Heiligenkalender
30. April
Die heilige Katharina von Siena Jungfrau
Die heilige Katharina war ein Gnadenkind und wurde im Jahre 1347 zu Siena in Toskana als Tochter wohl bemittelter Eltern geboren. Ihr Leben war von den ersten Jahren an eine beständige Übung der auserlesensten Tugenden, zugleich aber auch eine immer währende Fortsetzung besonderer göttlicher Gnaden. Kaum fünf Jahre alt, wurde sie wegen ihrer Eingezogenheit und Neigung zur Frömmigkeit die kleine Heilige genannt. Schon damals grüßte sie auf allen Stufen der Stiege die jungfräuliche Mutter mit den Worten: „Ave Maria“. Im sechsten Jahre erschien ihr Christus der Herr in Begleitung der heiligen Apostel Petrus, Paulus und Johannes, wie auch des heiligen Dominikus, sah sie liebreichst an und erteilte ihr den Segen. Dieses war der Anfang so vieler und wunderbarer Erscheinungen, welche die heilige Jungfrau später bis an ihr Ende hatte. Von dieser Zeit an war ihr Herz ganz entzündet von der Liebe Gottes, und ihr Verstand außerordentlich erleuchtet. Sie folgte der Ermahnung des heiligen Apostels Paulus: „Sehet auf die, welche so leben, wir ihr zum Vorbild habt.“ Daher las sie außer dem Evangelium am liebsten mit Aufmerksamkeit in dem Leben der Heiligen, um ihren Beispielen nachzufolgen. Im siebenten Jahr ihres Alters gelobte sie schon ihre jungfräuliche Reinigkeit Gott dem Herrn. Ihre einzige Freude war die Einsamkeit, das Gebet, die Lesung geistlicher Bücher, die Arbeit und die Abtötung ihrer Sinne. Auf langes Zureden ihrer Schwester fing sie einst an, sich etwas eitler zu kleiden und die Haare nach der damaligen Weltmode zu kräuseln. Es dauerte aber nicht lange; denn sie erkannte im Gebet, welch großes Mißfallen Gott der Herr an solcher Eitelkeit hätte, und wie lange ihre fromme Schwester deswegen im Fegefeuer leiden müsse: daher enthielt sie sich davon für immer und bereute ihren Fehler, so lange sie lebte.
Ihre Eltern wollten sie verheiraten, aber sie gab ihnen zur Antwort: „Ich bin schon mit dem edelsten Bräutigam vermählt und werde niemals meine Liebe einem Geschöpf weihen.“ Sie schnitt sich, um ja keinem Menschen zu gefallen, sogleich die Haare selbst ab und bedeckte ihr Haupt mit einem Schleier. Um ihr die Klostergedanken aus dem Sinn zu bringen, legten ihr die Eltern die ganze Besorgung der häuslichen Geschäfte und die niedrigsten Arbeiten auf, so daß sie keine Zeit mehr zum Gebet oder zur geistlichen Lesung fand. Dies fiel ihr anfangs sehr schwer; sie wurde aber von Christus ermahnt, sie sollte sich selbst ein Kämmerlein in ihrem Herzen errichten, wo sie mitten unter den Geschäften dem Gebet obliegen könnte, nämlich: durch öftere Aufopferung ihrer Arbeit mittels Erweckung kurzer Stossgebetlein. Katharina tat es; von dieser Stunde an, da sie der Ermahnung Christi nachkam, empfand sie einen unaussprechlichen Trost in ihrem Herzen und zeigte auch äußerlich mitten unter den schwersten Arbeiten eine ungewöhnliche Freude. Als sie aber ihr Vater einmal in einem Winkel des Hauses betend und den heiligen Geist in Gestalt einer weißen Taube über ihrem Haupt sah, schalt er über ihr abgetötetes Leben, über ihr Fasten, Schlafen auf harten Brettern nicht mehr, sondern gab ihr ein eigenes Kämmerlein und gestattete ihr, dem Dienst ihres Heiland nach der häuslichen Arbeit obliegen zu dürfen.
Nachdem sie in den dritten Orden des heiligen Dominikus aufgenommen worden war, strebte sie mit größtem Eifer nach der geistlichen Vollkommenheit. Der Satan suchte sie durch die abscheulichsten Vorstellungen und Versuchungen, womit er sie ohne Unterlaß beunruhigte, irre zu machen. Katharina verdoppelte ihre Bußwerke und Gebete und verharrte unter allen Versuchungen voll Betrübnis in der treuen Liebe zu Jesus. Endlich erschien ihr Christus der Herr, den sie also anredete: „O Herr! Wo warst du so lange? Warum hast du mich verlassen?“ – „In deinem Herzen war ich“, antwortete Christus. „Wie sollst du“, sagte sie, „in meinem Herzen gewesen sein, welches mit so abscheulichen Gedanken erfüllt war?“ – „Hast du denn in selbe eingewilligt? Hast du daran Freude gehabt?“ fragte Christus. „Ach nein!“ erwiderte Katharina. „Es war mir die größte Qual, selbe auch nur zu empfinden.“ – „Und daran, daß sie dir zur Pein waren, sollst du erkennen, daß Ich in dir war“, antwortete Jesus; „daher gereicht dir dies Leiden zum Verdienst. Ich habe dir zugesehen, wie du gestritten hast, und habe dir geholfen.“ Hiermit hörten die höllischen Versuchungen auf, und folgten die trostreichen Erscheinungen, sowohl Christi des Herrn, als seiner heiligsten Mutter Maria und verschiedenen Heiligen, deren Zahl Gott allein bekannt ist. Gar oft sah sie Christus den Herrn in dem heiligsten Altarssakrament in Gestalt eines holdseligen Kindleins. Zu diesem heiligsten Geheimnis hatte sie eine außerordentliche Andacht. Ganz außerordentlich war es, daß sie durch den bloßen Genuss dieses heiligsten Sakramentes auch ihr leibliches Leben erhielt. Dieses ist gewiß, daß sie einst vom Aschermittwoch an bis auf das Fest der Himmelfahrt Christi kein andere Speise zu sich nahm, als allein die göttliche in der heiligen Kommunion. Ja, als man sie durch den Gehorsam zwang, andere Speisen zu genießen, erlitt sie solche Qual, daß man sie nicht weiter belästigte.
Nach einiger Zeit bekam sie von Christus den Auftrag, sich besonders in Liebeswerken gegen den Nächsten zu üben. Sie fing an, die Kranken mit aller Liebe und Sorgfalt zu bedienen. Unter anderen bediente sie zwei Frauen, deren eine den Aussatz, die andere den Krebs hatte. Bei der letzteren überwand sie sich auf die heldenmütigste Weise. Christus erschien ihr in der darauf folgenden Nacht, lobte ihre Überwindung und belohnte sie mit unaussprechlichem Trost. Schwerer fiel es ihr, daß sie von demselben Weibe, welches sie so liebreich bediente, schimpflich geschmäht, gelästert, ja durch die ganze Stadt als eine schamlose Weibsperson aus Eingebung des Satans verleumdet wurde, indem sie sagte, nicht wegen ihr, sondern wegen einer Mannsperson komme Katharina zu ihr. Christus erschien ihr mit zwei Kronen, deren ein von Dornen, die andere von Gold war, und sprach: „Welche von beiden verlangst du?“ Katharina antwortete: „Herr! In diesem Leben verlange ich dir gleich zu sein; gleiche Pein zu leiden ist meine Freude.“ Mit diesen Worten griff sie nach der Dornenkrone und drückte sie sich selbst auf das Haupt. Noch mehr Liebe zeigte sie gegen jene, welche der Seele nach krank waren. Für solche verstockte Sünder opferte sie Gott vieles Gebet und häufige Bußwerke auf und erlangte hierdurch von Gott die Bekehrung sehr vieler Sünder, die sonst verzweifelt wären. Für eine gewisse Weibsperson, welche tödlich krank war und dennoch ihren Haß gegen Katharina nicht ablegen wollte, betete sie drei Tage lang ohne Unterlaß zu Christus und sprach endlich zu ihm: „Ich will von diesem Platz nicht weichen, es sei denn, du schenkst mir diese Seele.“ Christus schenkte ihr selber auch durch eine wahre Bekehrung und einen darauf erfolgten seligen Tod.
Sie hatte von Gott die Gnade, den innerlichen Zustand jener Menschen zu erkennen, die zu ihr kamen; daher richtete sie ihre Ermahnungen, die sie ihnen gab, eben dahin, wo es am notwendigsten war. Wenn jemand zu ihr kam, welcher der Unkeuschheit ergeben war, bemerkte sie einen unleidlichen Gestank, so daß sie Mund und Nase zuhielt. Noch viele andere ganz besondere Gnaden teilte ihr Gott der Herr mit, welche alle hier nicht aufgeführt werden können. Eine der größten aus diesen ist, daß Christus der Herr der heiligen Katharina seine heiligen fünf Wundmale eindrückte, doch so, daß man äußerlich davon nichts bemerkte, obwohl sie die Schmerzen derselben empfand; denn darum hatte sie Christus gebeten, damit so die ihr erzeigte Gnade vor der Welt verborgen bliebe. Die vielen Wunder, welche sie an Kranken und Besessenen wirkte, und die himmlische Weisheit, womit sie begabt war, verschafften ihr nicht minder beim Volk, als bei den höchsten Kirchenfürsten und weltlichen Monarchen das größte Ansehen. Zu Rom, wohin sie vom Papst berufen ward, erkrankte sie tödlich und erlitt vier Monate lang die empfindlichsten Schmerzen, in denen sie jedoch Gott den Herrn beständig lobte und ihm dankte. Nachdem sie auf ihr Verlangen mit den heiligen Sakramenten versehen war, ließ der in seinen Urteilen wunderbare und gerechte Gott zu, daß sie noch einen harten Kampf erdulden musste. Der Satan beschuldigte die Heilige, sie hätte bei ihren guten Werken und bei den vielen Erscheinungen nichts, als ihre eigene eitle Ehre gesucht. Doch sie siegte auch in diesem Kampf über den Seelenfeind. Danach erschien ihr Christus der Herr, und im trostreichen Gespräch mit ihm übergab sie in seine Hände ihre reine Seele im 33. Jahr ihres Alters am 29. April 1380. Ihre letzten Worte waren: „Herr! in deine Hände empfehle ich meinen Geist!“
Papst Pius II. sprach sie 1461 heilig, und Papst Urban VIII. bestimmte den 30. April als ihren Verehrungstag. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 315 – S. 317