Heiligenkalender
14. Dezember
Der heilige Spiridion Bischof und Wundertäter
Auf der Insel Zypern wurde der wegen vieler Weissagungen und Wunder berühmte heilige Spiridion geboren. Als Knabe ward er von seinem Vater, der ein Bauersmann war, angehalten, die Schafe zu hüten. Bei diesem vor den Augen der Welt so niedrigen Geschäfte verharrte Spiridion viele Jahre lang, führte aber dabei ein sehr unschuldiges und frommes Leben. Viele Stunden brachte er mit Gebet und Betrachtung der Wahrheiten des Christentums zu, in welchem er sehr unterrichtet war. Er machte keine Gemeinschaft mit anderen seines Gleichen, welche im Reden leicht- und weltsinnig waren. Um dem Willen der Eltern nachzukommen, verehelichte er sich mit einer tugendhaften Person. Nachdem er mit dieser zwei Kinder erzeugt hatte, beobachtete er aus Liebe zu Jesus mit ihrer Einwilligung gänzliche Enthaltsamkeit und verehelichte sich nicht mehr nach ihrem frühen Tode. Zur Zeit der Verfolgung des Kaisers Maximin Daja wurde im allein deswegen, weil er ein Christ war und die Götzen nicht anbeten wollte, das rechte Auge ausgestochen, die linke Kniesehne durchschnitten; auch wurde er mit vielen anderen zum Erzgraben verurteilt.
Als er unter der Regierung des Kaisers Konstantin des Großen mit anderen von dieser schweren Arbeit befreit worden war, kehrte er wieder zum Hüten der Schafe zurück und verrichtete seine Andacht wie zuvor. Damals wollte Gott ihn durch einige Wunder bekannt machen. Einige Diebe kamen nächtlicher Weile, dem frommen Hirten einige Schafe zu stehlen, konnten aber nach vollbrachtem Diebstahl keinen Tritt von der Stelle gehen. Als der Heilige sie früh morgens also antraf, gab er ihnen einen Verweis und verrichtete für sie sein Gebet, damit sie wieder frei fortgehen konnten, und schenkte ihnen zuletzt einen Widder, die Scherzworte hinzu fügend: Er gebe ihnen denselben zur Belohnung, weil sie die Nacht hindurch seine Herde so fleißig bewacht hätten. Ein andersmal hatte ihm ein Kaufmann eine gewisse Zahl von Geisen abgekauft, zugleich aber eine mehr mit sich nehmen wollen, als er bezahlt hatte. Diese aber wollte nicht mit den übrigen fortgehen, sondern lief sogleich wieder zurück. Der Betrüger nahm sie auf die Schulter; allein die Ziege stieß und plagte ihn so lange, bis man den heiligen Spiridion herbei rief. Der Heilige sprach zu dem Kaufmann: „Mein Bruder! Die Geis weiß gar wohl, daß du sie nicht bezahlt hast; deswegen will sie nicht bei dir bleiben. Bezahle sie, so wird sie sich dir nicht mehr widersetzen.“ Der Kaufmann bezahlte die Geis, und sie ging nun ganz willig mit den anderen fort. Diese und viele andere Wunder, sowie seine große Wohltätigkeit gegen die Armen wurden allenthalben bekannt. Daher begab er sich, daß, als die Geistlichkeit mit dem Volk in der Stadt Tremithontus versammelt war, einen neuen Bischof nach dem Tode des vorigen zu erwählen, beide aus Eingebung Gottes auf einmal ausriefen, sie wollten den Spiridion zu ihrem Bischof haben. Niemand widersetzte sich dieser Wahl, als die Demut des Heiligen, welche doch endlich dem Willen Gottes weichen musste.
Gott, welcher den Kleinen (Demütigen) offenbart, was er den Weisen der Welt verbirgt, erfüllte diesen heiligen Hirten, der sich nie auf die Erlernung der Wissenschaften verlegte hatte, mit einer solchen himmlischen Weisheit, daß Bischöfe und Priester sich darüber verwunderten. Der neue Bischof versah sein Amt durch Lehre und Beispiel zur Erbauung aller. Er predigte seinen Untergebenen mit großem Eifer, besuchte und unterrichtete selbe mit unermüdlicher Liebe und Sorgfalt. Vor allem und am öftesten empfahl er ihnen, die Sünde zu meiden, oder wenn sie gesündigt hätten, sogleich zur Buße sich zu wenden. Seine bischöflichen Einkünfte verteilte er größtenteils unter die Armen. Die Gabe der Wunder, welche er schon zuvor gehabt hatte, blieb ihm auch in seiner bischöflichen Würde.
Welch großes Ansehen sich der heilige Spiridion durch seine Wunder erworben, ist leicht zu erachten. Noch größeren Ruhm brachte ihm folgende Begebenheit. Es befand sich der Heilige mit anderen Bischöfen auf der Kirchenversammlung zu Nicäa, 325, wo verschiedene Arianer und heidnische Weltweise erschienen, ihre Irrtümer zu verteidigen und die katholischen Glaubensartikel zu bestreiten. Einer aus diesen Weltweisen gab öffentlich vor, keiner aus den anwesenden Bischöfen sei imstande, ihn eines Irrtums zu überführen. Es wagten sich mehrere Bischöfe an ihn und legten ihm seine Irrtümer vor Augen; er aber suchte eine Ausflucht und gab sich nie für überwunden. Da stand der heilige Spiridion auf und sprach zu ihm: „Im Namen Jesu Christi höre mich an und höre aus meinem Munde die Wahrheit. Es ist nur Ein Gott, ein Schöpfer Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Es ist nur ein einziger eingeborener Sohn Gottes, der uns erlöst hat usw.“
Also fuhr der heilige Bischof fort, die christlichen Glaubensartikel dem Weltweisen nur aufzuzählen, ohne einzelne Beweise und Erklärung. Dann fragte er denselben: „Was dünkt dich nun? Habe ich wahr geredet oder nicht? Was hast du einzuwenden?“ Der Weltweise konnte kein Wort reden. Endlich sprach er: „Ich glaube alles, was du gesagt hast.“ – „Wenn du denn dieses alles glaubest, so komm mit mir in die Kirche“, sagte der heilige Spiridion, „und empfange die heilige Taufe.“ Einige aus den anwesenden bildeten sich ein, der Weltweise habe nur sein Gespött mit dem heiligen Manne; als sie aber merkten, daß es ihm Ernst sei, und sich darüber verwunderten, sprach der Weltweise zu ihnen: „Meine Brüder! So lange ein Mensch mein Gegner war, da wurde ich allzeit Meister. Nun aber, da die göttliche Weisheit durch seinen Diener sprach, konnte ich nicht widersprechen. Ich bin überzeugt: Gott hat durch seinen Diener geredet.“ Noch am selben Tage empfing der Weltweise die heilige Taufe und wurde aus einem Verfolger ein Verteidiger des christlichen Glaubens, aus einem Saulus ein Paulus. Die ganze Versammlung der Bischöfe dankte Gott für eine so denkwürdige Bekehrung und schätzte den heiligen Spiridion höher als zuvor.
Nach dem Tode des Kaisers Konstantin des Großen berief man ihn nach Antiochia zu dem Kaiser Konstantius, der gefährlich krank lag. Spiridion kam in seinem gewöhnlichen, sehr schlichten Anzug. Als er in den Palast gehen wollte, stieß ihn die Schildwache, welche ihn nicht kannte, zurück und gab ihm eine derbe Ohrfeige. Der Heilige erzürnte sich nicht im mindesten, sondern reichte auch die andere Wange dar; da erkannte der Soldat, daß er einen Heiligen vor sich hätte, und bereute seinen Ungestüm. Als der Heilige zu dem kranken Kaiser kam, verrichtete er ein Gebet zu Gott, und der Kaiser stand in selbem Augenblick gesund vom Bette auf. Zum Dank bot er dem Heiligen eine große Summe Geldes an. Spiridion aber schlug sie aus und gab dagegen dem Kaiser viele heilsame Ermahnungen, nach denen er künftig sein Leben einrichten sollte. Der Kaiser versprach, es zu tun und zwang den Heiligen, wenigstens einen Teil des angebotenen Geldes anzunehmen. Der Heilige verteilte es aber sogleich außer dem Palast unter die Armen und kehrte zu seinem Bistum wieder zurück, wo er noch mehrere Wunder zum Nutzen des ganzen Landes wirkte. Unter anderem ist dieses merkwürdig: Als aus Mangel an Regen eine große Teuerung und Hungersnot auf der Insel Zypern entstand, und zugleich eine pestartige Krankheit einriß, erlangte der Heilige durch sein Gebet einen lang gewünschten Regen von Gott, wodurch der Hungersnot wunderbar gesteuert wurde, und die herrschende Krankheit gänzlich aufhörte. Endlich beliebte es Gott, diesen großen Wundermann zur ewigen Belohnung im hohen Alter durch einen ganz sanften Tod abzurufen um 354. Mit dem Leben desselben endigten sich die Wunder nicht, sondern dauerten noch viele Jahre bei seinem Grabe. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 1000 – S. 1002