Heiligenkalender
30. März
Der selige Amadeus IX., Herzog von Savoyen
(Heilig leben Allen möglich)
Im Jahr 1465 starb Herzog Ludwig von Savoyen; sein ältester Sohn, dreißig Jahre alt und vermählt mit Jolanda, der Schwester des Königs von Frankreich, wurde nun regierender Herzog. Er ließ die Stände des Landes zusammen rufen und in üblicher Weise sich von denselben huldigen. Was die Weltgeschichte von seiner Regierung erzählt, ist von der Art, wie es bei den meisten Fürsten damaliger Zeit vorkam; er machte Verträge und Friedensschlüsse mit benachbarten und verwandten Fürsten. Einmal war er genötigt Krieg zu führen mit dem Markgrafen von Montferrat, weil dieser seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen wollte. Ein anderes Mal reiste er nach Frankreich zu seinem Schwager, dem König Ludwig XI.; er wurde hier mit großen Ehrenbezeugungen aufgenommen, ja es wurde ihm zu Ehren allen Gefangenen in Paris die Freiheit geschenkt, wie es damals bei Besuchen von fremden Königen üblich war. Dann machte der Herzog ein Bündnis mit der Stadt Venedig, wonach beide Teile stets viertausend Reiter gerüstet halten mussten, um einander wechselseitig im Krieg Hilfe zu leisten. Indem fortwährend solche Staats-Angelegenheiten behandelt wurden, verfiel der herzog in zunehmende Kränklichkeit, so daß er die Regierung nicht wohl mehr fortführen konnte. Die Regentschaft wurde deshalb seiner Gemahlin, der Jolanda, übertragen. Allein die Brüder des Herzogs machten einen Aufstand gegen die Regentin, nahmen den Herzog gefangen, Jolanda aber flüchtete sich in eine Festung. Auf die Nachricht hiervon sendete ihr Bruder, der König von Frankreich, ihr ein Kriegsheer zu Hilfe, auch suchten die Schweizer Gesandten diese Gelegenheit zu schlichten, so daß der Landfriede gänzlich wieder hergestellt ward. Der Herzog reiste sodann nach Piemont, um zu versuchen, ob nicht eine Luftveränderung zuträglich sei, um seine zerrüttete Gesundheit wieder herzustellen. Allein es nahm damit eine schlimme Wendung, so daß er zu Vercelli an einem Karsamstag, erst 37 Jahre alt, starb. Er wurde unter den Stufen des Hauptaltares begraben, und ihm, wie es bei Fürsten üblich ist, ein Monument und Grabschrift verfertigt. Von seinen neun Kindern folgte ihm der älteste Sohn Philibert in der Regierung des Landes nach.
Viele Leute meinen, man könne nur ein Heiliger werden, wenn man in ein Kloster gehe, oder ein Einsiedler werde, oder sich wenigstens in den geistlichen Stand aufnehmen lasse; in den gewöhnlichen Lebensarten sei es nicht möglich, einen wahrhaft heiligen Wandel zu führen. Diese Ansicht ist aber nicht nur falsch, sondern auch verderblich, ja sie ist nur die Entschuldigung der Trägheit und Tugendlosigkeit. Gott will, daß jeder Mensch selig werde, folglich auch, daß jeder Mensch heilig werde. Gott will aber auch, daß verschiedene Stände und Berufsarten in der Welt seien, folglich muss man auch in jedem ehrlichen Stand heilig und selig werden können. Allerdings gibt es Lebensverhältnisse, in denen es schwerer ist gottselig zu leben, als in andern; so sagt z. B. Der Herr selbst: „Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr eingehe, als daß ein Reicher in das Himmelreich kommt.“ Allein er setzte alsbald hinzu: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Am schwersten, sollte man glauben, müsse es sein als regierender Fürst ein heiliges Leben zu führen; und dennoch kann es auch der Fürst mit der Gnade Gottes. Gerade der Herzog, dessen weltliches Leben ich hier erzählt habe, war der selige Amadeus und wird in Savoyen als Heiliger verehrt. Ich will nun auch erzählen, wie er für Gott gelebt hat, damit du daraus erkennst und Mut fassest, daß man in jedem Stand, also auch in dem deinigen, heilig werden kann, wenn man die Gnade Gottes ergreift und ihr mitwirkt.
Amadeus unternahm niemals ein Geschäft ohne vorher im Gebet Gott gleichsam um Rat gefragt zu haben; täglich hörte er die hl. Messe, und verwendete nicht nur viele zeit zur Andacht, sondern betete selbst, wenn er allein im Garten spazieren ging. Um aber mit reiner und würdiger Seele gottgefällig beten zu können, nahm er oft seine Zuflucht zur Beichte. – Ungeachtet seines hohen Ranges war an ihm nicht der geringste Hochmut zu bemerken, sondern er war freundlich und gesprächig gegen seine Untertanen. – Da sein Bruder Philipp rebellisch die Waffen gegen Amadeus ergriff, wurde er mit Hilfe des Königs von Frankreich besiegt und gefangen gesetzt. Amadeus legte aber selbst Fürbitte bei dem König ein, daß er den rebellischen Bruder wieder frei gebe, undmachte ihn sogar zum obersten Statthalter des Herzogtums. Dessen ungeachtet fing dieser undankbare und ehrgeizige Mensch später wieder Krieg gegen Amadeus an um sich der Herrschaft zu bemächtigen; statt aber der Waffengewalt mit Waffengewalt zu begegnen, so ging Amadeus zu seinem Bruder und stellte ihm in seiner sanftmütigen Weise sein Unrecht dergestalt vor, daß dieser errötete und überwunden wurde. Da die Herzogin Jolanda weniger versöhnlich war und Hilfstruppen von ihrem Bruder, dem französischen König, begehren wollte, so musste auch sie erst von dem milden Amadeus zur Versöhnlichkeit gestimmt werden. In ähnlicher Weise übte er Versöhnlichkeit, Großmut und Friedensliebe auch gegen andere Fürsten und Untertanen, wo er alle Gewalt hatte die widerfahrenen Beleidigungen zu bestrafen. – So gnädig und gut aber auch Amadeus war gegen seine Feinde, kam dieses doch nicht von Weichherzigkeit und Schwäche; sondern sobald es um das Wohl der Kirche und des Landes ging, zeigte er sich entschlossen und kräftig, und war bereit auch Krieg und Schlachten zu bestehen. –
Sein größtes Vergnügen schien zu sein den Armen wohl zu tun; er bediente sie, er gab ihnen das Essen, welches ihm selbst bestimmt war, er hatte sie gern um sich, wenn sie auch noch so zerrissen und voll Ausschlag waren. Manche sahen dieses für eine Gemeinheit an und sagten, er solle sich und seine Würde nicht so sehr wegwerfen; Amadeus erinnerte sie daran, was das Evangelium hierüber lehrt. Einmal fragte ein fremder Gesandter den Herzog, ob er viele Jagdhunde habe; der Herzog sagte, er wolle ihm den andern Tag dieselben zeigen. Als der Gesandte kam, führte ihn Amadeus in ein Zimmer, von welchem man in den Schlosshof herab sah. Dort stand ein außerordentlich langer Tisch, auf welchem die verschiedensten Speisen aufgetragen waren, woran eine Menge Armen ihre Mahlzeit hielten. Amadeus sagte: „Sieh`, mein Freund, dieses sind meine Hunde, mit welchen ich Jagd mache in diesem Leben, um den Himmel zu erjagen.“ Der Gesandte sagte unter Anderm, es gebe eben doch manche schlechte Menschen, welche sich nur arm stellen und lieber betteln als arbeiten. Amadeus erwiderte: „Ich mag solches nicht so genau untersuchen, denn wenn Gott es auch so machen und immer genau untersuchen wollte, ob wir uns nicht durch Sünden der Guttaten unwürdig gemacht haben, so müsste er auch von uns seine freigebige Hand zurück ziehen.“ –
Ein anderes Mal wurde er von dem herzog von Mailand besucht; dieser führte eine große Menge Hunde mit sich. Amadeus wollte dem Fürsten ohne Worte etwas Vernünftigeres und Christlicheres anraten; er richtete es daher ein, daß während der Herzog mit seinen Hunden bei Hof war, er (Amadeus) von einer noch größeren Menge armer Leute stets begleitet wurde. – Einst musste eine neue Abgabe dem Land auferlegt werden wegen eines dringenden Bedürfnisses im Staat. Der Herzog erfuhr, wie hart diese Auflage viele Leute ankomme. Da nahm er seine höchst kostbare Ordenskette vom Hals, und befahl diese zu Geld zu machen, und das arme Volk zu schonen.
Der Herzog wußte es überhaupt einzurichten, daß das Land nicht mit Abgaben beschwert wurde, obschon er auch für Spitäler, Kirchen und Klöster Vieles verwendete, und dabei auch in fürstlicher Pracht erschien, wo es der Anstand verlangte. Er machte nämlich desto mehr Ersparnisse an sich selbst; in Speis und Trank war er sehr genügsam, und schaffte an seinem Hof allen verschwenderischen Aufwand ab. Insbesondere sah er auch darauf, nur solche Leute bie seiner Dienerschaft zu halten, welche ebenfalls ein tugendhaftes Leben zu führen sich bestrebten. Gotteslästerer und sittenlose Menschen wurden von seinem Hof entfernt.
Gegen Schluss seiner Lebensbeschreibung heißt es von ihm: „Er war den Menschen und Gott gleichmäßig lieb, vorzüglich weil er bei seinen Tugenden auch noch die größte Sorgfalt anwendete, nach Gerechtigkeit jedem zu geben, was ihm gebührte.“ Als es mit Amadeus zum Sterben kam, und er seine letzten Anordnungen gemacht und die hl. Sakramente empfangen hatte, sprach er zu Frau und Söhnen und höchsten Beamten, welche um sein Lager standen, die letzten Worte: „Übt Gerechtigkeit und liebt die Armen, so wird euch der Herr Frieden geben an eurem Ende.“
Bei seinem Leichenbegängnis gingen die vornehmsten Herrn und Beamten in ganz geringen Bußkleidern, hingegen die Armen in schönen und neuen Kleidern; es sollte auf diese Weise die Trauer um den Tod des Fürsten und zugleich die Freude über seine unzweifelhafte Aufnahme in den Himmel angezeigt werden. – Und wie wenn Gott den Seligen besonders damit belohnen hätte wollen, was schon auf Erden seine größte Freude war, nämlich wohl zu tun, so werden eine sehr große Menge Heilungen und Hilfeleistungen erzählt, welche auf die vertrauensvolle Anrufung des seligen Amadeus geschehen sind. Es ist noch ein Gebet übrig, welches man in der Kirche zu Vercelli, wo Amadeus begraben wurde, zu beten pflegte; dort heißt es: „Allmächtiger ewiger Schöpfer, der du auf die glorreichen Bitten des seligen Amadeus, des Fürsten und Herzogs von Savoyen, die, welche zu ihm ihre Zuflucht nahmen, vor Krankheit bewahrt und Kranke geheilt hast, Gefangene aus dem Kerker befreit, Tote erweckt, Feuersbrunst gelöscht, und durch andere Wunder Stadt und Land, welches einen so großen Fürsten zu haben gewürdigt ward, erfreut hast; bewahre uns vor allen Sünden, vor Krankheit, vor zeitlichen und ewigen Übeln, und beschenke uns mit Geduld, Demut, Keuschheit, Starkmut, Besonnenheit und den übrigen Tugenden, die zu jeglichem Wohl der Seele und des Leibes notwendig sind, und mache uns durch deine Gnade teilhaftig des heiligsten Lebens Jesu Christi deines Sohnes unseres Herrn.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 446 – S. 451