Heiligenkalender
1. Oktober
Der heilige Remigius Bischof von Reims
Heute huldigt die katholische Kirche mit freudiger Ehrfurcht dem heiligen Remigius, welcher 74 Jahre den bischöflichen Stuhl von Reims in den schwierigsten Zeitverhältnissen mit der Größe seines Geistes und der Liebe seines Herzens verherrlicht hat. Im Gebiet zu Laon, um 436 aus einer hohen und frommen Adelsfamilie geboren, erhielt der geistreiche Knabe auf dem einsamen Schloß zu Laon eine sehr sorgfältige Erziehung in den Wissenschaften. Von Kindheit an zeichnete er sich aus durch die Reinheit seines Wandels. An Beredsamkeit wurde er von Keinem übertroffen.
Bei der Wahl eines Bischofs von Reims vereinigten sich wunderbarer Weise alle Stimmen auf Remigius, der erst 22 Jahre zählte. Er trat vor die Wähler hin und protestierte mit allem Eifer gegen diese Ernennung; aber während er mit flammender Begeisterung seine Unwürdigkeit bewies, fiel ein Sonnenstrahl auf sein Haupt und umleuchtete es mit überirdischem Glanze. Alle erkannten darin ein Zeichen des göttlichen Willens, und der Gewählte beugte sich in Demut vor dem Herrn.
Der junge Bischof waltete nun seines Hirtenamtes mit unglaublichem Eifer; Tag und Nacht verwendete er seine Talente, seine zeitlichen Güter, sein hohes Ansehen beim König und den Großen des Landes. Um das Volk zu unterrichten, die Sünder zu bessern, die Irrgläubigen und Heiden zu bekehren, die Armen und Kranken zu unterstützen. Sein felsenfestes Gottvertrauen überwand alle Schwierigkeiten, und die Wundergabe befestigte sein Ansehen.
Sein größtes Verdienst um die heilige Kirche, um sein Vaterland Gallien ist aber die Bekehrung und Taufe des fränkischen Königs Chlodwig I., und der darauf folgende Eintritt eines großen Teiles seiner Untertanen in die katholische Kirche. Die erste Veranlassung dazu habe ich angegeben am 3. Juni (Hl. Chlothilde). Remigius veranstaltete für diese Taufe mit wohl berechneter Klugheit die großartigsten Feierlichkeiten, um auf die Einbildung und das Gemüt dieses rohen Volkes kräftig einzuwirken und ihm die Erhabenheit und Würde der christlichen Religion auf angemessene Weise darzutun. Am Osterfest 496 prangte die Stadt Reims im schönsten Festschmuck; die Häuser waren mit gestickten Teppichen behängt, die Straßen mit grünen Reisern bestreut, die Liebfrauenkirche mit kostbaren Tüchern ausgeschlagen, schimmernd vom Lichtglanz unzähliger Kerzen, von süßen Weihrauchdüften durchwogt, und von lauten Triumph-Gesängen widerhallend, – und alle diese Pracht überstrahlte weit ein großes Kruzifix, welches in geheimnisvoller Majestät milde und ernst vor den Augen Aller hing.
Als der König, von Remigius und mehreren andern Bischöfen geführt, von der Königin und einem glänzenden Gefolge begleitet, in die Kirche eintrat, fragte er staunend: „Heiliger Vater, ist dies das Himmelreich, von dem du gesprochen?“ Remigius antwortete: „Nein, aber es ist der Anfang des Weges, der dahin führt.“ Während der feierlichen Anrede, die der Bischof dem heiligen Akte voraus schickte, erhellte ein wunderbares Licht die Kirche, und eine Stimme erscholl: „Der Friede sei mit euch!“ Dann führte er den König in die Taufkapelle zum Wasserbecken und hieß ihn nieder knien mit den Worten: „Beuge dein Haupt, stolzer Sigamber, verbrenne, was du angebetet hast, und bete an, was du verbrannt hast.“ Dann taufte er ihn durch dreimaliges Untertauchen seines Hauptes. An demselben Tage empfingen noch über dreitausend der vornehmsten Franken dasselbe Sakrament. Als der Bischof dem König auch die heilige Firmung erteilen wollte, aber wegen des Volksgedrängnis keinen Chrisam erhalten konnte, brachte ihm eine schneeweiße Taube ein Chrisam-Fläschchen von lieblichstem Wohlgeruch. Diese „Ampulle“ wurde bis 1792 in Reims aufbewahrt, und bei der Krönung eines jeden französischen Königs gebraucht, bei Ludwig XVI. Das letzte Mal; ein Jakobiner zertrümmerte sie zur Zeit der Revolution.
Chlodwig I. blieb ein eifriger Schützer und Verteidiger der Kirche und leistete dem eifrigen Remigius vortreffliche Dienste bei der Ausbreitung des christlichen Glaubens: er spendete ihm große Summen, um Kirchen und wohltätige Anstalten zu erbauen; er unterstützte ihn, daß er auf mehrere Bischofsstühle tüchtige und fromme Oberhirten erheben konnte; er bahnte ihm den Weg zu dem noch heidnischen oder arianischen Galliern, damit er auch ihnen den wahren, katholischen Glauben verkünde.
Wie sehr Remigius bei der angestrengten Tätigkeit für das Reich Gottes um sein eigenes Heil besorgt war, und zu welcher Höhe der Selbstverleugnung er es gebracht hatte, bezeugte ein einfacher Vorfall. Er häufte einst, weil er für das nächste Jahr Mißwuchs voraus sah, auf seinem Landgut eine Menge Fruchtgarben über den Winter auf, um die hungernden speisen zu können. Boshafte Leute des Ortes hielten sich darüber auf: „Was will doch der Alte mit seinen Getreideschobern: denkt er ewig zu leben, oder gar Handel und Wucher damit zu treiben? Sie redeten sich beim Weine in solche Zornhitze hinein, daß sie hingingen und das Getreide anzündeten. Der Bischof erfuhr es und eilte zum Feuer; aber er kam zu spät, die Rettung war unmöglich. Ganz gelassen streckte er die Hände gegen die Flammen aus und scherzte: „Das Brot ist verloren, aber wir wollen uns doch wenigstens wärmen am Feuer; denn die Nacht ist kalt.“
Nachdem Remigius 74 volle Jahre mit milder, aber fester Hand den Hirtenstab geführt hatte, und unter der Last von 96 Lebensjahren gebeugt, sich nach dem Feierabend sehnte, rief der Hausvater den treuen Arbeiter heim, am 13. Januar 532 oder 533. Sein Fest wird schon sehr lange am 1. Oktober gefeiert, weil seine Reliquien an diesem Tage erhoben und übertragen worden sind in die Christophskirche. Seine Schriften, die von den Zeitgenossen sehr gerühmt wurden, gingen bis auf vier Briefe verloren. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 727 – S. 728