Heiliger Wilhelm von Aquitanien

Christus sitzt in der Mitte, Löwe und Stier zu seinen Füßen

Heiligenkalender

28. Mai

Die heilige Wilhelm von Aquitanien Herzog und Mönch

(Klosterleben)

Am Hofe des weltberühmten Kaisers Karl des Großen lebte ein Graf Namens Wilhelm, welcher sowohl durch Größe und Schönheit des Körpers, als auch durch Tapferkeit, Tugend und Verstand sich auszeichnete. Bei dem Kaiser stand Wilhelm hoch in Ansehen; in allen wichtigen Unternehmungen wurde dessen Rat und Tat benützt.
Zu dieser Zeit brachen die Sarazenen von Spanien her über die Pyrenäen in das fränkische Reich ein, erfochten einen Sieh über die Christen und richteten große Verheerungen an. Als solches dem Kaiser gemeldet ward, hielt er Kriegsrat, wobei der Beschluss gefaßt wurde, daß Wilhelm mit einem Kriegsheer den Sarazenen entgegen ziehen solle. Der Kaiser erteilte ihm bei diesem Anlass den Titel und Rang eines Herzogs.

Wilhelm zog nun mit dem ausgerüsteten Kriegsheer gegen die Ungläubigen und lieferte denselben mehrere Schlachten, war immer siegreich und warf dieselben über die Landesgrenze zurück, so daß sie niemals wagten, wieder zu kommen. Da er vom Kaiser über das Gebiet, aus welchem er die Sarazenen vertrieben hatte, nämlich Austrasien, zum Regenten gesetzt worden war, so wollte er nun den erkämpften Frieden nicht zum Wohlleben benützen, sondern dazu, um mit großem Eifer Gott zu dienen. Vor allem sorgte er pflichtgemäß für das Wohl des Landes, insbesondere, daß überall Recht und Gerechtigkeit gehandhabt werde. Um die Orden und Klöster nahm er sich gleichsam wie ein Familienvater an, und machte denselben reichliche Schenkungen. Er wollte aber auch selbst ein Kloster stiften, und machte deshalb eine Reise, um einen geeigneten, vom Geräusch der Welt abgelegenen Ort zu finden. Zwischen hohem Gebirg fand er eine kleine Ebene mit einem Wald und Bach, rings umher von hohen Felsen wie mit einer Festungsmauer umgeben. Hier glaubte er den Ort gefunden zu haben, welchen ihm Gott auf sein anhaltendes Gebet gewiesen habe, um daselbst ein Kloster zu errichten. Mit großem Eifer ließ er deshalb den bau der Kirche und übrigen Gebäude beginnen, und nachdem das ganze Kloster erbaut war, machte er demselben große Schenkungen, so daß die Mönche, welche dasselbe bezogen, ohne Nahrungssorgen ganz dem Dienst Gottes sich widmen konnten.

Die zwei Schwestern des Herzogs waren ähnlicher Gesinnung wie ihr Bruder. Sie baten ihn um Erlaubnis ihr Leben Gott zu opfern in klösterlicher Abgeschiedenheit. Wilhelm gab hierzu um so freudiger seine Einwilligung, da er selbst mit ähnlichen Gedanken umging. Nachdem der Bau und die Einrichtung seines Klosters vollständig in Ordnung war, kehrte er zwar in seine Herrschaft zurück – aber aller Reichtum und Ruhm, aller Glanz und alles Wohlleben, die Rücksicht auf Nachkommenschaft, auf eine treue Gattin und liebe Freunde wogen ihm auf der Waage seines Herzens zu leicht gegen die Liebe Gottes. Diese war in ihm so groß, daß ihm alle Lust und alle Güter der Welt abgeschmackt vorkamen; er machte sich Vorwürfe darüber, daß er sich als berühmter Kriegsheld von seinen eigenen Schwestern habe übertreffen lassen an tapferer Entschlossenheit der Welt zu entsagen.

Während der Herzog mit solchen Gedanken umging und vor denselben keine Ruhe mehr fand, musste er an den Hof des Kaisers reisen. Hier wurde er mit großer Freude und Ehre aufgenommen, ja Karl der Große zeigte eine solche Liebe zu ihm, wie wenn Wilhelm dessen Sohn gewesen wäre. Aber auch dieses konnte ihn nicht umstimmen; mitten in der Pracht und den Freuden des kaiserlichen Hofes dachte Wilhelm daran, wie all` diese Herrlichkeit verwelken werde gleich der Blume des Feldes. Er faßte endlich ein Herz, geradezu seinem Herrn und Kaiser sein Anliegen vorzutragen und ihn zu bitten, daß er ihn aller Ämter und Würden enthebe und ihm die Erlaubnis gebe, seinen Dienst mit dem ausschließlichen Dienst Gottes zu vertauschen.

Der Kaiser war von dieser ganz unvermuteten Bitte unangenehm überrascht, doch als ein gottesfürchtiger Christ faßte er sich bald wieder und sprach: „Du hast zwar mein Herz verwundet mit deiner Bitte, dich von mir zu trennen, doch wäre es nicht recht, deinem frommen Verlangen in den Weg zu treten. Würdest du mich verlassen wollen, um einem andern Fürsten deine Dienste zu widmen, so würde ich solches als eine schwere Beleidigung aufnehmen; da du aber in den Dienst des himmlischen Königs treten willst, so darf und kann ich nichts dawider haben, nur tue mir dieses, daß du zum Andenken meiner Liebe einige Schätze annimmst, du magst sie dann deinem Kloster mitbringen und übermachen.“ Mit diesen Worten brach der sonst so majestätische Kaiser in Tränen aus, fiel seinem Freund um den Hals und weinte lange und bitterlich, wie wenn dieser jetzt gestorben wäre.

Als Wilhelm den Schmerz seines geliebten Herrn sah, musste er ebenfalls heftig weinen und sprach: „Ach, hätte ich doch die Tränen Eures erhabenen Angesichtes nicht gesehen! Dieses ist mir so unerträglich, daß, wenn ich es gewußt hätte, ich lieber ohne etwas zu sagen heimlich ins Kloster entflohen wäre. Um Christi willen, entlasset mich nicht mit traurigem Angesicht, sondern mit frohem Herzen zu unserm gemeinsamen Herrn. Was aber Euer Anerbieten betrifft, so geziemt es sich nicht, da ich jetzt der Welt entsage, irdische Schätze anzunehmen; ich habe auch selbst genug Vermögen, das ich dem Kloster mitbringen kann. Wenn es Euch aber gefällt, mir oder vielmehr Gott durch mich etwas darzubringen, so wüßte ich etwas, das ich ohne Bedenken annehmen dürfte, nämlich das Holz vom heiligen Kreuz, was Euch vor einiger Zeit der Patriarch von Jerusalem zum Geschenk gesendet hat.“ – Anfänglich hörte der Kaiser dieses Begehren ungern, bald aber nahm er sich zusammen, sagte zu und übergab das Heiligtum mit dem ganzen Schmuck von Gold und Edelsteinen, worin es aufbewahrt war.

Den Verwandten und Freunden, welche mit Bitten und zudringlichem Flehen den Herzog von seinem Vorhaben abwendig machen wollten, gab er zur Antwort: „Wenn ihr mir dafür gutstehen könntet, daß ich immer in diesem Leben bei euch bleiben kann und niemals sterben werde, dann könnte ich etwa auf euch hören: da ihr aber dieses nicht könnt, so lasset mich das Licht, die Wahrheit, den Weg und das Leben ergreifen. Wenn ich auch noch eine kleine Zeit bei euch bleiben könnte, so wißt ihr ja selbst, daß die Notwendigkeit zu sterben mich doch bald hinweg nehmen würde.“ Fest und unerschütterlich in seinem Entschluss, beschenkte Wilhelm reichlich die Kirchen, die Armen und seine Dienerschaft. Seine prächtigen Kriegswaffen opferte er aber in einer Kirche, die dem heiligen Märtyrer und Kriegsmann Julian zu Ehren erbaut war.

Als er nun an den Ort seiner Bestimmung reiste und im Tal Gellon das Kloster erblickte, dankte er Gott, grüßte das Kloster und rief den heiligen Geist an, daß er alle Bewohner des Hauses und auch ihn mit allen göttlichen Gnaden erfüllen möge. Da sich Wilhelm dem Kloster näherte, zogen ihm die Brüder mit großer Freude entgegen und führten ihn in Prozession in ihre Behausung. Hier gab er nun die förmliche Erklärung, daß er wünsche, als Mönch in ihre Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Mit Erstaunen und Freude wurde sein Begehren angenommen, und auf das Fest von Petr und Paul geschah die Einkleidung. Es war ein Schauspiel, schön vor den Engeln und Menschen, wie entschlossen der ehemalige Kriegsheld nun in einen ganz andern Dienst eintrat, nämlich „in den Dienst Jesu Christi“. Der vorher in prachtvollen Palästen und hohen Burgen als Herrscher von fürstlichem Glanz umgeben war, zog es nun vor, in dem Winkel eines abgelegenen Klosters verborgen sein Leben zuzubringen. Der vorher Gesetze gegeben, über eine zahllose Dienerschaft zu gebieten hatte, an der Spitze eines Kriegsheeres als Befehlshaber gestanden war, ließ sich nun befehlen und zurecht weisen von armen Mönchen und Klosterbrüdern. Ja, er wollte um Gottes Willen von nun an jeder Kreatur unterwürfig und dienstbar sein.

Dieser Geist der Verdemütigung und der Nachfolge Christi war aber bei Wilhelm nicht, wie es oft geschieht, nur ein Aufflackern des ersten Eifers, sondern nahm stets noch zu. Er bat manchmal den Klosterabt, daß man doch alle Rücksicht auf seinen früheren Stand gänzlich beseitigen und ihm die niedrigsten Geschäfte auftragen möge; den Klosterbrüdern aber bot er sich an, daß ihn ein Jeder von ihnen als seinen Knecht betrachten und gebrauchen möge. Dieses waren aber nicht etwa schöne Worte, sondern es war dem ehemaligen Herzog vollständig Ernst damit. Wo Wilhelm einen Bruder eine recht niedrige, verächtliche Arbeit verrichten sah, war er alsbald dabei um mitzuhelfen oder sie ihm gar abzunehmen. Ja, er scheute sich nicht, in der Erntezeit Lasten zu tragen, die man sonst Lasttieren auflud, er, dem früher die auserlesensten Pferde und Wagen zu Gebot gestanden. Auf seine Bitte wurde ihm der Dienst des Kochs übertragen, wo er dann Holz trug, Gemüse zubereitete ans Feuer setzte, an der Tafel auftrug, die Schüsseln wusch usw. Auf diese Weise wurde er ein wahrer Jünger seines Heilandes, der nach der Fußwaschung gesprochen hat: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, daß, wie ich euch getan habe, so auch ihr tut.“

Einmal kam es vor, daß die Flamme im Ofen eilig gelöscht werden sollte, um die Speise vor dem Verbrennen zu bewahren. Wilhelm hatte aber keine Werkzeuge zur Hand, da nahm er seine Zuflucht zum Gebet, machte das Kreuz und trat auf innere Eingebung in den Ofen hinein und löschte das Feuer, ohne im Geringsten verletzt zu werden. – Durch dieses wunderbare Ereignis kam man im Kloster zur Erkenntnis, daß es nicht in der Ordnung sei, einem so heiligen Mann ferner die geringsten Arbeiten verrichten zu lassen. Deswegen wurde ihm befohlen, von nun an alle Handarbeit zu unterlassen, damit er sich ausschließlich den Übungen der Gottseligkeit hingeben könne. Wilhelm vertauschte nun die Lebensart einer Martha mit der Lebensart einer Maria. Mit einem außerordentlichen Eifer verwendete er nun all` seine Zeit dazu, durch Fasten und andere Bußübungen, durch Gebet und Betrachtung, durch öftern Empfang der hl. Sakramente vorwärts zu schreiten in aller christlichen Vollkommenheit. Den Tag seines Todes sagte er selbst voraus und forderte die jammernden Brüder auf, sie sollten nicht trauern, sondern sich mit ihm freuen, daß er glücklich das Ziel, die Türe des Himmels, erreicht habe.
Zur Stunde seines Todes sollen die Glocken des Klosters und aller Kirchen in der ganzen Gegend von selbst geläutet haben, gleichsam als hätten die Engel dadurch der Welt ihre Freude kund tun wollen, daß eine so schöne, heilige Seele in ihre Gesellschaft eingegangen und aufgenommen worden sei.

Der hl. Wilhelm ist keineswegs der einzige Fürst, welcher der Welt entsagte und in ein Kloster eingetreten ist, und dem es im Klosterleben dann wohler war, als in aller Lust und Pracht der Welt. Selbst einer der mächtigsten Kaiser auf Erden, Karl V., von dessen Reich man sagte, die Sonne gehe nie darin unter, war zuletzt all` seiner Macht und seines Reiches überdrüssig und zog sich in ein Kloster zurück…
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S.280-285

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