Heiligenkalender
20. August
Der heilige Bernhard von Clairvaux Kirchenlehrer
Bernhard, der tätigste und berühmteste Mann seiner Zeit, heute noch die Bewunderung der streitenden Kirche, wurde 1091 bei Dijon in Burgund aus altadeligem Geschlecht geboren. Sein Vater war Kriegsmann, seine Mutter eine heiligmäßige Frau, unter deren Pflege die vorzüglichen Geistes- und Gemütsanlagen des Kindes sich wunderbar schnell entfalteten. In der Schule zu Chatillon ließ Bernhard in Wissenschaft und Tugend alle Mitschüler weit hinter sich zurück. Hier auch hatte er in der heiligen Christnacht die erste himmlische Erscheinung. Es zeigte sich ihm das Jesuskind in übernatürlichem Glanze und erklärte ihm das Geheimnis seiner Menschwerdung. Von diesem Tage an glühte lebenslänglich sein herz in Andacht zu Jesus und Maria.
In seinem neunzehnten Jahre musste er an das Sterbebett der teuren Mutter eilen; ihr Tod machte ihn zur Waise, weil sein Vater immer im Felde war. Bernhard trat in die Welt ausgerüstet mit großer körperlicher Schönheit, ungewöhnlichen Talenten, glänzender Beredsamkeit und allen Vorrechten des Adels und Reichtums. Die Welt brachte ihm Bewunderung entgegen. So streng er sonst seine Keuschheit bewachte, geschah es doch einmal, daß er ein Edelfräulein mit Wohlgefallen ansah und deshalb unreine Gefühle empfand; aber sogleich eilte er dem nahen Teiche zu, zerschlug das Eis und stellte sich bis an den hals ins Wasser so lange, bis man ihn halbtot antraf und heraus zog. Mehrere andere Versuchungen zur Gefallsucht und Leichtfertigkeit reiften in ihm schnell den Entschluss, sich in die friedliche Sicherheit des Ordenslebens zu flüchten; aber sein Entschluss fand den heftigsten Widerstand von Seiten des Vaters, der Geschwister und der Verwandten. Allein Bernhard`s Beredsamkeit blieb so vollständig Sieger, daß der Vater schwieg, und fünf Brüder und vierundzwanzig adelige Jünglinge mit ihm den hl. Stephan um Aufnahme in den Zisterzienser-Orden baten. Beim Abschied sagte der älteste Bruder zum jüngsten: „Lebe wohl, liebstes Brüderlein, du bist nun der alleinige Erbe dieses Schlosses, und alle Güter gehören dir.“ Der Knabe antwortete weinend: „Wie, ihr nehmt den Himmel und mir laßt ihr die Erde! Das ist keine gerechte Teilung.“ und nach einigen Jahren trat auch er in den Orden.
Bernhard beugte seinen Leib mit unerbittlicher Strenge unter die klösterliche Zucht. Er erkämpfte sich eine solche Herrschaft über die fünf Sinne, daß Nichts mehr seine Vereinigung mit Gott zu stören vermochte.
Inzwischen mehrte sich die Zahl der Mönche so, daß Abt Stephan das sehr rauhe „Wermut-Tal“ vom Grafen Hugo zum Geschenk annahm und Bernhard – erst fünfundzwanzig Jahre alt – mit zwölf Brüdern hinschickte, um ein neues Kloster zu gründen. Die Aufgabe war schwer, die Mönche mussten mit Axt und Hacke dem wilden Boden ihre karge Nahrung abringen und Brot essen, so schwarz und rauh, daß öfters Gäste vor Rührung weinten, wenn die Brüder ihre Mahlzeit hielten. Allein Abt Bernhard wußte seinen Brüdern eine so heilige Liebe und Freudigkeit einzuflößen, daß sich das „Wermut-Tal“ rasch in ein „Lichttal (Clairvaux) verwandelte, daß von allen Seiten Leute herbei strömten, um die liebenswürdige Heiligkeit dieses mühevollen Lebens zu bewundern, ja daß viele Eltern ihre Söhne ängstlich bewachten, damit sie nicht Clairvaux besuchten und ins Kloster gingen, so sehr fürchteten sie die unwiderstehliche Liebenswürdigkeit Bernhard`s.
Nach wenigen Jahren lebten in diesem Kloster schon siebenhundert Mönche, darunter Fürsten, Grafen, Soldaten, gelehrte, Künstler, auch sein eigener alter Vater, und die Bittgesuche mehrten sich so, daß er in verschiedenen Ländern hundertsechzig neue Klöster gründen konnte. Die ungeheure Arbeit griff zwar den jungen Abt sehr an; aber er gönnte sich keine andere Erholung als einen Spaziergang in den einsamen Wald hinaus, wo er im dunklen Schatten rauschender Tannen sich in Gott versenkte und aufjauchzte: „O selige Einsamkeit, o einsame Seligkeit!“
Der Ruf von diesem wunderbaren Mönch widerhallte in allen Ländern, und halb Europa nahm Zuflucht zu seiner außerordentlichen Geisteskraft und Klugheit. Weltliche und Geistliche, Könige und Päpste, Fürsten und Bischöfe suchten seinen Rat und übertrugen ihm die wichtigsten Geschäfte.
Damals trauerte die Christenheit, weil Anaklet II., von einer mächtigen Partei unterstützt, den rechtmäßigen Papst Innozenz II. vom Stuhl Petri verdrängte, Zwietracht säte und blutige Empörungen stiftete. Die Gutgesinnten riefen Bernhard aus seiner Einsamkeit. Er durchreiste Frankreich, Italien und Deutschland, bewirkte durch die unerhörte Macht seiner Beredsamkeit und durch die täglich wachsende Zahl der Wunder an Kranken, Presshaften und Sündern (s. 11. Februar), daß Innozenz II. überall als der rechtmäßige Papst anerkannt und der Friede wieder hergestellt wurde. Seine Reise war ein nie gesehener Triumphzug: meilenweit kam ihm das Volk entgegen und empfing ihn feierlichst; Alle wollten ihn sehen, ihn hören, ihn berühren, seine Füße küssen… all` sein Sträuben gegen solche Ehren war umsonst. Dagegen siegreich war er mit seiner Weigerung, kirchliche Würden, die man ihm aufnötigen wollte, anzunehmen: er kehrte wieder in seine arme, über Alles geliebte Zelle zurück.
Um diese Zeit kam aus dem Morgenlande die traurige Kunde, daß die Festung Edessa von den Sarazenen erobert und Jerusalem bedroht sei. Papst Eugen III. beauftragte Bernhard, einen neuen Kreuzzug zu predigen. Er gehorchte und rief in ganz Frankreich eine ungeheure Begeisterung für den heiligen Krieg wach. Schwieriger war die Aufgabe in Deutschland, wo gerade eine tolle Verfolgung der Juden wütete; auch zeigte Kaiser Konrad III. gar keine Lust, berief aber doch auf Bernhard`s Bitten einen Reichstag nach Speyer. Bernhard reiste durch die Schweiz über Konstanz dorthin und wirkte auf dem Wege viele und große Wunder. In Speyer wurde er mit hoher Verehrung empfangen; eine ungeheure Volksmenge begleitete ihn durch die festlich geschmückte Stadt zum Dome, wo der Kaiser, die päpstlichen Legaten und die Reichsfürsten ihn erwarteten. Beim Einzug in die Kirche sangen die Priester das „Salve Regina“, dessen Töne den feurigen Verehrer der Himmelskönigin so innig rührten, daß er am Schluß des Gesanges nieder kniend mit mächtiger Stimme die schönen Worte beifügte: „O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria!“ Nun forderte er die Anwesenden mit so hinreißender Rede zum heiligen Krieg auf, daß der Kaiser laut aufweinte und sich sogleich das Kreuz anheftete; dasselbe taten die Fürsten und Grafen. Beim Ausgang aus der Kirche nahm der Kaiser selbst den Heiligen auf die Schultern und trug ihn aus dem Gedränge.
Das unglückliche Ende dieses Kreuzzuges, herbeigeführt durch die Schlechtigkeit der Griechen, die Uneinigkeit der Führer und die Zügellosigkeit des Trosses, bereitete dem hl. Bernhard furchtbare Leiden; man schimpfte ihn einen falschen Propheten, er habe die Reiche erschöpft, die Städte entvölkert, 200000 Männer in den Tod gejagt… er schwieg, betete und duldete; erst später einmal sagte er gar schön: „Wenn die Leute denn bei dieser Gelegenheit durchaus murren müssen, so ist es besser, sie murren gegen mich, als gegen Gott.“
Viele Wunder hatte der Heilige gewirkt, aber das größte war er selbst; er, der arme, abgemagerte, immer kränkliche Mönch, beherrschte wahrhaft die Welt, tadelte mit der liebevollsten Freimütigkeit bei Päpsten und Königen, bei Bischöfen und Fürsten die Missbräuche und Unordnungen, leitete die Massen des Volkes, begeisterte sie für die Ehre Gottes oder beruhigte sie im Ungestüm der Leidenschaft und – blieb dabei die vollendetste Demut selbst. Allzu schnell verzehrte die Glut seines Opferlebens die Körperkräfte, und seine schöne Seele ging ein in die ewige Ruhe 1153 im dreiundsechzigsten Altersjahre. Papst Alexander III. sprach ihn heilig und gestattete seine öffentliche Verehrung 1174.
Die zahlreichen Schriften Bernhard`s zeichnen sich durch edle Einfalt und Herzlichkeit aus, und haben ihm den Ehrennamen „honigfließender Lehrer“ erworben, und Papst Pius VIII. hat ihm denselben auch im Namen der „allgemeinen Kirche“ feierlich zuerkannt. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 614 – S. 616