Heiligenkalender
28. Mai
Der heilige Germanus Bischof von Paris
Germanus ist einer der volkstümlichsten Heiligen von allen denen, die das Mönchtum der Kirche gegeben hat und auch ein bevorzugter Liebling Gottes. Schon vor der Geburt wollte ihn seine Mutter, der großen Kinderzahl überdrüssig, töten; aber Gottes Güte verhinderte vollständig die schädliche Wirkung der angewandten Mittel, und seine glückliche Geburt erfolgte 496 zu Autun in Frankreich. Frühzeitig verlor er seine reich begüterten Eltern und kam in das Haus seiner Base, wo sein Leben wieder gefährdet war. Diese hatte nämlich einen Sohn, dem sie durch eine ruchlose Tat das Vermögen des Germanus verschaffen wollte. Eines Abends bereitete sie für jeden ein Glas Wein, mischte in das eine Gift und befahl der Magd, dasselbe dem Germanus, das andere ihrem Sohn zu geben. Gottes Vorsehung aber fügte es, daß die Magd, welche von diesem Mordplan nichts wußte, die Gläser verwechselte, so daß der Sohn das Gift trank und, obschon es ihn nicht plötzlich tötete, in ein unheilbares Siechtum verfiel.
Dieser Vorfall führte den talentvollen Germanus zu seinem Vetter Scapilio, einem sehr frommen Priester, welcher mit treuer Vaterliebe seinen Geist in den Wissenschaften und sein Herz in den Tugenden zu hoher Vollkommenheit ausbildete. Germanus wählte den Ordensstand, weihte sich ganz dem Dienst Gottes im Kloster St. Symphorian, und das wohl verdiente Zutrauen seiner Mitbrüder beehrte ihn, noch sehr jung, schon mit der Abtwürde. So auf den Leuchter gestellt, strahlte weithin das Licht seiner Demut und Selbstverleugnung, seiner Gottesliebe und Freigebigkeit gegen die Armen. Während der Nacht betete er in der Kirche, und am Tage spendete er Hilfe und Wohltaten oft bis auf den letzten Bissen Brot.
Einmal wurden seine Mönche mürrisch, weil seine Barmherzigkeit den ganzen Speisevorrat verschenkt hatte. German bat nur um eine Stunde Geduld, ging in die Kirche, betete zum himmlischen Vater um Brot und – noch ehe die Stunde abgelaufen, standen zwei Lasttiere mit Lebensmitteln vor der Klosterpforte, die eine wohltätige Witwe gesendet hatte; am anderen Tag kamen neue reichliche Vorräte. Da verwandelte sich das Murren der Mönche in Lobpreisung Gottes und in ehrfurchtsvolles Zutrauen auf die Heiligkeit ihres Abtes.
Nachdem Germanus sein Kloster zur schönsten Blüte erhoben, wurde er genötigt, Bischof von Paris zu werden, welche Stadt damals in ihren Lastern untergehen zu müssen schien; aber seine Frömmigkeit und seine Aufopferung war ihr zum Heil, das Geheimnis seiner außerordentlichen Wirksamkeit lag in der Tiefe seiner Demut. Das Wort Jesu: „Wer von euch der Größere sein will, sei der Diener Aller“ (Matth. 23), belebte so ganz seinen Sinn, daß er Allen dienen wollte, um Alle für Christus zu gewinnen. Durch Herablassung und Herzensgüte gegen Jedermann bahnte er sich wirklich den Weg zu den Herzen seiner Untergebenen, die er dann durch seine geist- und salbungsvollen Predigten zur Buße und Besserung führte. Selbst König Childebert, der bisher seinem Volk schweres Ärgernis gegeben hatte und durch German`s Gebet und Handauflegung von einer unheilbaren Krankheit augenblicklich geheilt worden war, entfernte alle Ärgernisse von seinem Hof und erschöpfte seine königlichen Schätze, um durch Almosen an die Armen und Klöster und durch Stiftungen an Kirchen seine Sünden auszutilgen. Dazu fand er am hl. Germanus einen sehr bereitwilligen und treuen Verteiler seiner Gaben, dem zu Lieb er sogar seine goldenen und silbernen Tischgeschirre einschmolz und zu Almosen verwendete mit den schönen Worten: „Ich hoffe, der Himmel wird mir helfen, daß ich immer Etwas zu geben habe.“ Childebert`s Bruder und Nachfolger, König Chlothar, benahm sich anfangs stolz und geringschätzig gegen den heiligen Bischof; aber eine sehr schmerzliche Krankheit beugte seinen Stolz und zwang ihn, die Hilfe des Heiligen anzurufen. Germanus, der das Zürnen gar nicht kannte, eilte zum Kranken, legte seinen Bischofsmantel auf die schmerzenden Glieder, und das Übel wich augenblicklich. Aber auch vom Herzen des Königs wich die kalte Missachtung des großen Dieners Gottes und verwandelte sich in warme Liebe und aufrichtiges Zutrauen.
Nach Chlothar`s Tod teilten seine Söhne das Reich in vier Teile, Charibert, dem Paris zugefallen war, hatte einen wüsten Charakter, verstieß seine Gemahlin und entehrte sich und seine königliche Würde durch Ehebruch und Wollust. Germanus erschöpfte seine Milde in Bitten, Ermahnungen und Drohungen, der König möchte seine Würde und sein Reich ehren durch Beseitigung solcher Ärgernisse; aber der unzüchtige Charibert hatte kein Ohr für die Stimme des Bischofs, die Stimme Gottes. Da sprach German, Gott allein und keinen Menschen fürchtend, die große Exkommunikation über den König und seine Lastergenossen aus. Die Schuldigen verhöhnten diese Strafe der katholischen Kirche mit Spott und Trotz; aber der bald erfolgte plötzliche Tod des königlichen Ehebrechers und seiner Gehilfen überzeugte das ganze Reich, daß Gott Seiner nicht spotten läßt.
Nach Charibert`s Tod stritten seine Brüder Sigbert I. und Chilperich I. sich um Paris, und die zwei berüchtigten Königinnen Brunehild und Fredegund schürten mit teuflischer Bosheit das Feuer der Zwietracht zum blutigen und schandvollen Bruder- und Bürger-Krieg.
In dieser dunklen Zeit der entfesselten Leidenschaften leuchtete German`s Weisheit und Heiligkeit in wundervoller Größe. Er war die feste Säule des Rechts, der Trost der Leidenden, die Stütze der Bedrängten, die Zuflucht Aller. Er schrieb an Sigbert I. mit dem Eifer eines Propheten: „Wenn du mit deinem Bruder dich versöhnst, wirst du alle deine Feinde besiegen: sinnest du aber darauf, ihn zu töten, so wird die Gerechtigkeit Gottes dich ergreifen, und du wirst sterben, bevor du deinen Plan ausgeführt hast.“ – So geschah es; Königin Fredegund wußte Meuchler zu gewinnen, welche den Schwager Sigbert ermordeten.
Trotz erschöpfender Anstrengungen hatte Germanus das achtzigste Lebensjahr erreicht, als ihm der Tag des Todes geoffenbart wurde. Freudig schrieb er an die Wand seines Betstuhles: „Am 28. Mai“. Niemand wußte dies zu deuten, bis der an diesem Tag erfolgte Tod das Rätsel löste. Große Wunder verherrlichten sein Grab, und sein heiliger Leib wird in der Abtei St. Germain aufbewahrt, in einem Sarg, der aus 26 Mark Gold, 250 Mark Silber verfertigt und mit 260 Edelsteinen und 197 Perlen geziert war, den aber die Revolution 1793 beraubt und verwüstet hat. In Frankreich und den Niederlanden tragen sehr viele Altäre, Kirchen, Klöster, Städte, Schlösser und Ortschaften seinen Namen und bewahren sein Andenken. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 408 – S. 409