Heiligenkalender
15. Oktober
Die heilige Theresia von Jesus Karmeliterin
Theresia, im Jahre 1515 zu Avila in Spanien aus vornehmen Geschlecht geboren, war unter zwölf Geschwistern die jüngste und erhielt eine streng religiöse Erziehung. Mit ihrem etwas älteren Bruder Rodrigo las sie fleißig die Legenden der Heiligen. Beide wurden von dem Heldenmut der heiligen Märtyrer und von dem Opfergeist der Einsiedler und Bekenner so sehr entflammt, daß sie in heftiger Sehnsucht, für Jesus und den katholischen Glauben ihr Leben zu opfern und die Siegeskrone des Himmels zu erringen, heimlich das elterliche Haus verließen und auf`s Geratewohl die Richtung zu den ungläubigen Sarazenen einschlugen. Doch ihr Oheim, dem sie begegneten und ihren Plan verrieten, brachte sie den Eltern zurück. Nun wollten sie Einsiedler werden und bauten sich kleine Zellen im Garten. Theresia schloß sich stundenlang darin ein und erhob ihren Geist in Gebet und Betrachtung recht oft zu solcher Andacht, daß man sie ausrufen hörte: „O Ewigkeit, wie unaussprechlich glücklich machst du den Frommen, wie namenlos unglücklich den Sünder!“ In ihrem zwölften Lebensjahr, in dem so gefährlichen Alter, wo das schwärmerische, lebensfrohe Mädchen des wachsamen Mutterauges am meisten bedurft hätte, schloß der Tod dasselbe für immer. Von Trauer und Schmerz zerrissen kniete das weinende Kind vor das Bild der hoch gebenedeiten Jungfrau und flehte: „O Maria, sei du meine Mutter allein und nimm mich als dein Kind an!“ An diese Weihe erinnerte sie sich noch im hohen Alter mit Freuden als an eine der segensreichsten Handlungen ihres ganzen Lebens; denn sie bedurfte gar sehr dieser weisen und gütigen Mutter.
Dem leidenschaftlich der Lektüre ergebenen Kinde gerieten abenteuerliche Ritter- und Liebesgeschichten in die Hände. Tag und Nacht las sie solche Bücher und erhitzte dadurch ihre Phantasie so sehr, daß sie selbst einen solchen Roman schrieb, der in Anbetracht der Jugend der Verfasserin lobenden Beifall fand. Darob verlor sie allen Sinn für Gebet und ernste Beschäftigung, freute sich über den günstigen Eindruck, den ihre Wohlgestalt und Schönheit machte, und berauschte sich an den Huldigungen, die man ihr darbrachte: sie fing an, sich zierlich zu kleiden, große Sorgfalt auf ihren Haarschmuck zu verwenden, in Gesellschaften zu glänzen, mit schalkhaften Blicken und witzigen Reden zu spielen usw. In dieser Gefallsucht aber, wozu sie von einer weltlich gesinnten Base noch gereizt wurde, überschritt sie nie die Grenzen der jungfräulichen Züchtigkeit.
Sobald der Vater die Gefahren erkannte, welche seiner hoffnungsvollen Tochter drohten, übergab er sie dem Frauenkloster der Stadt zur weiteren Erziehung. Theresia, fünfzehn Jahre alt, fühlte sich unbehaglich in der neuen Umgebung; aber der stille Friede im Hause, das freundliche Wohlwollen der Nonnen, die angenehme Regelmäßigkeit der Beschäftigung erfrischte wieder ihr edles Herz, daß sie sich bald mit ihrer Lage aussöhnte und wieder Freude am Gebet fand. Nach zwei Jahren musste sie wegen schwerer Erkrankung ins väterliche Haus zurück kehren. Als sie wieder genas, beschäftigte sie sich allen Ernstes mit der Wahl ihres Standes, worin sie von ihrem Oheim, einem Mann von erprobter Tugend, weise unterstützt wurde; sie erwog die Kürze der Lebenszeit, die Gefahren der genußsüchtigen Welt und die Nichtigkeit der irdischen Güter, dachte ernstlich an die Ewigkeit und entschied sich endlich, nicht ohne Zögern und Zagen, für den Ordensstand. Allein der Vater, der dieses sein jüngstes Kind fast leidenschaftlich liebte, willigte nicht ein. Am 2. November 1533 verließ Theresia in aller Frühe heimlich das Haus, ging mit schwerem Herzen – denn nicht die Alles freudig hinopfernde Liebe zu Gott, sondern vielmehr die Furcht vor der Sünde und die Angst vor der Hölle drängte sie – vor die Stadt hinaus in das große Karmeliterinnen-Kloster und bat um Aufnahme.
Die Novizin legte mutig die Hand an den Pflug und schaute nicht mehr zurück. Ihre Pünktlichkeit in allen geistlichen Übungen und häuslichen Arbeiten, ihr offenherziges Wesen und gefälliges Benehmen gewann ihr die Liebe Aller und die Erlaubnis zur Ablegung der heiligen Gelübde. Gott wollte nun dieses auserwählte Gefäß der Gnade vollkommen reinigen durch überaus schmerzliche Leiden. Sie litt furchtbar an Kopfschmerzen, Krämpfen und Blutwallungen. Der Vater sorgte dafür, daß sie von den berühmtesten Ärzten behandelt wurde; aber alle Mühe war vergebens; sie magerte innerhalb drei Monaten zum dürren Gerippe ab. Die Anfälle ihres Herzleidens waren so heftig, daß sie öfters – einmal vier Tage lang – vollkommen scheintot war. Die Nonnen hatten bereits das Grab für sie bereitet, und in einem andern Kloster wurde schon der Trauergottesdienst gehalten. Unbeschreiblich waren ihre Leiden: die Zunge war von den Zähnen durchgebissen, die Gurgel eingeschrumpft, die Hände und Füße steif, der ganze Körper so empfindlich, daß sie bei jeder Berührung erbebte. Dieser Zustand dauerte acht Monate, die Steifheit der Glieder zwei Jahre, bis sie auf Krücken gehen konnte; aber Alles litt sie mit heroischer Geduld, später mit großer Freude und Zufriedenheit. Nach drei Jahren war sie wieder ganz gesund.
Nun lebte Theresia das stille Leben einer einfachen Klosterfrau; sie betete – ohne innere Wärme, arbeitete – ohne Freude und Lust, erfüllte alle religiösen und häuslichen Pflichten – ohne heilige Liebe; sie erhob gerne ihre Gedanken zu Gott, aber ebenso gerne über die Klostermauern hinaus in die Welt; sie las aufmerksam erbauliche Schriften, aber nicht weniger interessierte sie sich um die Stadt-Neuigkeiten; sie liebte die Einsamkeit ihrer Zelle, aber auch die Besuche in den Häusern, oder das Plaudern am Gitter: so zwischen Gott und der Welt geteilt, vergeudete sie fünfzehn kostbare Jahre ihres Lebens.
Eines Tages betrachtete sie innig den Gekreuzigten, der von Wunden zerrissen, mit Blut überronnen da hing. Da ward ihre Seele in der tiefsten Tiefe bewegt, Tränen der Zerknirschung quollen aus ihren Augen, und sie flehte: „O Jesu, gib mir Kraft, Dir – Dir allein anzugehören!“ Nach langem Gebet stand sie auf zu einem ganz neuen Leben: mit allen Besuchen, Plaudereien und Zerstreuungen war es aus, nur Buße und Entsagung, Gebet und Gottesliebe beschäftigte ihre Seele. Nach und nach gelangte sie zu einer wunderbaren Vertrautheit mit Jesus, so daß sie zahlreicher Erscheinungen und Verzückungen gewürdigt wurde. Er erschien ihr oft, sprach mit ihr, setzte in das hölzerne Kreuz ihres Rosenkranzes fünf herrliche Edelsteine, die jedoch nur für sie sichtbar waren. Er sandte ihr einen Seraph, welcher einen goldenen Pfeil mit feuriger Spitze in ihr Herz bohrte.
Die demütige Braut Christi fürchtete anfangs selbst, diese Erscheinungen möchten ein Trug des Satans sein, die Beichtväter verboten ihr die so strenge Einsamkeit und erlaubten ihr seltener die heilige Kommunion. Andere vermuteten bei ihr Überspannung, sogar Besessenheit: dann fühlte sie sich öfters geistig und körperlich so erschlafft, daß ihr die Ausdrücke beim Beten, das Verständnis beim Lesen fehlte, oder ein so schmerzliches Feuer in der Seele brannte, daß es ihr unausstehlich vorkam. Aber felsenfest hielt sie drei Jahre in diesen Stürmen aus, überzeugte sich vollkommen von ihrem unmittelbaren Verkehr mit Gott und wurde von hl. Männern – wie Franz von Borgia, Peter von Alcantara – in ihrer Überzeugung bestärkt.
Unterdessen lebte in Theresia die Sehnsucht auf, ihr Kloster, das ohne Klausur, ohne feste Disziplin, ein Marktplatz des regen Verkehrs mit der Welt geworden war, zu verlassen, um in einem andern in gänzlicher Abgeschiedenheit und Strenge leben zu können. Der Beichtvater, dem sie wie ein Kind gehorchte, willigte nicht ein. Nun entschloss sie sich, ein Kloster ihres Ordens nach der ursprünglichen Regel zu errichten und auf diesem Wege den Verfall der klösterlichen Zucht zu heilen. Mit Hilfe ihrer Geschwister und mit Erlaubnis des Papstes Pius IV. richtete sie in Avila heimlich ein Haus ein und gab 1562 vier armen Jungfrauen das Ordenskleid.
Nun brach ein furchtbarer Sturm wider sie los von allen Seiten: von ihren Mitschwestern und Ordensoberen, von dem Stadtmagistrat und der Bürgerschaft; sie verteidigte sich nur mit Tränen und Gebet, vertraute auf Gott, ließ die Wogen über sich hintoben und – siegte. Im Frühling 1563 übernahm sie dieLeitung des neuen Klosters und überließ die Erhaltung desselben der göttlichen Güte. Sie täuschte sich nicht; die strengste Armut und Abgeschiedenheit, die lauterste Gottseligkeit und Liebe der fünf Nonnen erregte überall Bewunderung und erwarb ihnen so viele Wohltäter, daß ihnen das tägliche Brot nie mangelte.
Als der Karmeliter-General Rossi 1568 nach Spanien kam, um die Klöster des Ordens nach den Vorschriften des Konzils von Trient zu reformieren, befriedigte ihn das Haus der Theresia und ihrer zwölf Schwestern in Allem so sehr, daß er ihr die schriftliche Vollmacht gab, andere Frauenklöster nach diesem Muster zu gründen oder umzugestalten, wie auch Mannsklöster für Brüder, welche die alte Regel buchstäblich zu erfüllen verlangen. Theresia nahm diese schwierige Vollmacht an und hinterließ bei ihrem Tode sechzig Nonnen- und Mönchsklöster, welche sie neu gegründet oder eingerichtet hatte, in der schönsten Blüte. Die Widersprüche, Verleumdungen, Verfolgungen, von Seiten des Königs, der Minister, der Bischöfe und Geistlichen, der Karmeliter und selbst des päpstlichen Legaten waren zahlreich und bitter; aber die schwache Frau mit dem großen männlichen Herzen schrieb beredte Briefe an den königlichen Hof und an den heiligen Stuhl, verteidigte sich vor Fürsten und Bischöfen, mit solcher Offenheit und Kraft, daß Alle sich vor ihr beugten.
Aufgezehrt von den Anstrengungen ihres Berufes, und noch mehr von den Flammen der Liebe im Herzen, erkrankte sie auf einer Reise im Kloster Alba de Tormes und empfing die heilige Wegzehrung. Von den Schwestern nahm sie Abschied mit den Worten: „Ich beschwöre euch bei der Liebe Gottes, verzeiht mir, nehmt nicht mich unwürdige Sünderin zu eurem Vorbild, sondern befolgt treu die Ordensregeln.“ Dann leuchtete ihr Angesicht in wunderbarer Freude und Lieblichkeit auf, und ihre Seele eilte in die Arme des göttlichen Bräutigams in der Nacht vor dem 15. Oktober 1582. Ihre Leiche, die einen himmlischen Wohlgeruch verbreitete, hatte ein jugendlich frisches Aussehen. Gregor XV. erhob sie 1622 unter die Heiligen. Theresia hat sehr wertvolle religiöse Schriften und Gedichte, welche sie auf Befehl ihrer Beichtväter verfaßte, hinterlassen, weshalb sie in Spanien oft als Kirchenlehrerin dargestellt wird. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 765 – S. 767