizilien ankommen sah. In drei Schlachten siegten die Seinen über Tunis, erlangten einen vorteilhaften Frieden und segelten dann mit der heiligen Leiche nach Frankreich. Auf dem Wege und bei der feierlichen Beerdigung geschahen viele Wunder, und nach 27 Jahren schon konnte Papst Bonifaz VIII. die Untersuchungs-Akten schließen und die Heiligsprechung dieses großen Dieners Gottes vollziehen, dem auch die Weltgeschichte das Zeugnis gibt, daß er mit den glanzvollen Tugenden eines Christen auch die eines Königs und Helden in sich vereinigt habe. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 627 – S. 629