Heiligenkalender
17. Juli
Heiliger Alexius Bekenner
Der Senator Euphemian war sehr berühmt in Rom wegen seiner staatsmännischen Tüchtigkeit, wegen seines großen Reichtums und noch mehr wegen seiner Freigebigkeit. Täglich speiste er an drei Tischen viele Arme in seinem Hause und bediente sie selbst mit seiner Frau. Zur Belohnung für sein Gebet und Almosen schenkte ihm Gott einen Sohn, Alexius, mit den schönsten Gaben des Leibes und der Seele ausgestattet, dem er auch eine höchst sorgfältige Erziehung gab. Alexius, zum Jüngling herangewachsen, war ein Muster der Selbstverleugnung, Bescheidenheit und des Gebetseifers. Täglich las er stundenlang in der Geschichte der heiligen Märtyrer und der frommen Einsiedler in der Wüste, oft zu Tränen gerührt über ihren Heldenmut, mit dem sie aus Liebe zu Jesus Ihm Alles, Reichtum, Ehre und Ansehen und das Leben selbst geopfert haben.
Die glücklichen Eltern verlobten frühzeitig den teuren Erben ihrer zeitlichen Güter und christlichen Tugenden mit Sabina, einer mit dem Kaiser verwandten, an Leib und Seele gleich liebenswürdigen Dame und beschleunigten den Tag der Hochzeit; dieses Fest wurde glanzvoll gefeiert.
Am Abend führte Alexius seine Sabina in das von fürstlichem Prunk strahlende Brautgemach, drückte ihre Hand in die seinige und sprach zu ihr in unbeschreiblichem Tone zärtlicher Liebe und heiliger Wehmut: „Teure Freundin, sieh` hier diese zierlichen Blumen in voller Farbenpracht – morgen werden sie verwelken: sieh` diese schimmernden Lichter auf goldnen Leuchtern, – in wenigen Stunden werden sie erlöschen: den Blumen und Kerzen gleichen die sinnlichen Freuden – wir wollen deshalb klug sein und nach ewigen, unvergänglichen trachten.“ Sabina, außer sich vor Staunen, stammelte die Worte: „Gott schütze und segne dich!“ Alexius reichte ihr rasch in einem Purpurtuch seinen Fingerring und Gürtel, empfahl die nieder kniende Braut dem Himmel und verließ sie.
Eiligst nahm er Reisegeld, trat aus dem Vaterhaus in die schweigende Nacht hinaus und schiffte sich ein nach Syrien, voll des Vertrauens auf Jesu Wort: „Wer da verläßt Vater oder Mutter oder Weib … um meines Namens willen, der wird das Hundertfache zurück erhalten und das ewige Leben besitzen.“ (Matth. 19)
In Edessa angekommen verschenkte er Alles, was er noch hatte, den Armen und lebte siebzehn Jahre bei der Muttergottes-Kirche dem Gebet, der Betrachtung und der gänzlichen Abtötung.
Unbeschreiblich war der Schmerz im elterlichen Hause über die Flucht des Sohnes. Der Vater schickte nach allen Seiten Boten aus, das einzige Kind heimzuholen; aber alles Suchen blieb ohne Erfolg. Selbst bis nach Edessa kamen solche Boten. Alexius erkannte sie und hatte die Freude, aus der Hand seiner früheren Bedienten ein Almosen zu empfangen; aber sie erkannten ihn nicht. Die trauernde Familie flehte um Hilfe zum Allmächtigen durch Gebet und Almosen. In Edessa wurde des Alexius große Heiligkeit durch göttliche Fügung bekannt und ihm deshalb von den Leuten viele Ehre erwiesen. Seine Demut konnte dies nicht ertragen, er entfloh heimlich, um in Tarsus bei der St.-Pauls-Kirche seine bisherige Lebensweise fortzusetzen. Aber das Schiff, das ihn dahin bringen sollte, wurde vom Sturm verschlagen, und er musste sich darein fügen, nach Italien zu fahren und bei Rom zu landen. Den Finger Gottes erkennend entschloss er sich, im väterlichen Hause um Aufnahme zu bitten, ohne sich jemals zu erkennen zu geben, und in vollkommener Armutseine Tage zu beschließen. Als schüchterner Fremdling trat er über die Schwelle des Vaterhauses und flehte: „Um desjenigen Willen, der die Herrlichkeit des Himmels verlassen und auf Erden nicht hatte, wohin Er sein Haupt legen konnte, gebt einem ganz armen Pilger Obdach.“
Das Auge der Eltern erkannte den Sohn nicht, so sehr hatte die Strenge der Selbstverleugnung und der Leiden seine Gestalt verändert; aber doch gewährten sie mitleidig dem Bittenden ein Kämmerlein unter der Stiege zum Aufenthalt und die nötige Nahrung. Hier und in der Kirche lebte er siebzehn Jahre; Tag für Tag sah er den um den Sohn trauernden Vater; die Mutter drückte ihm mit nassen Auge gar manche milde Gabe in die Hand, daß er zu Gott bete um das Wiedersehen ihres geliebten Kindes. Öfters redete auch Sabina herablassend mit ihm; er erzählte ihr, daß er den Alexius in Syrien wohl gekannt; derselbe habe ganz arm und mühselig gelebt, oft in herzlicher Liebe der Seinigen gedacht und viel für sie gebetet, aber heimzugehen – dazu habe er keine Lust gezeigt. Wenn sie ihn um seinen Namen, Herkunft und Lebensgeschick fragten, antwortete er ausweichend, seine Heimat sei dort oben, einen Namen habe er nicht vor den Menschen, vor Gott müsse er sich erst einen erwerben.
Von den Dienstleuten hatte er Vieles zu leiden; ihr gemeiner Sinn wußte des Pilgers Tugend nicht zu würdigen; sie hielten ihn für einen Narren, verspotteten ihn und trieben bübischen Mutwillen mit ihm.
Wenige Tage vor dem Tode des hl. Alexius, während der Papst Innozenz I. in der St.-Peters-Kirche das Hochamt hielt in Gegenwart des Kaisers Honorius und des Senators Euphemian, erscholl eine Stimme: „Suchet den Heiligen Gottes und ehrt ihn, auf daß er bitte für die Wohlfahrt Roms; er wird am Freitag sterben.“
Am Freitag 17. Juli 417, erschien viel Volk in der Kirche, und eine Stimme befahl: „Suchet den Heiligen im Hause des Euphemian.“ Der Senator ahnend, daß der Pilger unter der Stiege ein Heiliger sein möchte, eilte voraus um sich auf die Ankunft des Papstes und des Kaisers vorzubereiten. An der Hauspforte meldete ihm ein Diener, daß der Sonderling unter der Stiege tot sei. Euphemian öffnete das Kämmerlein, sah einen himmlischen Glanz um das Haupt des Toten und gewahrte in der rechten Hand desselben eine Papierrolle. Sogleich trug er die heilige Leiche in den Prunksaal, legte sie auf ein Paradebett und wollte ihr das Papier abnehmen, war aber nicht dazu im Stande.
Inzwischen kam der Papst und Kaiser mit großem Gefolge. Der Papst nahm ohne Mühe die Schrift und las sie der lautlos horchenden Versammlung vor. Sie enthielt den Nachweis, daß der Verstorbene Alexius, der Sohn des Hauses sei, seine Reise und Erlebnisse, seinen Dank an die Eltern und an Sabina, wie seine Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen bei Jesus auf ewig. Der Eindruck dieser Enthüllung, daß der fremde Pilger unter der Stiege der wirkliche Sohn des vornehmen Hauses war, läßt sich nicht beschreiben und noch viel weniger die Macht der Gefühle im Herzen des Vaters, der Mutter und der Gattin, oder die Glut der Tränen, mit denen sie die teureLeiche benetzten, oder die Innigkeit der Küsse, mit denen sie dieselbe bedeckten. Der Zulauf des Volkes grenzte an das Unglaubliche, wie auch die Zahl der Wunder, die an Blinden, Tauben, allerlei Preßhaften geschahen. Rom sah selten ein so großartiges Leichenbegängnis, und die Verehrung des Heiligen verbreitete sich über die ganze Kirche.
Zur Zeit des „schwarzen Todes“ bildeten sich zum Zweck der Krankenpflege in Nord-Deutschland fromme Vereine von Männern und Frauen, welche den hl. Alexius zu ihrem Schutzpatron wählten und deshalb sich Alexianer nannten. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 536 – S. 537