Selige Salome von Altaich Jungfrau

Jesus Christus mit seinen Heiligen, die ihm Verehrung zollen und ihn anbeten

Heiligenkalender

29. Juni

Die selige Salome von Altaich

(Jerusalem)

Salome war eine nahe Verwandte des Königs von England, uns ist so schön gewesen, daß der alte Verfasser ihrer Lebensgeschichte sagt, ihr Leib habe nur die einzige Unvollkommenheit gehabt, daß er sterblich gewesen, und aus der Hand des allerhöchsten Künstlers sei sie hervor gegangen gleichsam wie ein himmlisches Bild. Aber die Anmut ihres Gesichtes sei nur eine Abspiegelung ihrer schönen mit allen Tugenden geschmückten Seele gewesen. Allein da sie Gott wahrhaft über Alles liebte und aus allen Kräften, so liebte sie eben deshalb die Welt nicht, und insbesondere eine solche üppige, hoffärtige Welt, wie sie gewöhnlich an fürstlichen Höfen Höfen zu finden ist. Zugleich mag sie wohl auch erwogen haben, wie allmählich auch das frömmste Herz meistens lau und kalt wird, wenn man lange Zeit unter leichtsinnigen Weltmenschen zubringt. Der edle, wahrhaft hohe Sinn der gottseligen Jungfrau sah deshalb das, was die Welt über Alles liebt und sucht, für Unrat und Schaden an, aus dem sie sich um jeden Preis loswinden wollte. Nach manchen Erwägungen faßte sie endlich den Entschluss, heimlich Haus und Vaterland zu verlassen.
Salome hatte zwei treue Mägde, welche mit ihrer Herrin gleicher Gesinnung waren und darum gern Anteil nahmen an allen ihren guten Werken. Diese bemerkten, daß die königliche Jungfrau seit einiger Zeit ungewöhnlich nachdenklich und ernst sei. Da nun die beiden Mädchen inständig baten, Salome möge ihnen sagen, was sie auf dem herzen habe, ließ sie sich bewegen; und nachdem sie sich das feierliche Versprechen und Handschlag darauf hatte geben lassen, ihre Mitteilung zu verschweigen, sagte sie ihren vertrauten Dienerinnen ihr Vorhaben und was sie dazu bewege. Das Herz der beiden Mädchen faßte gleiche Stimmung und Entschließung, als sie ihre Herrin so innig von der Liebe Gottes und der Verachtung der Welt sprechen hörten, wie an einer Lichtflamme andere Lichter angezündet werden. Sie erklärten sich mitzugehen, und so waren sie von nun an nicht mehr Mägde, sondern Freundinnen und Schwestern der Salome. Sie verschafften sich mit einander geringe unansehnliche Kleider und so machten sie sich heimlich, um an ihrem Vorhaben nicht gehindert zu werden, auf die Reise.
Damals aber (im neunten Jahrhundert) scheint ein viel kräftigeres Geschlecht gelebt zu haben, so daß selbst Jungfrauen Dinge unternahmen, wozu in unsern Zeiten viele Männer nicht genug Mut haben. Salome machte mit ihren beiden Begleiterinnen eine Wallfahrt nach Jerusalem zum heiligen Grab. Es hat aber noch keine Zeit gegeben, wo man leichter diesen Weg machen konnte, als gegenwärtig, und dennoch hat man viele Beschwerden und manche Gefahren durchzumachen, um bis in das heilige Land zu kommen. Die Mühseligkeiten einer langen Schifffahrt, schlechtes Wetter auf dem Meer; am Land oft bei einer ganzen Tagreise durch öde, weglose Berge kein Tropfen Wasser, viel weniger eine Einkehr um etwas zu essen oder unter Dach zu übernachten. Dazu kommt noch die Plage der Hitze bei Tag, bei nacht die Kälte, die Gefahr von wilden Tieren oder Räubern u.s.w. Nun denke man sich erst die damalige Zeit und einige schutzlose Mädchen auf diesem Wege! – Dennoch überwanden sie alle Mühseligkeiten und ihre Schutzengel bewahrten sie in allen Gefahren; und so erreichten sie endlich die Spitze des letzten Berges, von wo man auf der Höhe des nächst andern Berges die Stadt Jerusalem erblickt…

In Jerusalem besuchte Salome mit ihren Begleiterinnen alle Stellen, welche durch die Gegenwart und besonders das Leiden Christi einst geheiligt wurden, und verrichteten dort ihre Andacht. Desgleichen wanderten sie auch nach Bethlehem und Nazareth, an die Orte der Verkündigung, Empfängnis und Geburt des Herrn. Weil aber daselbst ihre bleibende Stätte nicht war, so machten sie sich, nachdem sie einige Zeit der Sehnsucht ihrer Herzen Genüge getan hatten, auf die Rückreise. Salome hatte nun mit dieser Wallfahrt den Grund gelegt zu ihrem heiligen Leben; und ihre Seele sollte nun zehren und sich stärken am Andenken an die heiligen Orte ihr Leben lang.
In Jerusalem ist eine Gasse, welche man „Via dolorosa“ (Schmerzensweg) heißt, weil hier Christus sein Kreuz vom Palast des Pilatus bis zur Schädelstätte trug; gewiß hat Salome mit innigster Liebe und schmerzlicher Andacht die Stationen an diesem Weg gemacht. Aber jetzt war es ihr beschieden, noch in anderer Weise dem Herrn auf der Via dolorosa nachzufolgen; es trafen sie von nun an schwere Leiden. Schon während sie mit ihren treuen Freundinnen den Rückweg machte, widerfuhr ihr das bittere Leid, beide durch den Tod zu verlieren. Dessen ungeachtet blieb Salome ihrem Vorsatz treu, nicht mehr an den königlichen Hof nach England zurück zu kehren, sondern arm und heimatlos allein für Gott zu leben.

Salome war schon bis nach Bayern gelangt, als sie auf einem Landgut nicht weit von Regensburg Unterkunft fand. Hier war auch ein junger Mann vom Militärstand, welcher der fremden Jungfrau allerlei Schmeichelreden über ihre Schönheit sagte, wie es bei solchen Leuten gewöhnlich ist. Salome fühlte sich über das beschämt und verletzt, was einer Tochter der Welt so lieblich und süß vorkommt, nämlich über das Lob ihrer Schönheit. Sie machte sich deshalb davon, sobald sie es unbemerkt tun konnte, und als sie auf eine Wiese gekommen war, wo keine Menschen in der Nähe zu sein schienen, fiel sie auf ihre Knie und betete unter einem Strom von Tränen zu Gott, er möge ihr doch die sinnliche Schönheit hinweg nehmen, damit sie Niemanden mehr Anlass werde zu sündiger Anfechtung. Wie aber Gott oft viel mehr gibt als man bittet, so tat Gott auch dieser Jungfrau, welche schon eine solche Stufe der christlichen Vollkommenheit erreicht hatte, daß ihr das Leiden ein liebes Andenken vom Gekreuzigten war, je schwerer, desto goldener. Sie verlor das Augenlicht, und indem sie blind umher irrte, ohne zu wissen wo, stürzte sie in die Donau. Zwei Fischer bemerkten es noch zur rechten Zeit; Salome hatte schon die Besinnung verloren, als die beiden Männer sie aus dem Wasser zogen. Man trug sie an ein Feuer, bewegte sie hin und her, um sie zu sich zu bringen; endlich fachte sich der Funken des Lebens wieder an, sie warf das geschluckte Wasser aus, bekam wieder Wärme und das Leben war gerettet – aber nur, um sich in noch schwereres Leiden zu verwandeln.

Das fremde, arme, blinde Mädchen bekam auch noch die schreckliche Krankheit des Aussatzes. Noch war derselbe nicht ganz sichtbar geworden, als einige mitleidige Personen ihr dazu verhalfen, daß sie auf einem Schiff hinunter nach Passau mitgenommen und dort an das Land gesetzt wurde. Dort ging sie umher und wurde durch das Almosen einiger guter Leute eine Zeit lang erhalten.
Einst geriet Salome in das Haus einer vornehmen Frau, Namens Heika, und stieß im Vorplatz auf den Trog, wo gerade den Hunden das Fressen hingestellt war. Aber die aufgestörten Hunde taten ihr nichts, ja bellten nicht einmal; sie selbst aber erschrak, als sie durch Berührung merkte, daß sie unter die Hunde geraten sei, und rief um Hilfe. Sie wurde nun vor die Frau des Hauses geführt; diese nahm Salome gütig auf und behielt sie ungefähr drei Jahre lang bei sich.
Allein Salome benutzte die Güte der Frau Heika so wenig um sich wohl sein zu lassen, daß sie im Gegenteil ein äußerst strenges Leben führte. Jeden Abend ging sie in eine Kirche und verweilte dort im Gebet bis gegen Morgen; manchmal kam sie so erfroren nach Hause, daß ihre Wohltäterin ihr mit kaltem Wasser erst wieder die Glieder auftauen musste. Heika erzählte ihrem Verwandten, dem Abt von Altaich, welche gottselige Person sie bei sich habe. Dieser wollte ihr nun eine bleibende angemessene Stätte verschaffen und baute ihr mit Zustimmung der Brüder eine Zelle an der Wand des Chors. Dort wohnte nun Salome, nachdem sie lange in der Welt umher getrieben worden, und lebte ruhig in gottseligen Übungen und bereitete sich vor zum Übergang in die ewige Ruhe.

Kehren wir nun nach England zurück, von wo Salome sich heimlich entfernt hatte. Zuerst meinte ihr Oheim, der König, sie sei mit einem Liebhaber fort, und ließ deshalb im ganzen Land Nachforschung halten. Endlich entdeckte man ihre früher getragenen fürstlichen Kleider und faßte die richtige Vermutung, daß Salome, wie es damals nicht selten geschah, aus Religiosität in fernes Land gegangen sei. Da hatte die Tochter des Königs, Judith, keine Ruhe, bis sie ihre liebe Verwandte wieder fände. Sie nahm ein großes Gefolge mit sich, wie es bei Personen von königlichem Rang üblich, und reiste über das Meer. Nach weitem Umherreisen und langem Suchen erfuhr Judith endlich den Aufenthalt der gottseligen Salome. Mit großer Freude begrüßte sie die teure Wiedergefundene. Aber das Starke läßt sich nicht vom Schwachen überwinden, es überwindet das Schwache. Judith gedachte zuerst Salome mit sich nach England zurück zu bringen; statt dessen kam es dazu, daß Judith selbst den Abt bat, eine Zelle neben der voN Salome herstellen zu lassen, um mit ihr ein gleichförmiges Leben zu führen. Judith und Salome waren von nun an nicht mehr bloß Blutsverwandte, sondern wahre Zwillingsschwestern dem Geiste nach.
Salome hatte in ihrer Blindheit die wunderliebliche Gnade, daß sie an jedem Festtag der lieben Mutter Mutter Gottes das Gesicht wieder bekam, aber nicht um Irdisches zu sehen, sondern sie schaute da jedesmal den Herrn Jesus Christus in seiner unaussprechlichen himmlischen Schönheit. Und als sie endlich starb, da ging ihr ein ewiger Festtag auf und ein ewiges Licht. –

Ach, schon ein Menschenherz, das tausend Jahre später, als diese edle Jungfrau gelebt hat, ihr Leben liest, muss innige Liebe zu ihr fassen und ihr fast mehr die Seligkeit gönnen, als sich selber. Wie muss erst Gott, der die Liebe selber ist, dieser reinen, treuen Seele entgegen gekommen sein mit unsäglicher Huld und Freundlichkeit! Wie muss Gott selber sich gefreut haben, reich genug zu sein, all` das Elend und die Not und die schmerzvolle Treue der lieben Tochter mit großer, unendlicher Himmelsfreude übermäßig vergelten zu können! –
Öfters wurden nach dem Tode der seligen Salome, in der Zelle, wo sie gelebt hatte und auch begraben wurde, glänzende Lichter Nachts gesehen, als gingen Engel darin umher und wollten mit Licht den Ort verherrlichen, wo die blinde Jungfrau Gott gedient hatte. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S.461 – S. 468

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