Heiligenkalender
31. Mai
Heilige Petronilla Jungfrau
Die heilige Petronilla lebte in Rom, wo sie wahrscheinlich geboren wurde, und als geistliche Tochter des heiligen Apostels Petrus seinen Namen angenommen hat. So behaupten die Bollandisten und sagen: Petronilla werde auf gleiche Weise eine Tochter des heiligen Petrus genannt, wie der heilige Petrus den heiligen Markus seinen Sohn nennt, da er schreibt: „Es grüßet euch die Kirche zu Babylon, und Markus, mein Sohn“ (1. Petr. 5,13), weil nämlich dieser Markus von dem heiligen Petrus unterwiesen, getauft und durch das Evangelium Christo dem Herrn auf ein Neues, geistiger Weise wiedergeboren wurde. In diesem Sinne schreibt auch der heilige Paulus seinen Korinthern: „Durch das Evangelium habe ich euch geboren.“ (1. Kor.4,15)
Andere behaupten, Petronilla sei wirklich die Tochter des heiligen Petrus und dessen Frau, der heiligen Perpetua, welche als Märtyrerin starb, gewesen. Petronilla ward durch die Erkenntnis der Liebe Jesu zu uns Sündern, durch seine Leiden und seinen schmerzlichen Tod am Kreuze zur Genugtuung für unsere Sünden in ihrem Herzen zu einer so innigen Gegenliebe entzündet, daß sie durch das Gelübde der Keuschheit sich ihm ganz zum Opfer brachte. Man schreibt auch von ihr, daß sie mit einer langwierigen Krankheit von Gott heimgesucht worden sei. Da einige sich verwunderten, warum der heilige Petrus, der so viele Kranke gesund machte, nicht auch ihr die Gesundheit von Gott erbitte, antwortete er: „Weil ihr die Krankheit nützlicher ist, als die Gesundheit.“ Mit dieser Antwort begnügten sich die Fragenden, und die heilige Petronilla munterte sich dadurch zur Geduld auf.
Doch nach einiger Zeit verlieh Gott der Herr der so lange krank Gewesenen ihre vorige Gesundheit und Schönheit, ja sogar die Gabe, andere Kranke wieder gesund zu machen. Flaccus, ein römischer Edelmann, verlangte sich mit ihr zu verehelichen und eröffnete ihr auch sein verlangen. Daraus kann man schließen, daß sie von edlem Geschlecht abstammte. Petronilla, welche entschlossen war, lieber zu sterben, als die Gott gelobte jungfräuliche Reinigkeit zu verlieren, sagte ihm, daß sie fest entschlossen sei, sich niemals zu verehelichen; weil aber Flaccus nicht nachließ mit Schmeicheleien, Liebkosen und Versprechen, ja auch mit Drohungen in sie zu dringen, und sie fürchtete, er könne gegen sie Gewalt brauchen: so verlangte sie, er wolle ihr nur drei Tage Bedenkzeit geben. Flaccus war mit dieser Antwort zufrieden. Petronilla aber, sobald sie sich von dieser Gefahr befreit sah, wendete sich durch Gebet zu Christus, ihrem Bräutigam, demütigst bittend, er wolle sie nicht verlassen. Dieses Gebet setzte sie fort bis auf den dritten Tag. Weil sie aber gewiß hoffte, Gott sie früher aus dieser Welt zu der himmlischen Hochzeit abrufen, als zulassen, daß ihr Gelöbnis in Gefahr käme, so bereitete sie sich zum Tode durch den Empfang der heiligen Sakramente. Sie wurde in ihrer Hoffnung auch nicht getäuscht; denn nach verrichteter Andacht legte sie sich zu Bett und beendigte durch einen ganz sanften Tod ihr unschuldiges, keusches Leben. Petronilla wurde an der ardeatischen Straße begraben, wo vor Alters ein Begräbnisort und eine Kirche ihres Namens war, die so berühmt wurde, daß Papst Gregor III. dieselbe zu einer Stationskirche erhöhte. – aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 404