Eine Geschichte über das kleine Gehirn großer Herren
Eine Schweinegeschichte
Zuerst will ich eine Schweinegeschichte erzählen. Droben im Schwarzwald sind bekanntlich auf vielen Bauernhöfen Haus, Scheuer und Stallungen mit Stroh gedeckt. Das hat den Vorteil, daß es in solchen Wohnungen viel wärmer ist im Winter und kühler bei der Sommerhitze. Aber wenn ein Brand ausbricht, dann geht es hitzig und gewaltig her; darum sucht man schnell das Vieh aus den Stallungen heraus zu bringen, damit es nicht zu früh gebraten wird. Wenn aber die Schweine aus ihrem Speisezimmer heraus getrieben werden, um sie vor dem Feuer zu retten, da zeigen diese Tiere einen absonderlichen Eigensinn. Sie kehren alsbald wieder um und rennen mitten in die Flammen hinein. Ein Schweinejüngling z. B. blinzelt in das Feuer, ringelt den Schwanz, grunzt und schlägt auf einmal einen hitzigen Galopp an, dem Feuer zu, schreit, wie eine Lokomotive pfeift, und ist verbrannt; – das Nebenschwein sieht’s und hört’s, grunzt und galoppiert auch in die Flammen hinein – und alsbald folgt das übrige Schweine-Gesindel.
Diese Geschichte wird vom Herrenvolk aufgeführt
Diese Geschichte wird gegenwärtig von dem Herrenvolk in manchen Ländern ganz gleichmäßig aufgeführt, von großen sowohl als von kleinen Herren, in Residenzen und in elenden Amtsstädtlein, wie wenn es das ganze Jahr Fastnacht wäre. Zuerst will ich ein Beispiel aus dem allerniedersten Herrenstand vorführen.
Ein Zeitungswurstler
In einem Amtsort, in dem berühmten Trompeterland, lebte vor mehreren Jahren ein Zeitungswurstler, d. h. einer, der ein Blatt druckte, das die amtlichen Anzeigen brachte, und der dann aus andern Zeitungen noch allerlei Abfälle, ganz besonders aber die stinkendsten Artikel gegen die katholische Kirche und gegen Geistliche zusammen fegte und in die papierne Wurst seines Amtsblattes hinein stopfte. Auf einmal kommt in dieser tugendhaften Zeitung eine Anzeige, daß der Inhaber des Blattes selber gestorben sei. Die Todesanzeige fing mit den Worten an: „Es hat dem Allmächtigen gefallen, unsern geliebten Vater usw.“ Hinten nach stellte sich heraus, daß der Mann allerdings tot und begraben war; allein daß es keinesfalls dem Allmächtigen gefallen hatte, diesen Mann in ein besseres Jenseits zu rufen. Jener Zeitungswurstler hatte sich nämlich gehenkt und die Angehörigen suchten es zu vertuschen. – Warum hat er sich gehenkt? „Er hat geerntet, was er gesät hat.“ Sein leibeigener Sohn nämlich hat sich alles wohl zu Herzen genommen, was der Vater in seiner Zeitung jede Woche gepredigt hat; er ist davon so aufgeklärt worden, daß er weder nach Gott noch nach seinem Vater mehr etwas gefragt, grundliederlich geworden ist und dem Vater so viel Verdruss gemacht hat, daß dieser zuletzt sich gar nicht mehr zu helfen wußte, aber nicht etwa den Sohn, sondern sic selber gestraft hat mit dem Strick. –
Hernach hat ein anderer die Zeitung übernommen und wurstelt in ganz gleicher Art, wie sein eigenhändig gehenkter Vorfahre. Er weiß, wie dieser durch seine Gewissenlosigkeit sich in unerträglichen Familienjammer gebracht hat, wie er dann in Selbstmord gerennt ist. Statt zurück zu weichen, so rennt er ihm nach und mit ihm noch eine ganze Herde solcher Amtsblättle-Schreiber. Sie machen es wie die Schweine, wenn der Bauernhof in Flammen steht. Verzieren jene Religionsfeinde ihren Hals am End auch nicht mit einem Strick, so rennen sie doch in jenes ewige Feuer, welches denen verheißen ist, welche Ärgernis geben.
Das Beispiel der großen Herren in Frankreich
Gerade so machen es aber auch viel größere Herren, nämlich solche, die ihre von Gott verliehene Gewalt zum Schaden des Volkes missbrauchen und oft an ihm herum regieren, wie ein betrunkener Kutscher an den Pferden herum zerrt und weniger Vernunft zeigt als seine Pferde. Sehen wir einmal Frankreich an. Da sind schon seit langen Jahren von der Regierung die Feiertage abgeschafft worden, am Sonntag darf alles getrieben werden wie am gemeinsten Werktag. In Zeitungen, Romanen, Theatern wurde die wüsteste Liederlichkeit gepredigt; Soldaten und Stadtmänner, die noch ein wenig Hausreligion hatten, getrauten sich in manchen Orten nicht, am Sonntag in die Kirche zu gehen und an Ostern zu den heiligen Sakramenten – sie fürchteten den Spott und Hohn der andern. Am Karfreitag 1869 und 1870 wurde in Paris ein großes Gastmahl mit Fleischspeisen gehalten, um die katholische Kirche zu verhöhnen, und ein Kruzifix auf den Tisch gestellt, um Christus zu lästern. Es war diesen Fleisch fressenden Parisern ordentlich leid, daß sie nicht bei der Anspeiung und Kreuzigung Christi haben mitmachen können. Hernach kam der Krieg. Es ist eine fürchterliche Demütigung und Strafe über dieses Franzosenvolk gekommen, indem alle Monate, ja fast jede Woche immer wieder eine neue Niederlage, Fluch und Schmach und Ratlosigkeit wie Hagelwetter über sie kam. (1) –
Selbst der König von Preußen hat, wie einst der römische Feldherr Titus bei der Zerstörung Jerusalems, es richtig ausgesprochen: Da sei Gottes Hand im Spiel. Gott wolle zu ihrem Heil und ihrer Umkehr die Franzosen züchtigen. –
Aber es hat vorerst nicht gelangt. Sie sind größtenteils nicht zur Einsicht gekommen, woher die Strafe und was Gott damit gewollt hat; es ist ihnen gegangen wie dem Pharao und seinem Zigeunervolk. Es musste noch ärger kommen.
Die Pariser Commune
Endlich ist der Dampfkessel aller angesammelten Ruchlosigkeit und Verteufelung zersprungen und hat Mord und Brand wie eine Bombe aus der Hölle über Paris, das neue Babylon, ausgespritzt. Während die Preußen um die weitläufige Stadt herum gelagert waren und mit den neuen Regierern Frankreichs verhandelten, um dem schrecklichen Krieg ein Ende zu machen – da hat das Gesindel in Paris gesagt: „Nix Frieden; wir fangen jetzt erst recht Krieg an mit den Herrschaften“; und haben dann ein Leben verführt, wie wenn alle Teufel der Hölle blaue Hemden angezogen und Flinten und Pistolen in die Klauen genommen hätten. Sie ermordeten den Erzbischof, eine ganze Schar Geistlicher, Generäle, Beamten, Schandarmen, gefangene Soldaten – raubten die heiligen Gefäße in den Kirchen, warfen die heiligen Hostien auf die Straße und plünderten Paläste. Und da endlich die französischen Regierungstruppen allmählich Meister wurden, so zündeten jene Paläste und Kirchen an, indem sie ohmweis Petroleum hinein gossen und es in Brand steckten. So brannten sie von den allerschönsten, berühmtesten Gebäuden der Stadt zusammen, bloß um recht satanisch mit Mord, Feuer und Schrecken in die Hölle zu fahren! Wer hat die größte Schuld? Die Herren! Die Herren haben Geld, Gewalt und Dreinreden; statt solches anzuwenden, um dem armen Mann aufzubessern an Leib und Seele, haben sie das Gegenteil getan. Sie haben im Angesicht der armen Arbeiter ein üppiges Prasserleben geführt; …
Sodann haben die Regierer, die Einrichtungen, die Zeitungen dafür gesorgt, daß den armen Leuten auch noch das Christentum abgezapft wurde oder bei ihnen gar nicht aufkommen konnte – so hat denn der arme Mann einen stillen Grimm gesammelt, der Teufel hat in dem gottleeren Herzen ungestört geblasen und geschürt, bis es zu vollen Flammen ausgebrochen ist. Die Flammen sind zwar mit Blut gelöscht worden – aber auch jetzt noch fürchten die Franzosen viel mehr die Roten im blauen Hemd als die preußischen Pickelhauben.
Gott hat ein feuriges Zeichen gegeben
Gott hat mit dieser Geschichte für alle Länder in Europa ein großes feuriges Zeichen, eine Lehre mit Flammenschrift gegeben, allen denen, welche Gewalt haben über andere – nämlich die Lehre: „Nehmt dem Volk nicht sein Christentum, das ist sein einziges Goldstück und auch sein letzter Heller. Wenn die Armen Gott nicht mehr fürchten, so werden sie euch selber anpacken und wie Ungeziefer zertreten, sobald sie euch unter die Füße bekommen.“ Allein, was hat diese Lehre geholfen? Viele Herren machen es auch jetzt noch gerade wie die Schweine im Schwarzwald. Statt nachdenklich zu werden, statt einzusehen, daß gar nicht zu helfen ist, als wenn Herren und geringe Leute miteinander gute Christen werden, so wird darauf losgehämmert, um den Rest des Christentums dem Volk auszutreiben. Einer Menge von Freimaurern, national-wütigen Abgeordneten, amtlichen Zeitungsratten, hohen und niederen Schreibern, Mastbürgern und ähnlichem Herrenvolk ist es die wichtigste Herzensangelegenheit, die Diener der katholischen Kirche, die Geistlichen, um Achtung und Wirksamkeit zu bringen und auf diese Art die Religiosität beim Volk auszulöschen. –
(1) Wer die Zeitungsblätter aus dem Kriegsjahr 1870-1871 nachschlägt, den Kalender aus jener Zeit daneben legt und die Tage vergleicht, der wird leicht heraus bringen, wie die Franzosen am ärgsten und schier regelmäßig geschlagen worden sind an Sonntagen und abgeschafften Feiertagen. Diese Tatsache ist ganz verwunderlich, aber richtig. Der Herausgeber. –
aus: Alban Stolz, Wacholdergeist gegen die Grundübel der Welt, 1899, S. 37 – S. 42