Der Spruch über die Verdammten

Das jüngste Gericht: Christus sitzt, das Kreuz hinter sich, auf dem Richterstuhl

Das Letzte Gericht

Das Gericht: Der Spruch über die Verdammten

24. November

Tunc dicet et his qui a sinistris erunt: discedite a me, maledicti, in ignem aeternum.
„Dann wird er zu Denen sprechen, die zur Linken sein werden: Weichet von mir, ihr Verfluchten! In das ewige Feuer.“ (Matth. XXV. 41)

Welch entsetzliche Verstoßung

Erwäge: wie unendlich verschieden die Worte, welche Christus zu den Verdammten bei dem letzten Gericht sprechen wird, von denen sind, die er kurz zuvor zu den Auserwählten gesprochen. Zu diesen sprach er: „Kommet!“ zu jenen aber wird er sagen: „Weichet!“ und zwar: „Weichet in das ewige Feuer!“

O welch entsetzliche Verstoßung!

Vergleiche auch hier die beiden Gegensätze, das Woher und das Wohin: von mir, – in das ewige Feuer; und du wirst fühlen, welch ein Schrecken hierin liegt. Es wäre sicher schon kein kleines Üble, fern gebannt von dem schönen Angesicht Gottes sein zu müssen; aber überdies fern gebannt zu sein, – um ewig in dem aller schmerzlichsten Feuer, das man sich vorstellen kann, und noch dazu in einem ewigen Feuer zu brennen; denke dir, was dies sein wird!

Eine zweifache Schuld lag in jeder schweren Sünde, welche die nun Gerichteten einst begingen: die Abkehr von Gott, und die Hinwendung zu den Geschöpfen. Und darum ist es gebührend, daß für jede auch nach Verdienst die Strafe folge.

Der Abkehr von Gott entspricht die Strafe des Verlustes, der Verwerfung: „Er wird die Herrlichkeit des Herrn nicht schauen“ (Is. 26,10); und um diese Strafe über die Unseligen auszusprechen, wird er sagen: „Weichet von mir!“ Denn es ist eine ganz gerechte Folge, daß Der, welcher um das Land der Verheißung sich nicht kümmerte, dann auch nicht in dasselbe gelangt: „Ich habe geschworen in meinem Zorn: sie sollen nicht eingehen in meine Ruhe.“ (Ps. 94,11)

Der Hinwendung zu den Geschöpfen dagegen entspricht die Strafe der Sinne: „Sie werden gepeinigt werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ (Apok. 20,10) Und um den Sündern diese Strafe anzukünden, wird der Herr hinzusetzen: „In das ewige Feuer.“ Denn es ist ebenfalls ganz gerecht, daß Derjenige, welcher, um seine Leidenschaft zu befriedigen, seiner Sinnlichkeit zu dienen, seinen Gelüsten zu frönen, seinem Körper zu schmeicheln, – Gottes nicht achtete, nun auch von seinen Leidenschaften, die sich zu Rachegeistern verwandelt, gequält werde, und an seinen Sinnen, an seinen Empfindungs-Werkzeugen, an seinem Leib nicht bloß das Feuer, sondern auch alle übrigen Peinen fühle, die er im entsprechenden Verhältnis zu seinen früheren Sünden im Feuer dulden muss. „Mit Maß gegen Maß, da Israel verstoßen wird, wirst du es richten“ (Is. 27,8); – mit dem rechten Maß der Strafe gegen das Maß der Schuld.

Indessen sind hier alle diese Qualen in dem Namen Feuer eingeschlossen, nicht bloß weil der Kerker, in dem die Verdammten ihre Peinen dulden müssen, ganz von Feuer sein wird: „Sie werden dieselben in den Feuerofen werfen“ (Matth. 13,42); sondern auch weil sogar alle übrigen Strafen, welche an und für sich keine Feuerqualen sind, in der Hölle vom Feuer durchdrungen sein, und eine feurige Schärfe und Wirkungskraft haben werden, um den Verdammten desto mehr wehe zu tun: „Aus Feuer werden sie kommen, und das Feuer wird sie verzehren.“ (Ezech. 15,7) Du findest da feurige Zangen, feurige Schwerter, feurige Pfeile, feurige Schlangen: kurz alles, was du in jenen schaurigen Abgründen dir denken kannst, wird wie Feuer sein, – nicht einmal den faulenden Atem ausgenommen, den die Verdammten aus ihrem Mund hauchen werden: „Euer Odem wird wie Feuer euch fressen.“ (Is. 33,11)

Und du, der du von Christus das selige „Kommet!“ hören kannst, solltest an jenem Tage lieber das schreckliche „Weichet von mir!“ hören wollen? Ach nein, nein!

Entschließe dich, dieses „Kommet!“ um jeden Preis dir zu erkaufen. O welch unendlicher Gewinn! Brächte es dir auch nichts weiter, als daß es dich dem Feuer entrisse, so könnte es nie zu teuer sein. Und doch ist dieses Feuer noch dazu ewig: „Tag und Nacht wird es nicht erlöschen, in Ewigkeit wird sein Rauch aufsteigen.“ (Is. 34,10)

Fluch statt Segen

Erwäge: wie die Auserwählten von Christus mit dem Namen „Gesegnete des Vaters“ beehrt wurden, so werden die Verworfenen mit dem Namen „Verfluchte“ aufs Fürchterlichste beschämt werden.

Jedoch findet sich in dieser Beziehung zwischen den Auserwählten und den Verdammten der besondere Unterschied, daß die Auserwählten all ihr Glück vom Vater hatten, während die Verworfenen all ihr Unheil aus sich selbst haben: „Aus dir ist dein Verderben, Israel! Nur in mir ist deine Hilfe.“ (Os. 13,9) Und darum darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn jene nicht bloß einfach Gesegnete, sondern Gesegnete des Vaters heißen, diese hingegen bloß Verfluchte genannt werden: „Weichet von mir, ihr Verfluchten! In das ewige Feuer.“

Keiner von uns allen konnte je ohne den Vater zur Erlangung des himmlischen Reiches fähig werden, und Keiner es wirklich erlangen; und darum wird Christus zu Denen, welche dasselbe sich erwarben, sprechen: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters!“ Jeder von uns aber konnte ohne den Vater sich um die Erwerbung jenes Reiches nicht kümmern; und darum wird Christus zu Denen, welche es nicht erlangten, die fürchterlichen Worte sagen: „Weichet von mir, ihr Verfluchten!“ und keineswegs auch: ihr Verfluchten meines Vaters; – nicht zwar, als ob an jenem Tage nicht auch der Fluch von Christus im Namen des Vaters ausgesprochen würde, gleichwie der Segen im Namen des Vaters ausgesprochen wird; sondern bloß, weil der Fluch dem Vater nicht zugeschrieben werden darf. Oder wo wäre der Vater, der nicht viel lieber seine Kinder segnete, als daß er ihnen fluchte? Wenn er ihnen flucht, so geschieht dies deshalb, weil sie durch ihren fortgesetzten Ungehorsam ihn dazu nötigen: „Verflucht sind, die abweichen von Deinen Geboten.“ (Ps. 118,21)

Du – was sagst du hierzu? Bedenke es wohl! Denn bei dir steht es, so lange du lebst, den Segen, welchen der Vater dir so gerne gibt, zu verdienen oder zu verwirken.

Aber erinnere dich: wenn du den Segen dir nicht erwirbst, so kannst du unmöglich dem Fluch entgehen. Das Eine oder das Andere!

Dies ist einmal das Verfahren eines Vaters: er segnet entweder die Kinder, wenn sie gut sind, – indem er sie zu seinen Erben macht; oder er flucht ihnen, wenn sie böse sind, indem er sie enterbet: „Siehe! Ich stelle vor euer Angesicht heute Segen und Fluch: Segen, wenn ihr gehorcht den Geboten des Herrn eures Gottes; Fluch, wenn ihr nicht gehorcht.“ (Deut. 11,26) einen Mittelweg gibt es hier nicht!

Unselig daher der Sohn, welcher lieber den Fluch haben will! „Er hat den Fluch geliebt, und dieser wird über ihn kommen; er wollte den Segen nicht, und entfernt wird dieser von ihm werden“ (Ps. 108,18); nicht bloß: und weichen wird dieser von ihm; sondern: entfernt wird er werden. Denn wann der Unglückliche, nachdem er seinen Irrtum erkannt, den verachteten Segen verlangen wird, wird er ihn nicht mehr einholen können: „Denn ihr sollt wissen, daß Esau, als er hernach den Segen ererben wollte, verworfen ward; denn er fand keinen Raum zur Buße mehr, obwohl er sie mit Tränen gesucht hatte.“ (Hebr. 12,17)

Die Hölle dem Teufel bereitet

Erwäge: um es noch deutlicher hervor zu heben, daß man den Fluch nicht dem Vater zuschreiben darf, wird Christus wohl, indem er zu den Auserwählten spricht, an jenem Tage sagen: „Nehmet in Besitz das Reich, das euch bereitet ist“; aber indem er über die Verworfenen das Urteil fällt, wird er nicht sprechen: Weichet von mir in das ewige Feuer, das euch bereitet ist.

Denn der Vater schuf den Himmel, bevor noch irgend Eines von seinen Kindern denselben verdient hatte; aber nicht die Hölle. Die Hölle ward von Gott erst in jenem Augenblick geschaffen, da die gegen ihn sich empörenden Engel dieselbe verdienten. Und weil sie dem zu Folge für die bösen Geister geschaffen wurde, ist sie nicht für die Menschen gemacht; und darum wird Christus, wann er über die Menschen den Spruch der Verwerfung ergehen läßt, nicht sagen: Weichet von mir, ihr Verfluchten! In das ewige Feuer, das euch bereitet ist; sondern: „das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist.“ (Matth. 25,41)

Es ist wahr: nachdem die Hölle einmal geschaffen war, hat der Vater sich ihrer eben so zur Bestrafung der Menschen, wie zuvor zur Bestrafung der bösen Geister bedient; aber es war dies nicht seine erste und ursprüngliche Absicht. Er hat die Hölle später als den Ort der Qual für die Menschen benützt, weil so viele von ihnen auch lieber dem Teufel, als Gott anhangen wollten, und es demnach gebührend war, daß sie am Ende gleichfalls zur Hölle hinab stiegen, um im Reiche dessen zu wohnen, den sie sich selbst zu ihrem König erwählt hatten.

Übrigens sage: wenn die Hölle für uns gemacht wäre, – glaubst du, daß der Vater sogar seinen eigenen göttlichen Sohn vom Himmel auf die Erde gesendet hätte, um uns auf Kosten so vielen Blutes daraus zu befreien? Sie wurde bloß für die Engel geschaffen, die gegen Gott sich empört hatten: „Weichet von mir in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist.“ Und darum siehst du, daß diesen nach der Sünde gar kein Rettungsmittel mehr von Gott gewährt wurde, wie es uns erbarmungsvoll gewährt ward.

Welch eine Schande und Bestürzung muss es deshalb für dich sein, wenn du das Reich verlierst, das für dich bereitet worden ist, und dagegen in das Feuer geworfen wirst, das nicht für dich, sondern für die bösen Geister, deine Feinde, geschaffen ward! „Ein Bruder war ich von Drachen, und ein Genosse der Straußen.“ (Job 30,29)

Die ewige Scheidung

Erwäge endlich, daß Christus zuerst die Auserwählten in sein Reich ruft, indem er spricht: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters!“ und dann die Verdammten in das ewige Feuer stoßen wird, indem er ihnen das Urteil verkündet: „Weichet von mir, ihr Verfluchten! In das ewige Feuer.“ Und dies aus drei Gründen.

Erstens um zu zeigen, wie viel lieber er uns glücklich machen, als strafen will. „Ist etwa der Tod des Gottlosen nach meinem Willen? Spricht der Herr“ (Ezech. 18,23); – und dieser Grund gibt Zeugnis von der Güte des Richters.

Zweitens um desto schneller die Gerechten zu erfreuen, und sie in Gegenwart all ihrer Feinde und Widersacher zu ehren, von welchen sie auf Erden teils verachtet und teils mißhandelt wurden: „Der, welcher gedemütigt war, wird sein in Herrlichkeit“ (Job 22,29); – und dieser Grund bezieht sich auf die hohe Würde Derer, welche zur Rechten des Richters stehen.

Drittens endlich, um die Verworfenen desto fürchterlicher zu strafen, und sie bei dem Anblick der übergroßen Herrlichkeit und des unendlichen Jubels, mit dem die Auserwählten ihr Urteil hören werden, vor Neid vergehen zu machen: „Der Sünder wird es sehen und zürnen, mit seinen Zähnen wird er knirschen und vor Gram verschmachten“ (Ps. 111,10); – und dieser Grund hat Bezug auf die Schande derer, welche zur Linken sich befinden.

Du aber wirf unterdessen bei dir selbst einen Blick auf die verschiedenen Wege, welche die Auserwählten zur höhe, die Verdammten dagegen zur Tiefe: „Diese werden eingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“ (Matth. 25,46)

Doch was sage ich? Hier darf man keine Wege sich denken. Die ewige Scheidung zwischen der unzählbaren Menge wird in einem Augenblick geschehen. Die Auserwählten, fortgerissen von der Liebe, die sie empor hebt, werden leuchtenden Flammen gleich zu ihrem Himmel hinauf fliegen; und im nämliche Augenblick wird die Erde sich öffnen, und alle Verdammten mit einem Male in ihre Abgründe hinabschlingen: – so gewaltig ist die Kraft, welche das Wort Jesu Christi hat, da er zu den Einen das „Kommet!“, zu den Anderen aber das „Weichet!“ spricht! –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. IV, S. 407 – S. 414

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