Heiligenkalender
6. Dezember
Der heilige Nikolaus Bischof von Myra
Kaum ein Heiliger ist in der ganzen katholischen Kirche seit 1500 Jahren so berühmt wie der hl. Bischof Nikolaus. Tausende von Kirchen tragen seinen Namen, unzählige Altäre, Fahnen, Flaggen ziert sein Bild, in allen Sprachen ertönt Lob und Dank zu seiner Verehrung, zu Wasser und zu Land wird angefleht seine helfende Fürbitte. Patara in Lycien erfreut sich des Ruhmes, seine Geburtsstadt zu sein. Seine Eltern, sehr vornehm, sehr reich, sehr fromm, aber bis ins Alter kinderlos, hatten sich durch Fasten, Almosen und Gebet mit Tränen vom Allmächtigen diesen Sohn erfleht, dessen erste Lebenstage schon merkwürdig sind durch das Wunder, daß er Mittwoch und Freitag bis zum Abend fastete; diese Übung setzte er sein ganzes Leben hindurch fort.
Unter Leitung seines Oheims, des Bischofs von Myra, widmete sich der sehr talentvolle Knabe dem Studium, übertraf weit seine Mitschüler in allen wissenschaftlichen Fächern, aber noch weit mehr im Eifer zu Gebet und Abtötung, zur makellosen Sittenreinheit und demütigen Bescheidenheit.
Nikolaus wählte mit Zustimmung der Eltern den geistlichen Stand und erprobte in rühmlichster Weise den heroischen Opfermut priesterlicher Liebe, als um das Jahr 300 eine schreckliche Pest Tausende und Tausende in Elend und Tod stürzte. Sein edles Herz blutete; er trauerte mit den Trauernden, half, tröstete, linderte, soweit seine Kräfte reichten. Diese Pest mordete auch ihm den Vater und die Mutter. Das große Erbe, welches ihm zufiel, verteilte er mit wunderbarer Klugheit und Zartheit an die Armen. Berühmt ist die erfinderische Freigebigkeit, mit der er eine adelige Familie vor dem Sturz in leibliches und geistiges Elend gerettet hat. Die drei erwachsenen Töchter vermochten nicht die standesgemäßen Bedürfnisse des gänzlich verarmten Vaters zu decken; und diesem gestattete der Adelsstolz nicht, um mildtätige Unterstützung zu bitten. Schon hatte er den unseligen Entschluss gefaßt, durch Lastergeld der Nahrungsnot zu steuern, als Nikolaus Kunde davon erhielt. Dieser beeilte sich, in schonendster Weise die drei Töchter mit drei großen Summen auszustatten und durch ihre Verehelichung sie und den Vater zu beglücken, so daß sie mit Dankestränen seine Füße benetzten.
Die glühende Andacht und Verehrung zum heiligen Leiden Jesu drängte sein junges Priesterherz zu einer Wallfahrt nach Jerusalem. Auf der Überfahrt nach Palästina entstand ein gewaltiger Sturm, die tobenden Wogen schleuderten das Schiff wütend bald in die Höhe, bald in die Tiefe, der Untergang schien unvermeidlich; die Schiffer jammerten vor Todesangst und baten Nikolaus, der in vollster Gemütsruhe zum gewitterschweren Himmel hinauf schaute, um seine Fürbitte bei Gott. Ihr Vertrauen täuschte sie nicht, fast plötzlich glättete sich das empörte Meer, das Schiff war gesichert. – Daher kommt es, daß die Seeleute ihm als ihren Patron verehren.
Nachdem Nikolaus seine Wallfahrt vollendet, sehnte sich sein Christus, den Gekreuzigten, liebendes Herz nach Einsamkeit, nach einem abgelegenen Kloster, um dort nur für Gott zu leben und zu sterben. Allein eine göttliche Offenbarung belehrte ihn, daß er nach Myra zurück kehren sollte. Dort war Bischof Johannes gestorben und die Wahl eines Nachfolgers eingeleitet. Geistlichkeit und Volk betete zu Gott um Erleuchtung zu einer glücklichen Wahl. Da man sich nicht einigen konnte, beliebte der Vorschlag: Derjenige soll Bischof sein, welcher des folgenden Tages zuerst in die Kirche kommen werde. – Durch Gottes Fügung geschah es, daß Nikolaus um diese Zeit von seiner Pilgerreise zurück kehrte und seiner Gewohnheit gemäß zur Anbetung des allerheiligsten sehr frühe in die Kirche eilte. Alle erkannten hierin den deutlichen Willen Gottes mit Freuden, und Nikolaus musste trotz Bitten und Tränen Bischof werden. Seine Demut seufzte: „O Nikolaus, diese Würde erfordert ein heiligeres Leben, als du bisher geführt hast: deine Worte werden nur dann deine Schäflein weiden, wenn du ihnen als Muster aller Tugenden voran leuchtest.“
Er vermehrte seine Fasten, Nachtwachen, Bußwerke und Gebete; die Einkünfte reichten nicht aus, seine Barmherzigkeit gegen die Armen zu befriedigen, er selbst sammelte noch Almosen für sie und entlehnte für sich die notwendigsten Bücher und Hausgeräte. Mit wunderbarer Beredsamkeit predigte er das Wort Gottes und der hl. Chrysostomus preist ihn als schönstes Vorbild der Sanftmut. In allen seelsorglichen Geschäften beriet er weise Männer, hielt öfters geistliche Synoden und ließ sich von vertrauten Priestern genauen Bericht erstatten über alle wichtigen Vorkommnisse in der großen Diözese, um überall seine Hirtenpflicht erfüllen zu können. Zahlreich waren die Wunder, die er in teurer Zeit, in Seestürmen, an Kranken und Besessenen, sogar in weiter Entfernung wirkte. Eustachius, ein habsüchtiger Statthalter, hatte mehrere reiche Kaufleute zum Tode verurteilt, nur um ihre Güter einzuziehen. Sie standen schon auf dem Richtplatz, und das Schwert blitzte über ihren Häuptern. Plötzlich erschien Nikolaus, riß dem Scharfrichter das Schwert aus den Händen, verwies in scharfer Rede dem Eustachius seine Ungerechtigkeit und befreite die Unschuldigen.
Auf seiner Reise nach Nicäa erweckte er drei Jünglinge, welche heimlich ermordet und in ein Faß geworfen waren, wieder zum Leben. Sein Ruhm verbreitete sich über die ganze Christenheit, und seine Verehrung ward so allgemein, daß in der diokletianischen Verfolgung die kaiserlichen Richter nicht wagten, ihn wegen seines öffentlichen Glaubens-Bekenntnisses zu töten, sondern nur zu verbannen. Unter Kaiser Konstantin kehrte er auf seinen bischöflichen Stuhl zurück, gewann viele Heiden für das Evangelium und verwandelte ihre Götzentempel in christliche Kirchen. Auf dem allgemeinen Konzil zu Nicäa 325 zählte er zu jenen Bischöfen, welche die Spuren der für das Bekenntnis des christlichen Glaubens erlittenen Misshandlungen an ihrem Leibe trugen und zeichnete sich durch seine Wissenschaft und Entschiedenheit hervorragend aus, so daß man von ihm sagte, Christus habe durch ihn die Anmaßung und den Hochmut des Arius nieder geworfen. Auf dem Sterbebett an leichter Krankheit leidend, sah er mit verklärtem Angesicht den Himmel offen und die Engel zur Seite bereit, seine Seele hinüber zu begleiten in die Freuden seines Herrn am 6. Dezember zwischen 345 und 352 in seinem 65. Jahre.
Gleich nach dem Tode wurde Nikolaus allgemein als Heiliger verehrt und seine Anrufung durch viele Wunder gesegnet. Aus seinem Leichnam floß ein wohlriechendes Öl, wodurch viele Kranke ihre Gesundheit erlangten. Ein herrlicher Beweis für die besondere Verehrung des hl. Nikolaus in der ganzen Christenheit liegt darin, daß der heilige Papst Gregor der Große als er zu Rom die Stationskirchen bestimmte, auch die des hl. Nikolaus, mit den Zunamen in carcere (im Kerker) auserkoren, wo heute noch am Samstag vor dem Passions-Sonntag die so geschätzte Andacht gefeiert wird.
Im Jahre 1087 wurden seine heiligen Reliquien nach Bari in Unteritalien übertragen, wo sie jetzt noch von sehr vielen Pilgern verehrt werden. Immer noch fließt das balsamische Öl aus den heiligen Gebeinen und geschehen häufige Wunder. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 910-912