Unterricht für den heiligen Karfreitag

Christus hängt, halb nackt und mit einer Dornenkrone "geschmückt", mit ausgebreiteten Armen am Kreuz

Goffine: Unterricht für den heiligen Karfreitag

Der Karfreitag, auch der „stille“ Freitag genannt, heißt in der Kirchensprache „Parasceve“, d. h. Vorbereitungs- oder Rüsttag; so nannten nämlich die Juden diesen Tag, weil sie an demselben Vorbereitungen trafen zu ihrem am Abend beginnenden Osterfest. Gerade zu dieser Zeit wurde das wahre Osterlamm, Jesus Christus, auf dem Kalvarienberg geschlachtet.

Was begeht demnach die Kirche am heutigen Tag?

Sie begeht den Todestag Jesu, des Eingeborenen des himmlischen Vaters und des Heilandes der Welt, welcher am Tage vor dem hohen Osterfest von den Juden dem Pontius Pilatus übergeben, von den heidnischen Soldaten aufs grausamste gegeißelt, mit Dornen gekrönt, unter Schimpf- und Spottreden mit einem schweren Kreuz beladen, auf den Kalvarienberg geführt und daselbst zwischen zwei Mördern, als wäre Er ihr Anführer, auf die schmerzlichste Weise gekreuzigt worden ist und durch dieses bittere und schmachvolle Leiden und Sterben die Erlösung des Menschengeschlechtes vollbracht hat.

Warum hat Christus durch so große Leiden uns erlösen wollen?

1) Um zu zeigen, welch ein großes Übel die Sünde sei, da Er, um für sie der göttlichen Gerechtigkeit genug zu tun, so viele und schwere Leiden erdulden musste;

2) um die Größe seiner Liebe zu den Menschen darzutun; denn je mehr man für jemand tut und leidet, desto größere Leibe beweist man gegen ihn;

3) um den Wert der Seele zu zeigen und seinen ernstlichen Willen, alle selig zu machen. Christus trägt also keine Schuld an der Verdammung des Sünders, da Er so vieles gelitten, um alle ohne Ausnahme zu erlösen und ihnen hinreichende Gnade zu erwerben.

Mit welchen Zeremonien wird der heutige Gottesdienst gefeiert, und was bedeuten sie?

1) In schwarzer Farbe, der Farbe der tiefsten Trauer, erscheint der Priester am Altar; alle Lichter sind ausgelöscht, der Altar ist entblößt, darauf steht ein verhülltes Kruzifix! Vor diesem wirft sich der Priester an den Stufen des Altares auf sein Angesicht nieder, die Altardiener tun dasselbe, ringsum herrscht lautlose Stille. Das ist das Stufengebet des Karfreitags, die tiefste Verdemütigung beim Anblick der Schmach und Vernichtung Jesu am Kreuz, der tiefste Schmerz über die Sünden, die den schmählichen Tod Jesu verursacht haben.

2) Der Priester erhebt sich, besteigt die Stufen des Altares, liest Abschnitte aus dem Propheten Oseas (6, 1-6) und dem 2. Buch Moses (12, 1-11), die zur Buße mahnen und auf die Kraft des Kreuzesopfers hindeuten, und betet, daß Gott Christi Leiden uns nicht wie dem Judas zum Fluch, sondern wie dem rechten Schächer zum Segen gereichen lasse. Hierauf wird die Leidensgeschichte unseres Herrn nach dem heiligen Evangelisten Johannes gelesen.

3) Nach Beendigung derselben werden die feierlichen Fürbitten für die Kirche und für alle Stände und Anliegen der Menschheit gesungen, denen immer ein Gebet mit Kniebeugung beigefügt ist…
Durch diese Gebete offenbart die Kirche ihre heilige Liebe zu allen Menschen und den sehnlichsten Wunsch, sie alle durch ihre Wahrheit und Gnade zu beseligen. Willst du ein treues Kind der heiligen Kirche sein, so musst auch du durchdrungen sein von dieser allumfassenden Nächstenliebe; du musst allen deinen Feinden herzlich verzeihen, und niemand darf von deiner Liebe ausgeschlossen sein…

4) Der zelebrierende Priester legt nun das Messgewand ab, nimmt das verhüllte Kreuz, entblößt es von oben herab ein wenig und singt unten neben dem Altar auf der Epistelseite stehend: „Ecce lignum crucis, in quo pependit salus mundi“ (Seht das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen.“) Der Chor antwortet: „Venite, adoremus“ (Kommt, lasset uns anbeten“), wobei alle nieder knien. An der vorderen Ecke des Altars entblößt der Priester das Haupt und den rechten Arm des Kruzifixes und singt, wie das erste Mal, aber in erhöhtem Ton. Der Chor antwortet ebenso. Endlich vor der Mitte des Altares entblößt er das Kreuz ganz und singt das Gleiche in noch höherem Tone.

Diese Entblößung und Vorstellung des Kreuzes ist ein Sinnbild, wie Christus seiner Kleider beraubt, ans Kreuz genagelt, am Kreuz erhöht und den Anwesenden sichtbar wurde. Durch das dreimalige Entblößen und Singen mit immer höherer Stimme wird die allmähliche Offenbarung des Kreuzesopfers vorgestellt. Im alten Bund war diese Offenbarung noch nicht deutlich (erste Enthüllung). Das Kreuz wird aufgepflanzt mitten in der Kirche, damit alle Völker es schauen (dritte, vollständige Enthüllung).

Betrachte, o Christ, diesen dreifachen Ruf der Kirche als eine Mahnung zur Buße. Siehe an das Kreuz, an dem das Heil der Welt gehangen hat auch für deine Sünden; darum falle nieder, um alle deine Sünden zu bereuen und deinen bösen Neigungen abzusterben.

5) Nun folgt die so ergreifende „Adoratio crucis“, die Verehrung des heiligen Kreuzes. Der Zelebrant zieht, nachdem er das enthüllte Kreuz an einen dazu bereiteten Ort gelegt hat, seine Schuhe aus (ebenso die Altardiener oder die andern Priester), kniet dreimal in verschiedenen Entfernungen vor dem Kreuz nieder und küßt dann die Wunden des Kreuzbildes. Dasselbe tun die Altardiener. Während dieser Verehrung werden vom Chor die ergreifenden Improperien (Vorwürfe) gesungen, in welchen Gott seinem Volk (den Juden) die Wohltaten vorhält, die Er ihm erwiesen, die es aber mit Undank vergolten, indem es seinem Heiland den schmerzvollsten und schmählichsten Tod bereitete. Diese ganze Zeremonie findet sich schon im fünften Jahrhundert. Der Priester zieht die Schuhe aus, zum Zeichen der Demut und Ehrfurcht, womit man dem Kreuz die Huldigung darbringen soll. Das dreimalige Niederknien erinnert an den dreimaligen Fall Jesu unter dem kreuz und an seine dreimalige Verspottung, vor den Juden, den Heiden und am Kalvarienberg.Die Improperien werden teils in lateinischer, teils in griechischer Sprache gesungen, weil unter dem Kreuz die Völker aller Zungen vereinigt sein sollen. Daß diese Verehrung nicht dem Holz, sondern Christo dargebracht wird, der am Kreuz gestorben ist, braucht wohl einem katholischen Christen nicht erst gesagt zu werden.

Befleiße dich deshalb, christliche Seele, diese Verehrung des heiligen Kreuzes, an dem dein Heiland gestorben, mit reumütigem und dankbarem Herzen vorzunehmen, und bedenke, daß die Vorwürfe des Undankes auch dir gelten, da du zwar täglich die Wohltaten Gottes genießest, aber auch täglich deine Gott und Erlöser beleidigt hast.

6) Auf die Verehrung des heiligen Kreuzes folgt die sog. „verstörte Messe“. Diesen Namen führt sie, weil sie keine wirkliche Messe, sondern nur eine Trauerzeremonie ist, verbunden mit der Kommunion des Priesters; derselbe genießt die heilige Hostie, die am Tage zuvor konsekriert und an einen eigens dazu bestimmten Ort aufbewahrt wurde. Darum heißt diese Zeremonie in der Kirchensprache „missa praesanctificatorum“, d. i. die Messe der vorher konsekrierten Hostie. Diese scheinbare Messe geschieht in folgender Weise. Der Priester holt in Prozession die heilige Hostie vom Ort der Aufbewahrung, nimmt sie aus dem Kelch, in welchem sie verschlossen war, legt sie auf den Altar, schenkt Wein ein, beräuchert den Altar, wäscht die Hände, betet einige Gebete, wie sie sonst üblich sind, singt das Pater noster, hebt dann mit einer Hand die heilige Hostie auf, um sie dem Volk zur Anbetung zu zeigen, bricht dieselbe wie gewöhnlich, betet das Kommuniongebet, kommuniziert und verläßt sodann ohne weitere Gebete den Altar. Die Kirche beschäftigt sic an diesem Tage ausschließlich mit dem blutigen Opfertod Jesu auf dem Kalvarienberg. Darum unterläßt sie die unblutige Erneuerung desselben.

7) Am Schluss dieser „verstörten Messe“ wird in einigen Gegenden das Allerheiligste in einem sog. Heiligen Grab zur Anbetung ausgestellt und bleibt dann ausgesetzt (an manchen Orten auch während der Nacht vom Karfreitag auf den Karsamstag. –
in: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 237 – S. 238

Wird heute auch die heilige Messe gefeiert?

Eine eigentliche Messe wird heute nicht gefeiert, da an diesem Tage Christus, der Herr, sich blutiger Weise aufgeopfert hat. Der Karfreitags-Gottesdienst vergegenwärtigt das Opfer Christi in dreifacher Weise: für das Ohr durch die Lesung der Gebete und Leidensgeschichte des Herrn, für das Auge durch die Zeremonien der Enthüllung des Kreuzes und Verehrung der fünf Wunden durch andächtigen Kuss, für die gläubige Andacht durch die sogenannte Karfreitags-Messe. In dieser Feier wird der Leib des Herrn, unter der Brotgestalt in der Hostie gegenwärtig, zur Verehrung empor gehoben und in der Kommunion genossen. In dieser dreifach gesteigerten Gedächtnisfeier trauert die Kirche, die Braut Christi, um ihren Bräutigam.

Warum sind beim Anfang des Gottesdienstes keine Kerzen angezündet?

Um anzudeuten, daß heute Christus, das Licht der Welt, gestorben ist.

Warum legt sich der Priester vor dem Altar auf sein Angesicht nieder?

Damit wir mit ihm uns daran erinnern sollen, daß der Sohn Gottes am Ölberg auf sein Angesicht nieder fiel und betete.

Warum werden heute zwei Lektionen auf den Büchern Moses und der Propheten gelesen?

Weil schon Moses (Buch Moses 12, 1-11) und die Propheten (Osee 6, 1-6) Zeugnis geben vom Tode Christi.

Passion oder Leidensgeschichte unseres Herrn Jesu Christi nach Johannes 18, 1-40; 19, 1-42.

Nachdem die Passion gesungen ist, betet der Priester nach dem Beispiel Christi, der am Kreuz für alle Menschen gebetet hat und gestorben ist, für alle Stände der Kirche, auch für die Ketzer, Juden und Heiden. Bei jedem Gebet beugt der Priester das Knie; wenn jedoch für die Juden gebetet wird, so beugt er das Knie nicht, weil die Juden durch ihre Kniebeugung Christus verspottet haben.
Wenn Ecce lignum crucis gesungen wird, so kniet der Chor, Christo zu danken und ihn für die erlittene Schande zu ehren. Hernach singt der Chor: Kommet und lasset uns anbeten.
Während des Singens gehe hinzu, falle auf deine Knie, bete Jesus, deinen Heiland an, küsse seine heiligen Wunden und sprich: Tausend und tausendfältig sei gelobt und geehrt, für mich gekreuzigter Jesu!
Darauf sprich folgenden Seufzer: „O Herr, alles Lob, welches Dir jetzt die Kirche gibt, spreche ich mit ihr vom Grunde meines Herzens.“

Den Tag bringe zu in andächtiger Betrachtung des gekreuzigten Heilandes.

aus: Goffine, Katholische Handpostille, 1938,  S.149 – S. 150; S. 155

Wie soll man den heiligen Karfreitag zubringen?

1, Mit stiller Trauer, strengem Fasten, fleißigem Besuch des Gottesdienstes, mit Unterlassung aller lärmenden Arbeiten.
2, Man suche den Sinn der so rührenden Zeremonien recht zu verstehen und in den Geist der heiligen Kirche einzudringen.
3, Man betrachte heute besonders das bittere Leiden und Sterben Jesu, verrichte den heiligen Kreuzweg, besuche mit Andacht das heilige Grab.
4, Besonders betrachte man den Tod Jesu, dessen Ursache unsere Sünden sind, dessen Frucht unsere Erlösung ist. Man bereue und beweine seine Sünden und opfere dem himmlischen Vater seinen Sohn zur Sühne für die eigenen und der ganzen Welt Sünden auf.-
in: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 250

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