Selige Anna Maria Taigi (1769-1837)

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

9. Juni

Anna Maria sitzt auf einem Stuhl und hat eine Vision in der Sonne, sie trägt eine weiße Haube auf dem Kopf und ein Skapulier über die Schulter, in die Sonne sieht sie eine Hostie sowie eine Dornenkrone zu sehen

Die selige Anna Maria Taigi 

Von ihrer Kindheit bis zur Hochzeit

Von Siena nach Rom

Die Wiege der Anna Maria stand in Siena, der berühmten italienischen Stadt mit ihrem noch ganz mittelalterlichem Aussehen. Hier blühte die Liebe zu den Künsten. Das beweisen die prächtigen Kathedrale mit der berühmten Kanzel des Nikolaus Pisano, den wunderbaren Freskogemälden des Pinturicchio, ferner die Johanneskirche mit ihrem berühmten Taufbrunnen, die stolzen Paläste, der Gaiabrunnen und viele andere Sehenswürdigkeiten.
Aus Siena stammen viele hervorragende Persönlichkeiten. Es seien hier nur angeführt die zwei großen Päpste Alexander III. und Pius II., der mit jugendlicher Tatkraft es versuchte, den großen Traum der Befreiung Europas von der türkischen Herrschaft zu verwirklichen. Ganz besonders sei erinnert an die bekannte heilige Katharina Benincasa und den heiligen Bernardino von Siena, zwei Heilige, durch welche der Name dieser christlichen Stadt auf dem ganzen Erdkreis bekannt wurde.
Hier wurde die Selige am 29. Mai 1769 abends im Hause der Rossstraße Nr. 32 geboren und am anderen Tag in der St. Johanneskirche getauft. Sie bekam in der Taufe die Namen Anna Maria Antonia Jesualda und war das einzige Kind ihrer Eltern Alois Giannetti, Apotheker, und der Santa Masi. Diese pflanzten ins Herz des kleinen Kindes die Keime des christlichen Denkens und christlichen Lebens.
Als Anna Maria sechs Jahre alt war, musste sie mit ihren Eltern Siena verlassen. Ihr Vater hatte durch eigene Schuld den wirtschaftlichen Bankrott seines Geschäftes herbei geführt. Der Karmeliterpater Philipp, Beichtvater der Seligen, schreibt: „So ehrbar und sittsam ihr Vater war, so war er dich auch wunderlich und leichtsinnig. Infolge dessen musste er wegen seines geringen Geschäftssinnes Siena verlassen.“
Gottes Vorsehung führte die Familie Giannetti nach Rom. Es war im Jubeljahr 1775, nachdem der hl. Vater Pius VI. mit der Öffnung der heiligen Pforte von St. Peter das Zeichen zum Beginn der Ablässe des hl. Jahres gegeben hatte. Vielleicht hatte sie sich den Pilgerzügen, die durch Siena gingen, angeschlossen, um an den geistigen Freuden des hl. Jahres teilzunehmen und um so mit Gottes Hilfe in der Stadt der Päpste das tägliche Brot durch eine ehrenvolle Beschäftigung zu verdienen.
Im ärmsten und volksreichsten Stadtviertel mietete man ein Wohnung. Alois Giannetti nahm eine leichte Dienerstelle an. Aber er bekam so wenig Lohn, daß er damit seine kleine Familie nicht ernähren konnte. Das bezeugte seine Enkelin Sofia im Seligsprechungs-Prozeß ihrer Mutter mit den Worten: „Meine Großmutter musste sich wegen ihres Mannes sehr plagen, welcher in Rom sein Glück nicht machte und sich nicht schämte, tatsächlich auf Kosten seiner Gemahlin zu leben. Sie war gezwungen, da und dort als Dienstfrau soviel zu gewinnen, um den Gatten und die Tochter zu ernähren.“

Anna Maria in der St. Agatha-Schule

In jener Zeit hatte in Rom die selige Lucia Philippina Schulen gegründet, die in der Erziehung der Mädchen wahre Glanzleistungen zu Tage förderten. So war im Stadtviertel die Monti, wo die Familie Giannetti wohnte, die von Lucia Philippina gegründete St. Agatha-Schule die beste. Anna Maria besuchte diese Schule zwei Jahre lang, lernte dort lesen, solide Frömmigkeit, praktische Anleitung zu häuslicher Beschäftigung und Liebe zur Arbeit. Infolge der Pockenkrankheit, die auch das schöne Mädchen nicht verschonte, musste es seine frommen Lehrerinnen verlassen. Daher konnte es den Unterricht im Schreiben nicht mehr mitmachen. So kam es, daß das hoch begabte Kind in seinem Leben niemals schreibkundig war.
Schule und Elternhaus wirkten harmonisch zusammen, um ihm eine christliche Ausbildung zu geben. Denn es gibt keine echte Erziehung und Kultur ohne Religion, eine Wahrheit, die heute leider vielfach nicht beachtet wird.
Was menschliches Können nicht vermochte, das bewirkte die Gnade Gottes. Mit größter Andacht und lebendigem Glauben empfing Anna Maria im Alter von 11 Jahren das hl. Sakrament der Firmung und etwas später mit heißer Sehnsucht die hl. Kommunion. Was sie damals ihrem Heiland versprach, hielt sie ihr Leben lang. So wurde das Liebesband zwischen ihr und dem Heiland ein unzerreißlich festes.

Das gute Beispiel ihrer Mutter

Großen Eindruck machte auf das 14-jährige Mädchen das Sterben des seligen Josef Benedikt Labre… Am meisten weilte er in der Mutter Gottes Kirche des Armenviertels der Stadt, wo die Familie Giannetti wohnte. Auf der Treppe dieser Kirche brach der fromme Pilger, kaum 35 Jahre alt, ohnmächtig zusammen. Man trug ihn in ein kleines Haus in der Nähe der Kirche, wo er am 16. April 1783 seine Seele aushauchte. Santa, die Mutter der Anna Maria, war herbei geeilt, um den Leichnam zu waschen und zu kleiden. Große Scharen von Kindern durchzogen die Stadt und riefen: „Der Heilige ist gestorben.“
Arme und Reiche drängten sich um die sterbliche Hülle des Seligen. Als dieselbe in die oben erwähnte Marienkirche zur Aufbewahrung und öffentlichen Verehrung überführt wurde, hatte der Leichenzug das Aussehen eines Triumphzuges. Ähnliches sah man in Rom nur noch nach dem Tode des Philippus Neri.
Dieses Ereignis konnte Anna Maria nie vergessen. Besonders wirkte auf sie das gute Beispiel ihrer Mutter, die am toten Leib des Seligen ein so schönes, christliches Werk der Barmherzigkeit vollbracht hatte. Von ihrer guten Mutter hatte sie gelernt, ebenfalls gegen Arme mitleidig und barmherzig zu sein.
Darum hatte ihre Mutter Santa sich niemals über unartiges oder freches Benehmen ihrer Tochter zu beklagen, im Gegenteil konnte sie ihr das Lob spenden, daß sie immer ruhig, gehorsam und lernbegierig gewesen sei.
In der Tat glich Anna Maria einer Blume, die den Wohlgeruch christlicher Tugenden verbreitete.

Braut und Hochzeit 

Die göttliche Vorsehung hatte für Anna Maria Giannetti einen Mann ausersehen, der Diener war im Hause Chigi, das dem Hause Marini gut befreundet war. Dieser Auserwählte war Dominikus Taigi (sprich: Taidschi)…
Dominikus hatte gute Eigenschaften, wenn er auch in mancher Hinsicht seine Schattenseiten hatte. Alle, bei denen sich Anna Maria erkundigte, versicherten ihr, daß er einen tadellosen, sittenreinen Lebenswandel geführt habe.
Das war für sie die Hauptsache. Auch konnte Dominikus mit seinem bescheidenen Einkommen eine Familie ernähren; er war ebenfalls von schöner Gestalt und eifrig in Erfüllung seiner christlichen Pflichten. So stellte sie ihm ihre Zusage in Aussicht, trotzdem der junge Mann verschiedenes an sich hatte, was sie hätte abschrecken können. Denn es fehlten ihm feine Manieren, er war ohne jedes Zartgefühl, grob und jähzornig.
Aber sie wußte, daß sie wegen ihrer Armut ihre Ansprüche an einen Bräutigam nicht zu hoch stellen konnte, da sie außer ihren natürlichen und sittlichen Eigenschaften keine anderen Güter hatte, als ihre geschickten und fleißigen Hände…
Die Verlobungszeit dauerte nicht lange. Denn schon nach 40 Tagen fand die Trauung statt. Die Zeit zwischen Verlobung und Hochzeit benützten beide Brautleute zu eifrigem Gebet, um Gottes Gnaden recht reichlich für den Ehestand zu erlangen.

Wie alle guten Brautleute so empfing auch Dominikus mit seiner Braut vor dem Eintritt in den Ehestand die hl. Sakramente der Buße und des Altares, um am Hochzeitstage von Gott alle für den Ehestand notwendigen Gnaden zu erlangen.
Am 7. Januar 1790 wurde die Ehe in der schönen St. Marcelluskirche, ihrer Pfarrkirche, abgeschlossen…
Als Anna Maria Giannetti sich dem Altare näherte, um Dominikus Taigi die Hand zum ehelichen Bund zu reichen, zählte sie 20 Jahre und 7 Monate. Sie stand in der Blüte ihrer Jugend, strahlte im Glanz vollständiger Reinheit ihres Herzens und suchte das Ideal einer christlichen Frau zu verwirklichen.
Dominikus war 28 Jahre alt und band sich an seine Lebensgefährtin mit der ganzen Leidenschaft einer reinen, aufrichtigen Liebe.
Trotz der Verschiedenheit der Charaktere blieb der Friede und die Liebe in dieser Ehe stets erhalten, weil sie mit dem Segen Gottes und vor den Stufen des Altares gegründet wurde, und weil beide von dem besten Streben beseelt waren, in der Ehe ein christliches Leben zu führen, um im Himmel ewig miteinander vereinigt zu sein.
Da Dominikus ein guter und getreuer Diener beim Fürsten Chigi war, so erhielt er anläßlich seiner ehelichen Verbindung mit Anna Maria eine bescheidene Wohnung im Palast seines Herrn.
Hier wurden die lieben Kinder geboren, und hier wurden Tugenden geübt, die in der ganzen Welt ein weites Echo von Bewunderung fanden. –
aus: Wilhelm Kirchgessner, Das Leben der seligen Familienmutter Anna Maria Taigi, 1928, S. 4-12

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