Die Hochverräter an Gottes Reich im 19. Jahrhundert
… Ich muss aber wieder nach den Vornehmen mich umsehen, weil sie eben doch viel ausrichten können, daß das Reich Gottes im Land zu Gewalt und Oberhand gelangt, oder daß es mehr und mehr versiegen geht. Es kommt also die Weltobrigkeit daran. –
Da könnte mir so einer vom Schreibfach (denn heutigen Tags wird alles mit der geduldigen Feder regiert) sagen: „Was geht mich das Reich Gottes an! Das Reich, wofür ich angestellt bin, ist von dieser Welt; für dieses Reich muss ich schreiben und Amtstag halten und Verordnungen machen.“ Wir wollen darüber nicht lange hadern, sondern ich frage nur einfach: Wessen Brot issest du? Wessen Luft atmest du? Wer hat dich aufrecht gestellt, daß du ein Mensch geworden bist? Wer hat die Umstände so geleitet, daß du ein Beamter geworden bist? Vor wem sein Gericht musst du dich stellen nach dem Tod? – Darum ist jeder Beamte, welcher sein Ansehen und Gewalt nicht anwendet, daß in seinem Bezirk Gottes Reich und Gottes Sache, das ist Tugend und wahres Christentum, aufkomme und sich verbreite – ein jeder, der sich nichts darum kümmert, der ist ein Tagdieb vor Gott, und wer dem Christentum noch hinderlich ist, der ist ein Hochverräter an Gottes Reich. Aber ich komme später noch umständlicher (=ausführlicher) an das Beamtenvolk; darum will ich sie jetzt noch ungestört an ihren papiernen Akten fortschreiben lassen…
Der Teufel kann offenbar kein Landstand (*) werden, abgesehen von vielen anderen Ursachen schon deswegen nicht, weil er keine 3000 Mark Einkommens versteuert und auch kein Weinpatent hat, und weil viele Wahlmänner nicht einmal an den Teufel glauben, obschon er sie am Seil führt. Aber der Teufel hat auf Erden seine Gesellen und Handlanger, welche gleichen Sinn haben und es machen wie der Meister, und auch den Schein von einem Engel des Lichts annehmen. Und wenn dann so einer in die Kammer zu sitzen kommt, so wird er allerlei Reden fallen lassen, die mehr und mehr das Christentum an der Wurzel zernagen, wenn man an solche Reden glaubt und darauf geht; liederliche Zeitungen breiten es dann brav aus mit vielen Lobpreisungen, damit die Menschen, welche aus Schwachköpfigkeit alles glauben, was in einem solchen Schwätzblatt steht, noch mehr betört werden.
… Ich will nicht sagen, daß alle solche Reden vom Antichrist eingegeben wurden: sie mögen zuweilen nur aus Unverstand gekommen sein. Denn darum, daß einer Landstand wird, hat er noch nicht auch den Verstand dazu, namentlich wenn er in Dingen herum schwätzt, von denen er nichts gelernt hat. Darum soll aber auch jeder, der das Recht hat, seine Stimme zur Wahl abzugeben, gewissenhaft und mit großem Bedacht wählen.
Wähle erstlich keinen Vielschwätzer, der ein langes, breites Wortgetümmel verführt; es ist oft kein anderes Absehen dabei als die Besorgnis: es könnte ihm die Weisheit wie nasses Weißzeug oder Wäsche im Kopf versporen (= verschimmeln) und Beschwernis machen, wenn er sie nicht ans Licht gäbe. –
Wähl aber auch keinen, der einen stummen Teufel hat, welcher ihm nicht zuläßt, zu reden, wie Recht und Gewissen verlangt, und der ein Stillsitzer ist aus Furcht, sei es vor den Menschenmäulern und Zeitungspapier, oder vor denen, welche einen versetzen und pensionieren können. –
Wähle auch keinen von denen, die schreien, als wolle ihnen das Herz verspringen vor Inbrunst und Liebe für den gemeinen Mann und für Freiheit und Gerechtigkeit, und die sagen: es schwelle ihnen die Brust davon; es ist ihnen gemeiniglich nur der Kopf geschwollen, und sie möchten gern die goldenen Kälber werden, vor welchen das verblendete Volk anbete, tanze und ausrufe: „Schau, Israel, das sind die Götter, welche dich aus Ägypten, dem Land der Knechtschaft und Finsternis, heraus geführt haben!“ Solche halten es oft für eine vermaledeite Bosheit und unsäglichen Landschaden, wenn nicht alle Redensarten, welche sie los gelassen haben, in der Kammer, auch abgedruckt werden, auf daß sie vollständiglich in den Bierhäusern gelesen und belobt werden. Dem Gegenpart passen sie auf seine Red, wie eine Katz auf den Vogel, aus purem Eifer für das Wohl des Volkes und überschwänglicher Patriotheit. –
Wähle auch keine solche, die wie ein Herdlein Schafe eben dem Leithammel nachrennen ohne Sinn und Gedanken. Macht der Vorhammel einen dummen oder schlechten Sprung und Satz, so macht die nachläufige Herde einen Satz von gleicher Qualität, und besinnt sich weiter nicht, weil sie im Besinnen und Denken sich wenig exerziert hat. Derartige soll man zu Haus lassen bei Frau und Kind und dem lieben Vieh, auf daß er sie redlich ernähre; und braucht so einer nicht helfen das Land mit Weisheit zu regieren. –
Wähle auch keinen, der das Landstandsein als einen Gewerbeartikel ansieht, nicht nur wegen der 10 Mark, die so ein Landstand täglich zu verzehren bekommt, sondern hauptsächlich um eine gute Anstellung oder sonst Einträgliches oder ein Bändelein ins Knopfloch zu fischen, und deshalb mit großem Eifer reden, wie es die Hohen gern hören, und den Frack hängen nach dem Wind von der Hardt her.
So könnt ich noch ein ganzes Häuflein von verschiedener Montur herzählen, wo allemal das Responsorium wäre: „Bewahre uns, o Herr!“ – Aber du könntest mir rechtmäßiger Weise zur Antwort geben: „Ja, wie kann ich denn jeden visitieren, ob er den oder jenen Schaden im Kopf, am herz, auf der Zunge oder in der Leber hat, und ob ich ihm meine Stimme geben soll?“ Dafür will ich dir eine kurze Anleitung geben.
Alle Leute, die kein Christentum haben, da sie doch darin unterrichtet sind worden, oder sich doch unterrichten könnten, die werden wohl wissen, warum sie keines haben. Es gefällt ihnen nicht, weil ihr Sinn oder Wandel mit dem Christentum zweiträchtig ist, oder weil sie so vollkommen gerechte Pharisäer sind, daß sie gar keinen Erlöser brauchen, wie der Narr auch keinen Arzt brauchen will.
Wähle daher keinen Menschen, von dem man kaum weiß, ob er Religion hat, und was er für eine hat. Denn so einer redet und bestimmt nicht, was das Gottesreich und die wahre zeitliche und ewige Wohlfahrt des Landes fördert, sondern nur was ihm Ehrfurcht oder Eigennutz oder Hass oder Parteisucht einblast, sitzt er links, oder sitzt er rechts.
Wähle einen Mann, von dem du weißt, er ist ein wahrer Christ, er hat Furcht vor Gott, ein Herz für das Volk, Erfahrung und Besonnenheit, zu wissen, wo es not tut, und Bescheidenheit, daß er sich nicht für den Gescheitesten nach unserem Herrgott ansehe. So einem kann man trauen, wenn er den Landstand-Eid schwört, den anderen nicht. Die übrigen, welche nicht so sind und oft gar zu hungrig laufen oder rennen, und für sich laufen und rennen lassen, um in das Karlsruher Himmelreich, in die Kammer, eingelassen zu werden, wie der Marder sich windet und wendet, um in den Hühnerstall zu gelangen, die können gut sein zum Schreibfach, zu Ladendienern, an die Eisenbahn oder an den Pflug (sei es hinten dran oder vornen dran); aber zu Landständen sind sie nichts nutz. Bist du auch nicht Wahlmann, so kannst du doch deine Stimme abgeben, welche Wahlmänner sein sollen; und da such dir gerade wieder solche Männer heraus, welchen selber das Aufleben der Religion und Sittlichkeit im Volk die Hauptsache ist; diese sollen dann einen Landstand wählen in Gottesfurcht und Gewissenhaftigkeit; denn die Stimme, welche man bei einer Wahl einem gibt, ist viel schwerer als ein unnützes Wort, und wird deshalb vor dem ewigen Richter einmal auch schwer zur Rechenschaft gezogen werden…
Gerade so ist es auch mit den Bürgermeistern, Gemeinderäten u. dgl., die gewählt werden sollen.
Wähl einen ernsten, gewissenhaften, christlichen Mann, der Gott mehr fürchtet als den Amtmann oder das Lärmen der Schreier, und dem nicht die Gemeinde einen Gefallen tut, wenn sie ihn wählt, sondern welcher der Gemeinde eine Wohltat erweist, wenn er es annimmt. –
Bedenke wohl, was derjenige, welchen du wählst, in seinem Amt anrichtet, daran hast du auch Schuld und Teil an der Verantwortung. Bete darum jedesmal, wenn du wählen sollst, das Vaterunser, und wenn du an die Bitte kommst: „Zukomme uns dein Reich!“ besinne dich: Wer von den Männern, die ich wählen könnte, wird am meisten dazu verhelfen, daß das Reich Gottes, das Reich der Rechtschaffenheit, der Ordnung, der Zucht, des Friedens und der Religiosität mehr komme? Und welchen dir das Gewissen eingibt, den wähle, und wäre es auch dein Feind. Über andere Menschen muss man nur solche setzen, die selber Muster und Vorbild für andere sind. –
Einer, mit dessen Christentum es nicht gut aussieht, den kannst du allenfalls zum Schweinhirt oder Gänshirt wählen oder zum Bannwart; der Schaden ist da nicht so groß – er wird aber nicht bescheidentlich genug sein, nach solchem Rang und Posten Begehr zu tragen.
Jetzt wollen wir wieder einen Schritt weiter gehen; wie soll das Reich Gottes in das Land kommen, wenn es nicht in den Häusern ist? Ja, wenn es nur in recht vielen Häusern wäre, dann wäre es auch im Land. Sieh du, der du jetzt diesen Kalender in der Hand hast, du kannst das Land freilich nicht anders machen, aber du kannst doch dein Scherflein und mehr als zwei Heller in den Gotteskasten der Welt legen, wenn du wenigstens in deinem Haus das Reich Gottes einführst… –
aus: Alban Stolz, Das Vaterunser und der unendliche Gruß, Erster Teil, 1898, S. 72 – S. 80
(*) Die politischen Vertretungen der Stände in der Zeit des Autors
Was ein Katholik wählen kann
Wenn das nichtsnutzige Wort einmal zur Rechenschaft gezogen wird, so wird noch schwerer der Wahlzettel zur Rechenschaft gezogen, wenn es auch nicht im Beichtspiegel steht; denn der Wahlzettel ist überlegt und gilt einer wichtigen Angelegenheit. Aber mancher Mann hat viel mehr Angst vor dem Bürgermeister oder seinem Minister, nämlich dem Ratschreiber, als vor Gott, dem König schreckhafter Majestät. Solche Menschen heißt man Wohldiener.
Wenn du nicht zu dieser verächtlichen Sorte gehörst, so darfst du am allerwenigsten einem abtrünnigen Katholiken, d. h. einem solchen, der offenbar das Joch der Religion abgeworfen hat, deine Stimme geben, viel lieber einem Protestanten, der Religion hat.
Ein abgelöschter, ungläubiger Katholik ist viel schlimmer als ein Heide. Ich habe schon so manchen Katholiken von dieser Sorte kennen gelernt; sie sind gebrandmarkt am Gewissen und haben ein eigenes Gift gegen ihre ehemalige Religion; es ist etwas Teufelsmäßiges in manchen von ihnen. Wenn ein solcher in eine Kammer oder in einen hohen oder niederen Rat gewählt wird, so ist ihm nicht das Wohl des Landes am wichtigsten; sondern er schwätzt und stimmt für alles, was darauf zielt, die katholische Kirche in Schaden zu bringen. Sodann schwätzt und stimmt er dafür, was dem eigenen Leib, Geschäft und Ehrgeiz zuträglich ist; sodann was dem Oberminister wohlgefällig ist oder bei den Zeitungen und Kameraden Lob einträgt. Wer solchen Leuten seine Stimme gibt, der nimmt Anteil an allem, was sie durch ihr Geschwätz anrichten. Erst kürzlich haben sie es in der badischen Kammer durchgedrückt, daß keine Missionen mehr von Ordensleuten gehalten werden dürfen. (Seit 1894 ist das Verbot wieder aufgehoben. D. H.)
Jeder ordentliche Katholik weiß, wie dies ein Leid und Schaden ist für das katholische Volk; sehr viele sind durch die Missionen wieder bessere Christen geworden, während kein Mensch, auch kein Protestant und kein Jude den geringsten Schaden davon gehabt hat. Durch dieses Verbot der Missionen ist die Brücke abgebrochen, wodurch zahllose Seelen vom Boden der Todsünde und der bevorstehenden Verdammung hinüber geführt wurden zur Bekehrung und Rettung des Seelenheiles. Haben nicht auch die Wahlmänner, welche derlei Abgeordnete gewählt und gestimmt haben, vor dem Gericht Gottes dies zu verantworten? Sie haben doch wissen können, wie ihre Auserwählten gegen alles Katholische gesinnt sind. –
aus: Alban Stolz, Wacholdergeist gegen die Grundübel der Welt, S. 71 – S. 72