Heiligenkalender
10. April
Der selige Antonius von Rivoli, Märtyrer
(Der Bußgeist)
Was hier erzählt wird, ist geschehen in Tunis, einer Türkenstadt in Afrika, und ist von einem Mönch aufgeschrieben worden, welcher dazumal auch in Tunis gefangen und selbst Zeuge von Allem war.
Antonius von Rivoli kommt in mohammedanische Gefangenschaft
„Ein gewisser Bruder Antonius von Rivoli, welcher in früheren Jahren zu Florenz in den Dominikanerorden eingetreten war, wurde auf der Überfahrt von Sizilien nach Neapel von den Seeräubern gefangen und mit den übrigen Christen, welche auf dem Schiff waren, den Strick um den Hals, nach Tunis gebracht, am 9. August des Jahres 1468. – Nachdem man sie, wie dort gebräuchlich ist, auf den öffentlichen Plätzen der Stadt zum Schauspiel für die Türken herum geführt hatte, wurde Antonius mit seinen Genossen in das allgemeine Gefängnis eingetan. Sobald ich konnte, habe ich den Bruder Anton besucht, ihm zugesprochen und seiner Dürftigkeit so gut ich konnte abgeholfen. Da er im nämlichen Kerker war, so bin ich viel mit ihm in liebreichem Verkehr umgegangen. Er schien mir wohl gesittet zu sein, wie es einem Ordensmann geziemt: nur habe ich gemeint, es fehle ihm doch an einer Hauptsache, nämlich an der Geduld; er schien gar unleidig über seine Gefangenschaft zu sein.
Anton gab sich Mühe freien Ausgang zu bekommen, was der dortige Sultan gegen Bürgschaft den Gefangenen sonst erlaubte. Als er durch Hilfe eines christlichen Geschäftsträgers erreicht hatte, daß er aus dem Kerker entlassen in der Stadt wohnen durfte, so bekam er von den dortigen Handelsleuten christlicher Nationen so viel Unterstützung, daß er anständig als geistlicher leben konnte. Allein Anton zeigte sich fortwährend ungeduldig und wollte sich nicht in sein Los schicken. Auf diese Weise verflossen einige Monate.
Antonius wird Mohammedaner
Da geschah es am 6. April, sei es durch Versuchung des Teufels, sei es durch eigenen Unglauben und Treulosigkeit, Anton verleugnete in Gegenwart des Sultans den glorreichen Namen Christi und den heiligen katholischen apostolischen Glauben. Wie ein Mohammedaner und grimmiger Feind des christlichen Namens schimpfte er vier Monate lang öffentlich über unsern christlichen Glauben, und erhob mit seinen Lobsprüchen bis zum Himmel die falsche Religion des Mohammed. Während dieser zeit fing er auch an den Koran ins Italienische zu übersetzen mit Hilfe eines Menschen, welcher beide Sprachen gut verstand. In diesem Buch (dem Koran (steht Alles, was zu jenem heillosen Aberglauben gehört; da aber Anton nichts Vernünftiges, sondern nur Fabeln und Unsinn darin fand, kam er allmählich zu sich. Er erkannte seinen Irrtum und seine Sünde; die Gnade des lebendigen und wahren Gottes, welcher keinen reuigen Sünder zurück stößt, half ihm zur wahren Bekehrung, daß er gleich dem Apostel Paulus, dem einstmaligen Verfolger des Glaubens, den Kelch des Leidens zu trinken beschloss. Vor Allem schickte er das Weib fort, das er sich genommen hatte, und betete täglich wieder das Brevier und verrichtete alle religiösen Übungen, jedoch nur heimlich. Denn er hatte den Entschluss gefaßt abzuwarten, bis der König wieder in der Stadt zurück gekehrt sei; da er vor ihm den christlichen Glauben abgeworfen hatte, so wollte er auch öffentlich vor dem König wieder seine Rückkehr zum Glauben erklären; zugleich wünschte er es an demselben Tag zu tun, an welchem sein Abfall das Jahr vorher geschehen war.
Antonius bereut seinen Abfall
Und sieh` da, der König langte an. Der gute Streiter Christi legte sogleich alle Waffen an, welche zum Sieg notwendig sind. Er empfing die heiligen Sakramente; hierauf sprach er einiges Wenige, um seinen Abscheu gegen die mohammedanische Religion und seine Verehrung gegen unsern heiligen Glauben auszudrücken; aber dieses sprach er mit großem Ernst vor allen Christen, welche an jenem Palmsonntag in der Kirche versammelt waren. Nachdem er wieder ein Ordenskleid angezogen und sich nach Mönchsart den Kopf rasieren hatte lassen, ging er ganz freudig fort und eilte an den Ort, wo er den König treffen musste, um dort mit der Todesstrafe seine Verirrung zu büßen, und Jesum Christum, den wahren Gott und Menschen welchen er durch Worte und Blut (die Türken werden beschnitten) öffentlich verleugnet hatte, auch öffentlich durch Wort und Blut zu bekennen.
O wunderbare Güte Gottes! O unaussprechliche Huld, die niemals ihren Dienern Hilf versagt, und zu jeder Zeit denen auftut, welche anklopfen! Jener treue Diener Gottes wußte nämlich, daß er des grausamsten Todes sterben werde; dessen ungeachtet zeigte er eine solche Festigkeit und Zuversicht, wie wenn er nicht zum gewaltsamen Tod, sondern zu einer Lustbarkeit ginge, ja nicht einmal die Gesichtsfarbe änderte sich, was mir besonders merkwürdig vorkam, denn ich bin dabei gewesen und habe zugesehen.
Öffentliche Reue vor dem mohammedanischen Sultan
Er ging also in den Palast und redete den König an, welcher von einem großen Kreis Hofherren umgeben war, und bekannte mit unverzagtem Mut und heller klarer Stimme, daß er ein Christ sei, und er sei bereit für das Bekenntnis Christi zu sterben; zugleich verwünschte er seinen abscheulichen früheren Irrtum. Da der König solches hörte, bewunderte er die Standhaftigkeit und den Eifer des Menschen und fing an, ihm gütig und schmeichelhaft zuzureden, daß er zu de Glauben des Landes zurück kehren solle, sonst werde er das angenehme Leben, das er in Mohammeds Religion führen könne, mit dem herbsten Tod vertauschen müssen. – Der beharrliche Mann aber ermahnte nun selber noch den König, er möge sich auch zu Christus wenden, um dort ein ewiges Reich und Glück zu finden; es gebe keinen andern Weg zum wahren Vaterland, als den Glauben an Christus. Der König, über dergleichen Reden ganz verwirrt und von Zorn entbrannt, befahl den Antonius in den Kerker zu führen und dann vom obersten Richter aburteilen zu lassen. (Bei den Mohammedanern ist es nämlich bis auf den heutigen Tag Gesetz, daß, wer ihren Glauben verläßt, hingerichtet werde.)
Antonius wird zum Martyrium verurteilt
Wer kann es aussprechen, mit welcher Wut, mit welchem Geheul er nun ergriffen, mit wie vielen Ohrfeigen und Schlägen ins Gesicht und auf den Kopf er auf`s grausamste misshandelt wurde? Denn jeder hielt sich für um so glücklicher, je gröber und rasender er draufschlagen konnte. Doch Anton trug es mit unglaublicher Standhaftigkeit, indem er fortwährend den Namen Christi bekannte und lobte. Er wurde also in den Kerker geworfen; ich schrieb, um bei dem großen Werk mich auch ein wenig zu beteiligen, einen Trostbrief an ihn; dasselbe taten auch einige Genueser Kaufleute und schickten ihm auch allerlei Lebensmittel und Kleider; aber er nahm nur etwas Brot und Wasser, das Übrige schenkte er armen Christen und andern Gefangenen.
Den andern Tag wurde er zum Richter geführt, der ihn zuerst auch durch Schmeicheleien und Versprechungen, dann durch Drohungen eines blutigen Todes zum Abfall bewegen wollte. Allein der Streiter Christi brauchte dieselben Waffen gegen den Richter, wie früher gegen den König; deshalb ließ ihn der Richter in den Kerker zurück führen und ihm ankündigen: wenn er nicht innerhalb drei Tagen sich zum Namen des Mohammed öffentlich bekenne, so müsse er eines gräßlichen Todes sterben. Am Gründonnerstag wurde der Schüler Christi wieder dem Richter vorgeführt, und da dieser bald merkte, all` seine Versprechungen und Drohungen seien umsonst, so sprach er das Todesurteil aus.
Der Richter gab einigen von den Henkern, welche unsere Sprache sprechen konnten und mehr Verstand zu haben schienen, heimlich den Auftrag, sie möchten jenen Menschen auf dem Gang zum Richtplatz auf jede Weise abwendig zu machen suchen, und sobald sie merkten, daß er in seinem Vorhaben wankend werde, ihn sogleich, ohne ihm etwas zu tun, zurückführen. Allein diese Henker bemühten sich vergeblich. Da sie bald am Richtplatz waren, zog Antonius seinen Rock aus, gab ihn dem Henker und sprach: „Bewahrt ihn, daß er nicht vom Blut bespritzt wird; wenn ihr ihn unverdorben den Christen gebt, so werdet ihr einen guten Preis dafür erhalten.“ Am Ort angekommen verlangte er eine Frist um zu beten; auf dem Boden kniend mit aufgehobenen Händen, gegen Sonnenaufgang gekehrt, betete er dann mit großer Inbrunst, während eine große Menge Mohammedaner zuschauten und sich verwunderten, desgleichen auch viele Christen. Da er aber im verharrte, so fingen die Henker und noch viele Mohammedaner an, zu lärmen und zu schreien und teils mit Steinen, teils mit Schwertern auf ihn einzudringen.
Steinigung und Verbrennung des Leichnams
O wunderbare und höchst denkwürdige Sache, wie gut und lieb der Herr mit seinen Dienern umgeht und sie mit Kraft ausrüstet! Niemand hat jenen vortrefflichen Mann schreien oder jammern hören, auch hat er bei den ärgsten Streichen oder Steinwürfen nie im geringsten gezuckt oder auszuweichen gesucht. Ja, er stand so unbeweglich, wie wenn er nicht nur angebunden, sondern mit Nägeln befestigt wäre, obschon er mit keiner Kette oder Seil gefesselt war, sondern ganz frei dastand. Endlich warf ihn die Gewalt und Menge der Steine zu Boden und deckte ihn ganz zu, und so gab er denn die glückselige Seele seinem Schöpfer zurück. Hierauf wurde ein großer Holzstoß zusammen geschleppt, angezündet und der Leichnam darauf gelegt, um ihn zu verbrennen. Wunderbar zusagen, aber was ich selbst gesehen habe, kann und muss ich auch öffentlich sagen: Der Leichnam lag einen langen Zeitraum zwischen den Flammen, und als man ihn heraus zog, so war auch nicht ein einziges Haar von seinem Haupt oder Bart vom Feuer versengt.“
Es gibt zweierlei Buße
Wenn man schwer gesündigt hat und durch die Gnade des barmherzigen Gottes zur Bekehrung gelangt, so fordert seine Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht nur Reue, sondern auch Buße von uns. Nun gibt es aber zweierlei Buße, solche, die wir freiwillig auf uns nehmen, und solche, die uns Gott auferlegt. Letztere besteht nämlich in jedem Kreuz und Leiden, das uns Gott sendet, wenn wir es im rechten Bußgeist ertragen, wie der Büßer Anton den Steinigungstod ertragen hat. Wenn du dein Leiden trägst mit Unzufriedenheit und Ungeduld, dann nützt es dir so wenig als die Schmerzen einem Tier nützen; wenn du aber denkst: dieses Leiden gebührt mir, weil ich Gott viel beleidigt habe; ich will es tragen, so lange Gott will, und will es mit dem leiden Christi für meine Sünden als Sühnopfer bringen – und wenn du auf diese Weise still, gern und standhaft duldest, dann ist dein Leiden ein Reinigungsfeuer. Wenn du auf diese Art recht viel im Bußgeist hier gelitten hast, so mag es nach dem Tod deiner Seele ergehen, wie es dem Leib des seligen Anton ergangen ist, daß das Feuer keine Gewalt daran ausüben kann. Hast du aber jetzt gerade kein Leiden, so werden noch kommen, und auf jeden Fall kommt das Sterben, wo der Mensch innerlich und äußerlich sehr Schweres, ja Furchtbares oft durchmachen muss. Nimm jetzt schon im Bußgeist dieses Leiden von Gott an und denk`: Herr, ich will auch das Sterben mit allen Drangsal annehmen, damit meine Sünde darin gestraft und dein Name vor den himmlischen Geistern geehrt und geheiligt werde.
Der Leichnam von Antonius wird von Genueser Handelsleuten gekauft
Nachdem die Mohammedaner den Leichnam aus den Flammen heraus gezogen hatten, ganz zerfleischt von den Steinwürfen und Schwerthieben, schleppten sie ihn zur Beschimpfung und zur Abschreckung auf alle öffentlichen Plätze der Stadt, und warfen ihn zuletzt in eine Grube voll stinkenden Unrates. Die Genueser Handelsleute aber setzten eine Summe Geldes daran ihn zu bekommen; er wurde dann zu ihrer Kirche, welche in deren Stadtviertel ist, gebracht; da nahmen sie ihn auf mit angezündeten Kerzen. Zuerst wurde der Leichnam gereinigt und mit warmem Wasser, dann mit kaltem Wasser gewaschen; alsdann verbreitete er den süßesten Wohlgeruch. Hernach wurde er in der Kirche beerdigt am Fuß des Kruzifixes, wie er zu Lebzeiten verlangt hatte.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September 1872, S. 342 – S. 347