Von dem Eifer für das Seelenheil

Die Liebe zu Jesus Christus: Zwei Engel halten das Schweißtuch Jesu in den Händen

Von dem Eifer für das Seelenheil des Nächsten

 30. April

Fest der heiligen Katharina von Siena

Dura, sicut infernus, aemulatio.
„Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung.“ (Hohelied 8,6)

1. Erwäge, von welch unbeschreiblich wütender Gier, dem Himmel Seelen zu rauben, die bösen Geister getrieben werden. Diese Gier quält sie, diese peinigt sie, diese läßt ihnen keine Rast, diese reibt sie auf; und darum heißt sie hart, was so viel bedeutet als beschwerlich, lästig: „Ein harter Bote – bin ich zu dir gesendet.“ (3. Kg. 14, 6)

Von ähnlicher Art nun muss auch dein Eifer sein, dem Himmel jene Seelen zu erhalten und zu retten, welche die Hölle ihm gerne rauben möchte. Es muss ein harter Eifer sein: das heißt, ein Eifer, der dir im Innern keine Ruhe läßt, sondern dich drängt, betrübt und verzehrt: „Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung.“

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Diesen Eifer erblicken wir in unserm Herrn Jesus Christus: einen Eifer, der nicht gestattete, daß man ihn während der dreiunddreißig Jahre seines Lebens auch nur ein einziges Mallachen sah; wohl aber sah man ihn oft weinen: „Den ganzen Tag ging ich betrübt einher.“ (Ps. 37, 7) Diesen Eifer musst auch du dir in deinem Herzen zu verschaffen suchen: denn ein wahrhaft guter Diener will nicht bloß selbst seinen Herrn niemals beleidigen, sondern er kann es auch nicht ertragen, daß andere ihn beleidigen: „Ich sah die Sünder, und härmte mich ab.“ (Ps. 117, 158)

Hast du aber diesen Eifer, so wird er dir zum großen Teile jene Gaben und Eigenschaften ersetzen, deren du sonst entbehrst: „Mein Grimm selbst stand mir zur Hilfe.“ (Is. 63) Fehlt dir Beredsamkeit, fehlt dir gelehrtes Wissen, fehlt dir der angenehme Vortrag; so wird dieser einfache heilige Grimm gegen die Sünde dies alles ersetzen.

Betrachte nur die heilige Jungfrau Katharina, deren Fest wir heute feiern. War sie nicht ein Weib? Arm? Aus dem gewöhnlichen Volke? Und doch wie viele ausgezeichnete Männer hat sie in Rettung der Seelen übertroffen! Aber wie hat sie dieselben übertroffen? Durch die Macht der Beredsamkeit? Durch das Übergewicht gelehrter Bildung? Nein, gewiß nicht; sondern durch die Gewalt jenes heiligen Grimmes, den sie wider die Sünde in ihrem Herzen trug: „Den harten Zorn hat zur Lanze sie geschärft.“ (Weish. 5, 21) Dieser heilige Grimm war die gewaltige Lanze, mit der sie der Hölle so viele Niederlagen beibrachte: ein bitterer, ein peinlicher Grimm: ein Grimm – ähnlich dem ihrer Feinde; so sehr quälte er ihre Brust: „Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung.“

Was hindert dich nun, einem solchen heiligen Grimme auch in deinem Herzen Raum zu geben?

Der Eifer der bösen Geister

2. Erwäge zweitens, daß dieses selbe wütende Streben der bösen Geister jede schlechte Behandlung gerne erträgt, wenn es nur zum Ziele kommt; und auch aus diesem Grunde heißt es hart: „Das Feuer erprobt das harte Eisen.“ (Ekkl. 31, 31)

Oder welche Beschwerde könntest du dir denken, welchen Schimpf, welche Schande, die sie nicht willig ertrügen, um eine einzige Seele zu errauben?
Du weißt, wie stolz sie sind. Und doch haben sie sich schon tausendmal dazu erniedrigt, dem Menschen zu mannigfachen, ja sogar schmählichen Diensten sich hinzugeben, um ihn an sich zu ködern. Sie haben ihm gedient als Lohnknechte, sie haben ihm als Rosse, sie haben ihm gedient als Hunde, ja sie haben sich herbeigelassen, sogar seine Lasttiere zu machen und sein Gepäck zu tragen.

In ähnlicher Weise nun muss auch dein Eifer sich bekunden: „Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung.“ Du darfst dich nicht scheuen, dich zu jeder nicht bloß mühevollen, sondern auch niedrigen Dienstleistung herabzulassen, sobald dieselbe nur dazu beiträgt, wieder eine Seele mehr für den Herrn zu gewinnen: Da ich von allen unabhängig war, so habe ich mich doch allen zum Knechte gemacht, um mehrere zu gewinnen.“ (1. Kor. 9, 19)

Aber das, was wir oben geschildert, ist noch nicht das höchste Maß dessen, was die bösen Geister ertragen. Sie wissen recht wohl, daß wegen jeder Seele, welche sie dem Herrn rauben, ihre Strafe in der Hölle vergrößert wird; und nichts desto weniger achten sie dessen gar nicht. Sie lassen es sich gefallen, noch schrecklicher durch die ganze Ewigkeit zu leiden, wenn nur Gott die Ehre nicht hat, alle selig zu machen, wie er dies so sehnlich wünscht. Und nach solcher Erwägung – scheint es dir nicht, daß ihr wütender Grimm wirklich hart sei?

Was bedeutet: verbannt zu sein von Christus?

Was nun bei ihnen die Wut vermag, das muss in deiner Brust die Liebe vermögen: „Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung.“ Diese muss bewirken, daß du, gleich so vielen großen Heiligen, allezeit bereit seiest, deine Ehre und dein Vergnügen dem Seelenheile deines Mitmenschen nachzusetzen: „Ich wünschte selbst von Christo verbannt zu sein für meine Brüder“, sagte der Apostel (Röm. 9, 3).

Was soll das bedeuten, verbannt zu sein von Christus? Bedeutet es vielleicht: getrennt zu sein von seiner Gnade? Nein, denn dies kann man niemals erlaubter Weise wünschen; sondern der Apostel will sagen: getrennt von seinem Umgange, von seiner Gesellschaft, wie einer, der von der äußern Kirchengemeinschaft durch den Bann ausgeschieden ist; und dies nicht unbedingt, sondern bloß auf einige Zeit, bis für Gott mehrere Anbeter gewonnen sein würden.

Darin besteht das Übel, von welchem der Apostel hier redet: ein Übel, das dir vielleicht unschwer zu ertragen scheint, weil du nicht begreifst, welch eine Seligkeit in dem Umgange mit Christus liege. Aber nicht leicht schien es dem großen Manne, welcher, zum guten Teile wenigstens, diese Seligkeit schon erfahren hatte. Und doch bot er sich zur Ertragung eines so schweren Übels nicht bloß freiwillig an, sondern verlangte es sogar: Ich wünschte selbst von Christus verbannt zu sein.

Und nach seinem Beispiele haben mehrere andere Heilige das Gleiche getan; namentlich aber die heilige Jungfrau Katharina, welche fern von Christus bis an die Öffnung des höllischen Abgrundes zu gehen bereit gewesen wäre, wenn sie nur dieselbe mit ihrem zarten Körper so weit zu sperren vermocht hätte, daß in Zukunft keine Seele mehr hätte hindurch kommen können.

O dies heißt wahrhaftig dem zu jeder Ertragung fähigen Mut der Hölle nacheifern, ja sogar ihn übertreffen ! Denn die bösen Geister lassen es sich gefallen, daß ihre Qual, zu der sie ohnehin schon verdammt sind, sich vermehre; die Heiligen zeigen sich bereit, dieselbe eigens auf sich zu laden!

Hartnäckigkeit und Ausdauer

3. Erwäge ferner, daß der wütende Grimm der bösen Geister, von welchem wir sprechen, auch noch überdies im höchsten Grade beharrlich, hartnäckig, halsstarrig und unermüdlich sei; und daß er auch deshalb hart genannt wird: „Hart sind deine Sünden geworden.“ (Jer. 30, 14) Denn du siehst, daß sie niemals aufhören, die Seelen zu verfolgen, welche sie zu rauben wünschen. O wie umlagern sie dieselben! Wie greifen sie dieselben an! Wie versuchen sie durch alle Mittel und Wege, dieselben in ihren Schlingen zu fangen!

Und was anderes lehren sie dich durch eben diese Hartnäckigkeit, als daß auch deine Beständigkeit und Ausdauer in der Unterstützung und Rettung dieser Seelen nicht minder groß sein müsse? „Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung“: sie darf niemals milde werden.

Ja wie oft sehen die bösen Geister klar, daß sie keinen Sieg, sondern Schimpf und Schande davontragen werden? Und nichts desto weniger machen sie doch immer wieder neue Angriffe, bereiten immer wieder neue Nachstellungen, wie sie dies bei dem frommen Dulder Job taten, bloß weil sie einige, wenn auch noch so schwache Hoffnung hatten, endlich doch einen Sieg zu erringen.

Was musst also du tun, der du so gegründete Aussicht auf den endlichen Sieg haben kannst? Wer sich deinem Zureden heute nicht ergibt, kann sich leicht morgen gewinnen lassen, und darum stehe nicht ab von deinem Bemühen: „Lasset nicht ab, Gutes zu tun.“ (2. Thess. 3, 15) Hast du nie bemerkt, wie es einem Fischer geht? Er hat vielleicht den ganzen Tag seine Netze umsonst ausgeworfen: und als er schon, an jedem Erfolge verzweifelnd, die Küsten und Riffe zu verlassen gedenkt, tut er mit dem letzten Zuge, da er es am wenigsten vermutet, den gewünschten Fang, und gewinnt die Beute, die sich ihm so oft tückisch entzogen hatte.

O wie viel erlangt eine unermüdliche Geduld! Auch hierin gab dir die heilige Jungfrau Katharina ein herrliches Beispiel bei tausend Gelegenheiten; besonders aber in ihrem Benehmen mit jenem so undankbaren, so unerträglichen Weibe, das sie so lange Zeit höchst liebevoll behandelte!

Aber es ist noch mehr zu erwägen. Die bösen Geister, wenn sie nicht den Sieg erringen, ernten Schimpf und Schande: du hingegen hast allezeit Ehre und Ruhm, auch wenn du der Verlierende bist; denn der Lohn ist nicht dem verheißen, der die Bösen wirklich bekehrt, sondern dem, der alles tut, was er für notwendig und nützlich zu ihrer Bekehrung erachtet: „Ein Jeder wird seinen Lohn je nach seiner Arbeit empfangen“, sagt der Apostel (1. Kor. 3, 8): nicht nach dem Erfolge oder nach der Frucht seiner Arbeit. Und darum rief Christus die Fischer nicht zu dem Apostelamte, während sie eben im Begriffe waren, die vollen Netze ans Ufer zu ziehen, sondern während sie dieselben ins Meer auswarfen: „Da sie die Netze auswarfen.“ (Mark 1, 16) Wie kann es dir also schwer fallen, beharrlich in deinem Eifer zu bleiben, wenn deine Beharrlichkeit immer mit Gewinn verbunden ist?

Hart ist die Eiferung zur Rettung der Seelen

4. Erwäge endlich, daß man die den bösen Geistern eigene wütende Gier, die Seelen der Menschen mit sich in das ewige Verderben zu ziehen, auch noch deshalb hart heißt, weil sie über allen Begriff unersättlich ist: „Die Hölle sagt niemals: es ist genug.“ (Prov. 30, 16) So viele Seelen sie auch erbeuten, immer möchten sie noch mehr verschlingen: was eben auch durch das Wort hart ausgedrückt wird: „Ich weiß, daß du ein harter Mann bist; du willst ernten, wo du nicht gesät hast.“ (Matth. 25, 24)

Was musst demnach du dir sagen, der du so schnell dich zufrieden stellst? Hast du eine einzige Seele zu Gott zurück geführt, so meinst du schon, ihm ein Amerika gewonnen zu haben. Du musst dich eifrig bestreben, ihm so viele, als du nur immer kannst, zu gewinnen; denn in der Menge der Untertanen besteht großenteils die Größe eines jeden Herrschers: „In der Menge des Volkes liegt die Würde des Königs.“ (Prov. 14, 28)

Wäre es also möglich, daß die Hölle ihm mehr zu rauben vermöchte, als wir ihm erwerben? „Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung.“ Kannst du ihm nicht viele durch deine Worte gewinnen, so gewinne sie ihm durch dein Beispiel, gewinne sie durch deine Bußwerke, gewinne sie durch dein Gebet, gewinne sie durch deine Tränen.

O wie viele hat ihm auf diese Weise die heilige Jungfrau Katharina gewonnen! Es ist überflüssig, dies ausführlicher hier in Erinnerung zu bringen. Lies ihre Lebensbeschreibung, und du wirst dich überzeugen, ob sie unersättlich in ihrem Eifer war. Wie viele Mittel wandte sie an, wie viele Kunstgriffe und schlaue, den weiblichen Scharfblick überbietende Erfindungen wußte sie zu diesem Zwecke zu benützen! Niemals sagte sie: es ist genug; und du begnügst dich so schnell? „Hart, wie die Hölle, ist die Eiferung.“ –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. II, S. 204 – S. 210

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