Heiligenkalender
28. Mai
Der heilige Augustin von Canterbury
Augustin ist einer der größten und um die Bekehrung der germanischen Völker zum Christentum verdientesten Bischöfe, weil aus England, wo er den katholischen Glauben zu herrlicher Blüte brachte, sehr viele Missionare nach Deutschland kamen. Von seiner Jugend weiß man nur, daß er in Rom studierte, im Orden des hl. Benedikt sich Gott ganz weihte, Prior des Klosters St. Andreas und vom hl. Papst Gregor dem Großen wegen seiner Wissenschaft und Frömmigkeit sehr geschätzt war.
Im Jahre 596 reiste Augustin mit vierzig Ordensgenossen nach England ab, um dort den Angelsachsen, welche wegen der wilden Unbändigkeit ihres Charakters, wegen der Rohheit ihrer Sitten verrufen waren, das Evangelium zu predigen. Angelandet auf der Insel Thanet, benachrichtigte er den König Ethelbert von Kent, daß er von Rom kommend, ihm eine frohe Botschaft bringe und ihn zum Besitz eines Reiches einlade, das niemals endigen werde. Der König, der durch seine Gemahlin Bertha, eine fränkische Prinzessin und eifrige Christin, schon einige Kenntnis von der katholischen Religion hatte, kam neugierig auf diese Insel, wollte aber die Missionare nicht in einem Hause oder Gezelt, sondern im Freien, unter einer hl. Eiche sitzend, empfangen, um von den fremden Priestern nicht etwa durch geheime Zauberkünste berückt zu werden. Augustin und seine Begleiter gingen ihm in feierlicher Prozession, mit Psalmen- und Litanei-Gesang den Schutz Gottes anrufend, entgegen. Aufmerksam hörte der König ihre Anrede und erwiderte: „Eure Worte klingen schön, und eure Versprechungen sind herrlich; allein, da sie mir neu und ungewiß sind, so kann ich ihnen nicht beistimmen, und ihretwegen dem Glauben meiner Väter nicht entsagen; weil ihr jedoch so weit hergekommen seid, um uns das zu bringen, was ihr für das Wahre und Beste haltet, so wollen wir euch gütig aufnehmen, den nötigen Lebensbedarf geben und das Predigen eurer Religion erlauben.“
Hoch erfreut über diese königliche Huld zogen die Missionare feierlich mit Lob- und Dankgebet in die Hauptstadt des Landes, Canterbury, ein, und eröffneten ihre apostolische Wirksamkeit, welche von ihrem engelgleichen Lebenswandel und von der Gnade Gottes befruchtet, wundervoll gedieh. Schon am ersten Pfingstfest empfing Ethelbert mit zehntausend Untertanen die heilige Taufe. Auf Befehl des Papstes wurde Augustin vom Erzbischof von Arles zum Bischof geweiht, und errichtete seinen Stuhl in Canterbury, wo ihm der König eine prachtvolle Kirche und ein großes Kloster erbauen half. Mit jedem Tag wuchs die Zahl der Gläubigen, namentlich wegen der weisen Schonung und Milde und wegen der großen Wunder des hl. Augustin so sehr, daß die Kräfte der Missionare den vielen Anforderungen unmöglich entsprechen konnten. Deshalb schickte ihm Papst Gregor neue Mitarbeiter und viele heilige Gefäße, Altarschmuck, kirchliche Gewänder, heilige Reliquien und Bücher, das erzbischöfliche Pallium und ein denkwürdiges Schreiben, worin besonders folgende Stellen seine Weisheit und väterliche Obsorge bekunden: „Die alten Göttertempel sollen nicht zerstört, sondern nach Vernichtung der Götzenbilder mit Weihwasser besprengt und mit Altären geziert werden. Denn sind diese Tempel gut gebaut, so muss man sie in Bethäuser des wahren Gottes umschaffen, damit das Volk, die Erhaltung seiner Tempel sehend, von ganzem Herzen seinen Irrtum ablege und die gewohnten Orte desto lieber besuche. Und weil bei den heidnischen Opfern viele Ochsen geschlachtet zu werden pflegen, so soll auch dieser Brauch eine christliche Umgestaltung dadurch erhalten, daß sich die Gläubigen am Kirchweihfest oder an den Gedächtnistagen (Patrozinien) der heiligen Märtyrer, um die Kirchen, wo ihre Reliquien nieder gelegt sind, Zelte aus Baumzweigen aufschlagen und darin Dankmahlzeiten zum Lobe Gottes feiern mögen, damit sie durch diese äußerlichen und sinnlichen Freuden desto leichter für die inneren gewonnen werden. Denn unmöglich ist`s, schwierigen Geistern Alles auf einmal zu nehmen, und wer einen hoch gelegenen Ort erklimmen will, gelangt nicht durch Sprünge auf den Gipfel.“ Für den geliebten Augustin fügte er bei: „Hüte dich, daß nicht wegen der Wunder und himmlischen Gaben, welche Gott vor dem auserwählten Volk glänzen läßt, Stolz und eitle Ruhmbegierde dich beschleiche. Wenn deine äußerlichen Werke groß sind, so richte dich selbst innerlich, habe stets deine Fehler vor Augen, damit das Andenken an deine Mängel die Regungen des Stolzes ersticke, welche in deinem Herzen aufsteigen möchten. Sei immer überzeugt, daß die Wundergabe, die du empfangen hast, eine Gnade ist – nicht für dich, sondern für jene, deren Heil Gott beabsichtigt.“
Unter den neu angekommenen Ordensbrüdern wurden Mellitus, Justus Paulinus ud Resinian sehr berühmt und leuchteten durch große Heiligkeit auf bischöflichen Stühlen. Die Bekehrung des ganzen Volkes war bald vollendet und ein blühender Zustand der Kirche Englands erzielt.
Weniger glücklich war Augustin bei den alten christlichen Briten, welche von den im Jahre 454 eingewanderten Sachsen besiegt, in den gebirgigen Westen zurück gedrängt, doch ihre Unabhängigkeit behaupteten. Sie haßten ihre Sieger und waren durch ihre entartete Geistlichkeit und noch mehr durch die Ketzerei des Pelagius entsittlicht. Er brachte wohl mit Hilfe des Königs eine Zusammenkunft mit den britischen Bischöfen und Lehrern zu Stande, gab sich alle Mühe, sie zur Einheit mit der heiligen Kirche und dem Papst zu bringen; allein ihre Hartnäckigkeit, mit der sie an dem Althergebrachten hingen, und ihr hochmütiger Haß erwies sich als unüberwindlich. Deshalb wendete der Heilige wieder seine volle Tätigkeit den neubekehrten Sachsen zu, um durch weise Vorkehrungen, Stiftung neuer Bistümer, Schulen und Bildungs-Anstalten ihre Standhaftigkeit zu sichern.
Aufgezehrt von den großen Anstrengungen und vielen Abtötungen erteilte er, im Vorgefühl des nahen Todes, seinem treuen Gefährten Laurentius die bischöfliche Weihe und bestimmte ihn zu seinem Nachfolger. So vollendete er sein segensreiches Tagwerk 604, am 26. Mai, und die dankbaren Gläubigen verherrlichten die Tugenden und Verdienste ihres heiligen Vaters und besonderen Schutzpatrons durch kindliche Verehrung bis zur Reformation unter Heinrich VIII. 1534; jetzt weiß das abgefallene England nichts mehr von Dank und Liebe gegen seinen größten Wohltäter. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 441- S. 442