Heiligenkalender
3. Juni
Die heilige Chlothilde Königin von Frankreich
Mit wehmütiger Freude gewahrt der gläubige Christ an steiniger Halde das zierliche Frühlings-Veilchen, wie es unter den starren Armen des Schwarzdorns blüht und seinen lieblichen Duft aushaucht. Eine gleiche Stimmung erfaßt sein Herz, wenn er die hl. Chlothilde, dieses Frühlings-Veilchen des Christentums, im großen Frankenreich betrachtet. Sie war eine Königstochter von Burgund. Ihr Oheim Gundobald, von Herrschsucht geblendet, ermordete ihren Vater, ihre Mutter und zwei Brüder, sperrte ihre ältere Schwester in ein Kloster und behielt nur sie bei sich, weil sie noch ein unmündiges Kind und überaus schön war. Gar steinig war der Boden, auf dem die mitleidswürdige Waise ihre Jugend verlebte, und dem Schwarzdorn gleich ihre arianische Umgebung. Aber der Vater im Himmel sorgte für Chlothilde und gab ihr eine katholische Erzieherin, von der sie im heiligen Glauben unterrichtet wurde. Je unbehaglicher der kleinen Prinzessin die Gegenwart des Vater- und Muttermörders war, desto inniger hing ihr Herz und ihre Seele am himmlischen Vater und ander Gnadenmutter Maria; desto makelloser bewahrte sie ihre Jungfräulichkeit in einsamem Gebet.
Chlothildens schöne Seele in einem ausnehmend schönen Leibe war die Zierde von Burgund, und je mehr sie unbekannt zu sein glaubte, desto weiterhin leuchtete der Glanz ihrer seltenen Tugend, so daß Chlodwig I., König von Frankreich, um ihre Hand warb. Sie erschrak über diesen Antrag, weil sie mehr wünschte, eine arme Nonne im Kloster, als eine reiche Königin auf dem Throne zu sein, und besonders weil Chlodwig noch Heide war. Doch nach inbrünstigem Gebet gab sie auf göttliche Eingebung das Jawort unter der Bedingung, daß sie ihre heilige Religion vollkommen frei ausüben dürfe. Der König gab ihr sein Ehrenwort, und die Vermählung geschah im Jahre 493. – Der neuen Königin einziges Verlangen und Streben zielte dahin, den König und das Volk für Jesus zu gewinnen und dadurch zeitlich und ewig glücklich zu machen. Von der Macht des guten Beispiels überzeugt, richtete sie sich eine Hofkapelle ein mit prachtvollem katholischen Gottesdienst, erfüllte mit gewissenhafter Pünktlichkeit alle religiösen Pflichten, führte ein Leben strenger Buße und zeigte dabei eine so herzliche Milde, eine so gewinnende Herablassung, einen so fürstlichen Edelmut, daß der ganze Hof die Feindschaft gegen das Christentum ablegte und mit Ehrfurcht sie liebte, daß der König glücklich und stolz war, eine so engelgleiche Gemahlin zu haben.
Chlothilde bestürmte unaufhörlich die Barmherzigkeit Gottes um die Bekehrung des Gemahls und benützte jede Gelegenheit, ihm in beredten Worten die Schönheit und Göttlichkeit des Christentums vorzustellen. Chlodwig hörte ihr gerne zu, wollte aber von einer Bekehrung nichts wissen, weil ihm der Götzendienst angenehmer schien, und weil sein Volk ihm zürnen würde, wollte er die heidnische Religion mit der christlichen vertauschen; doch erlaubte er, daß sie schon ihr erstes Kind, ein herziges Söhnlein, mit großer Feierlichkeit taufen lassen durfte. Gott fügte es, um seine Magd zu prüfen, daß das Kind bald starb.
Unbeschreiblich war der Schmerz des Königs und grimmig sein Unmut, mit dem er der Gemahlin vorwarf: „Meine Götter sind erzürnt und haben mein Kind getötet, weil es im Namen des Christengottes getauft worden.“ Chlothilde erwiderte sanft: „Ich kann über den Tod des Söhnleins nicht so übermäßig trauern, wie du; ich danke vielmehr Gott, daß Er mich gewürdigt hat, ein Kind zu gebären, das Er sobald in sein Reich aufgenommen hat.“ O schöne Antwort einer christlichen Mutter!
Mit neuem Eifer arbeitete die Königin an dem Heil ihres Gemahls und erreichte so viel, daß er über`s Jahr wieder einwilligte, das neu geborene Söhnlein feierlich taufen zu lassen. Aber ach! Bald wurde auch dieses teure Kind auf den Tod krank. Da steigerte sich der Schmerz des Vaters zur Raserei: er war überzeugt, daß die Taufe Schuld sei am Tode des ersten und bald auch des zweiten Sohnes; schrecklich tobte er gegen seine Gemahlin. Chlothilde litt und schwieg, aber wankte nicht in der Liebe und in dem Vertrauen zu Gott. Voll des Eifers für die Ehre ihrer gelästerten heiligen Religion stand sie auf, nahm ihr todkrankes Kind auf die Arme, kniete hin vor das Bild des gekreuzigten Jesus und flehte innigst durch die Unschuld des Söhnleins um Erbarmen für dessen Vater. Solche Demut und Liebe verherrlichte der Allmächtige durch die plötzliche Heilung des Kindes. Unbeschreiblich war Chlodwig`s Staunen und Freude über dieses Wunder; dankbar preis er die Macht des Christen-Gottes und versprach, den christlichen Glauben anzunehmen: doch verschob er die Erfüllung dieses heißesten Wunsches Chlothildens unter allerlei Vorwänden.
Inzwischen wurde er in einen Krieg mit den Alemannen verwickelt. Beim Abschied bat Chlothilde mit rührender Innigkeit: „Setze dein Vertrauen nicht auf deine Götter, die nichts vermögen, sondern auf meinen Gott, der allmächtig ist und dir den Sieg über deine Feinde geben wird. Erinnere dich dieser Worte, wenn es not tut.“
Bei Zülpich kam es zur Hauptschlacht, mörderisch war der Kampf, der Sieg neigte sich zu Gunsten der Alemannen; Chlodwig`s Heer geriet in Unordnung, er selbst in die augenscheinliche Gefahr, gefangen zu werden. In dieser höchsten Not gedachte er der Abschiedsworte seiner Gattin, hob Augen und Hände zum Himmel und flehte: „O Gott der frommen Chlothilde, hilf mir! So Du mich aus dieser Not errettest und mir den Sieg gibst, will ich an Dich glauben und deine Verehrung in meinem Reich einführen!“ Wunderbar wendete sich die Schlacht. Ein plötzlicher Schrecken lähmte die Feinde; bald war ihre Niederlage vollständig; siegestrunken jubelten die Franken und ihr König: „Groß und mächtig ist der Gott der Christen!“
Chlodwig hielt treu sein Versprechen, ließ sich vom heiligen Bischof Remigius in der katholischen Religion unterrichten und empfing am Weihnachtsfest 496 zu Reims mit dreitausend vornehmen Franken die heilige Taufe.
Über dieses wichtige Ereignis freute sich die ganze Christenheit; aber am meisten Chlothilde, die ihren höchsten Wunsch erfüllt sah. Voll des Dankes pflegte sie nun das neue Gnadenleben ihres Gatten mit sorglicher Zartheit. Sie veranlaßte ihn zum Bau der großen Kirche St. Peter und Paul in Paris, welche heute als Kirche der hl. Genovefa sein und seiner Gattin Grabmal in sich birgt: sie bewog ihn, daß er mehrere Klöster gründete, daß er dem Papst als Zeichen der kindlichen Untertänigkeit eine goldene Krone verehrte, daß er mit ihr öfters zum Grab des hl. Martin nach Tours wallfahrtete, daß er mit ihr die Gefangenen besuchte und fromme Werke vollbrachte; dennoch blieb seine Bekehrung eine sehr mangelhafte. Chlodwig starb in der besten Manneskraft, erst fünfundvierzig Jahre alt. Chlothilde heiligte ihren Witwenstand durch Zurückgezogenheit, Gebet, fasten und Almosen. Sie legte alle königliche Pracht ab, kleidete sich ganz einfach und zog sich in eine bescheidene Wohnung zurück nach Tours. Gott läuterte ihre Seele noch mehr durch brennende Schmerzen über die blutigen Streitigkeiten und Kriege, in denen ihre drei Söhne wegen der Teilung des Reiches gegen einander wüteten. Vergebens erschöpfte sie die Fülle ihres Mutterherzens, um die Flamme des Hasses zu löschen; nur das fürbittende Gebet und Buße tun blieb ihr übrig, dem sie auch ihre ganze Zeit und Kraft widmete, bis sie am heutigen Tage 545 ihr heiliges Leben mit einem heiligen Tode schloß. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 424-426