Heiligenkalender
22. Januar
Die heilige Bläsilla, Tochter der heiligen Paula
(Absicht der Krankheit)
Sie war aus einer sehr frommen Familie in Rom, und verlor nach sieben Monaten schon den Mann, mit welchem sie sich verehelicht hatte. Einige Zeit nachher verfiel sie in eine schwere Krankheit. Hier musste sie nun schwer fühlen,, wie bei der Nähe des Todes alle Verwandte nicht helfen können und alle Worte nutzloser Schall sind. Sie lernte dadurch alle Vergnügungen des Körpers verachten, weil derselbe doch in Kurzem eine Speise der Würmer werde. Wie es im Evangelium von der kranken Schwiegermutter des Petrus heißt, der Herr habe ihr Hand berührt und sogleich habe sie das Fieber verlassen, und sie sei aufgestanden und habe ihn bedient; so geschah es auch mit Bläsilla. Sie wurde gesund und wandte nun das neu geschenkte Leben dazu an, um dem Herrn zu dienen. Sie war vorher ziemlich lau gewesen, und ihr Herz war nicht frei von Anhänglichkeit an den Reichtum und die Welt; sie hatte manche Zeit vor dem Spiegel zugebracht, um sich schön zu kleiden, und von ihren Mägden sich die Haare kämmen und flechten lassen, und mit Weichlichkeit ihren Leib gepflegt.
Nun aber wurde dieses Alles abgetan. Ihr Spiegel war von nun an Jesus Christus, den ihre Seele fort und fort betrachtete, und durch die Betrachtung selbst schöner und ihm ähnlicher wurde. Ihre Haare bedeckte sie einfach mit einem Schleier; ihre Kleidung war von geringer Wolle und ohne alle Zier, so daß sie an der Kleidung nicht von ihren Dienstleuten zu unterscheiden war; ihren kostbaren Schmuck, welchen sie vorher getragen hatte, verkaufte sie und gab das Geld den Armen. Sie stand nun täglich früh auf zum Gebet, kniete auf die nackte Erde, und wenn schon Müdigkeit und Schlaf kamen, wehrte sie sich dagegen, um noch länger mit Psalmen und dem Lob Gottes zuzubringen. So abgezehrt und schwach sie von der Krankheit war, hatte die doch stets die hl. Schrift in den Händen, um daraus Nahrung für ihren geist zu schöpfen. Und nicht die erste Zeit nur nach ihrer Krankheit lebte sie so heilig, sondern bis an ihr seliges Ende, welches nicht sehr lange nach ihrer ersten Krankheit erfolgte.
Es ist mit dem Sterben wie mit dem jüngsten Tag. Es sind schon vielmal Zeichen gekommen, wie sie als Vorzeichen des letzten Gerichtes angekündigt sind, und es wurde von Leuten, die keine Propheten sind, prophezeit und allgemein geglaubt, in dem Jahr und dem Monat gehe die Welt unter: und sie ist immer noch untergegangen. Aber es ist eine Warnung gewesen, und das Schwert des Gerichtes hängt immer noch an einem Faden über der Welt. Wann er zerreißt, das ist nur Gott bekannt. Ebenso werden fast die meisten Menschen ein oder mehrere Mal krank; die Zeichen sind von der Art, daß sie meinen, es gehe zum Tod und zum Gericht – und doch werden sie wieder gesund und sterben erst später zu einer andern Zeit. Warum schickt Gott so vielerlei Krankheiten über die Menschen, auch selbst, wo die Krankheit nicht wirklich dem Tod den Eingang ins Menschenherz aufschließt? Die Ursachen sind verschieden, und es wird, so Gott will, in andern Monaten der Legende noch davon die Rede sein. Eine Ursache will ich aber hier anbringen; sie steht beim Evangelisten Lukas 13, 6 bis 9. Da heißt es:
„Der Herr sprach dieses Gleichnis: Es hatte Jemand einen Feigenbaum in seinen Weinberg gepflanzt; und er ging hin und suchte Frucht und fand nichts. Da sprach er zum Gärtner: sieh`, ich komme schon drei Jahre und suche Frucht an diesem Feigenbaum, und finde keine; hau` ihn weg; wozu verzehrt er den Boden? Dieser gab zur Antwort und sprach: Herr, laß ihn auch dieses Jahr noch, bis ich ihn umgrabe und Dung lege, ob er etwa Frucht trage; wenn aber wieder nicht, dann magst du ihn weg hauen.“
Sieh` die hl. Bläsilla war auch ein solcher Baum; sie hatte vor ihrer Krankheit nicht ernstlich Gott gedient und keine Früchte gebracht. Aber der unfruchtbare Baum wurde nicht umgehauen, sondern nur umgegraben; Gott hat sie nicht sterben lassen und verworfen, sondern er schickte ihr nur eine Krankheit – und dies hat geholfen, sie hat ein frommes, Gott gefälliges Leben angefangen und Früchte gebracht.
Un nun, Leser, vielleicht bist du auch schon krank gewesen. Gott hat dich in der Krankheit inne werden lassen, wer der Herr ist, daß du und die ganze Welt dir nicht helfen könne, und es in Gottes Hand allein stehe, ob du wieder gesund werdest oder sterbest. Und wo du daran gedacht hast, es könne wohl sein, daß du sterben müssest, da sind dir deine Sünden viel größer und zahlreicher vorgekommen, als sonst, und haben dich viel mehr geängstigt; und die Welt und ihre Lust ist dir viel armseliger als sonst vorgekommen; und dein Herz hat sich mehr davon los gelöst. Und du hast dir alle guten Vorsätze gemacht, wenn dir Gott nur noch einmal die Gesundheit schenke. – Sieh`, das hat Gott dann auch getan; und es wäre dir dann leichter gewesen, als sonst, alle früheren Leichtfertigkeiten, schlimme Gewohnheiten und Kameradschaften aufzugeben, und einen eingezogenen frommen Wandel zu führen. Die Krankheit hat dich schon mit Gewalt in Ordnung gebracht, es wäre dann nur darauf angekommen, daß du auch freiwillig in der Gesundheit fest gehalten hättest an einer gesitteten Lebensweise. Hast du es getan?
Wenn du es nicht getan hast, sondern in die alten Sünden und den alten Leichtsinn zurück gekehrt bist, dann gleichst du dem Baum, der umgegraben und gedüngt wurde – aber jetzt doch keine Früchte bringt. Denk` einmal nach, was wird wohl das nächste Mal, vielleicht bald kommen? – Könnte es nicht sein, daß dich Gott umhauen läßt, weil du dich jetzt vollkommen als schlechter Baum erwiesen hast, daß dich Gott in Sünden sterben läßt? Und wenn du selbst sagen musst, es geschähe mir recht, ich hätte es verdient, wenn mich gott weg wirft; möchtest du nicht jetzt noch umkehren? – Geh` nicht leichtweg über diese Frage hinaus, und denk` lieber nach, statt weiter zu lesen, – – – –
Es wird aber auch Manchem diese Legende in die Hände kommen, welcher seit seiner Kindheit niemals krank gewesen ist – und er gehört vielleicht zu den Bäumen, welche Jahre lang schon da stehen und keine Frucht tragen. Du lebst vielleicht (um mit dir selbst zu reden) doch nur für dich selber zum Eigennutz und zur Eigenlust, und dein Tun und Lassen läßt sich nicht von Gott regieren, sondern ist erdhaft und nach unten gerichtet, wie eine Trüffel. Ich will dir nun sagen, wie es mit dir steht: wenn Gott besonders barmherzig mit dir verfährt, so läßt er dich krank und dann wieder gesund werden, ob du vielleicht aufgeweckt wirst zu einem christlichen Sinn und Wandel. Deshalb läge es vielleicht in deiner Hand, eine schwere Krankheit oder sonst ein Unglück, das dir schon bestimmt ist, abzuwenden, wenn du freiwillig jetzt in gesunden Tagen dich recht bekehren würdest. Aber es könnte wohl auch sein, daß Gott nicht lange mit dir Versuche anstellt, sondern dich zur festgesetzten Zeit kurzweg sterben läßt, wenn du dich nicht im gesunden Zustand bekehren magst. Und dann ist es noch unendlich schlimmer mit dir. Was denkst du davon? Und was denkst du zu tun?
Eine zu große Liebe gegen die Angehörigen ist Lieblosigkeit gegen Gott.
Ich will aber nun noch einmal zur hl. Bläsilla zurück kehren. Nachdem sie einige Zeit wieder gesund gewesen, und in der Gesundheit durch ein heiliges Leben die Probe abgelegt hatte, daß es ihr Ernst war mit ihren guten Vorsätzen während ihrer Krankheit, ließ sie Gott auf`s Neue krank werden und sterben. Ihre Mutter, auch eine Heilige, die hl. Paula, lebte noch, da die Tochter starb. Der berühmte Kirchenvater, der hl. Hieronymus, war ein besonderer Freund dieser heiligen Familie, und schrieb, da er den Tod der hl. Bläsilla und die übermäßige Betrübnis ihrer Mutter erfuhr, einen Brief an diese. Dieser Brief ist noch in den Schriften des hl. Hieronymus übrig und ich will ihn hersetzen, damit nicht nur das Leben der hl. Bläsilla den Leichtsinnigen eine Mahnung zur Bekehrung sei, sondern auch ihr Tod frommen Familien, welchen ein Angehöriges gestorben ist, zur Tröstung gereiche.
Der hl. Hieronymus schreibt unter Anderem: „Wenn Bläsilla mitten in der Anhänglichkeit an die Vergnügungen dieser Welt von einem frühzeitigen Tod hinweg gerafft wäre worden, dann wäre sie wahrhaftig zu beklagen und recht sehr zu beweinen. Nun aber, da sie mit Hilfe des Herrn gewissermaßen in einer zweiten Taufe, durch ihre Bekehrung, sich rein gewaschen und sich von der Welt los gesagt hat, so hüte dich, Paula, daß dir der Heiland nicht den Vorwurf mache: Bist du unzufrieden, Paula, daß deine Tochter meine Tochter geworden ist? – Eine zu große Liebe gegen die Angehörigen ist Lieblosigkeit gegen Gott. Abraham wollte freudig seinen einzigen Sohn opfern, und du klagst darüber, daß eine von unsern Töchtern im Himmel nun gekrönt ist? Glaubst du nicht, daß Bläsilla selbst Schmerz darüber leide, wenn sie sehen muss, daß du Christus beleidigst; sie ruft dir in deiner Trauer gleichsam zu: Mutter, wenn du mich je geliebt hast, wenn ich von dir genährt bin worden, wenn du mich durch deine Ermahnungen fromm erzogen hast, so mißgönne mir meine Seligkeit nicht, und benimm dich nicht so, daß wir ewig getrennt werden müssen. Meinst du denn, ich sei allein? Ich habe statt deiner Maria, die Mutter des Herrn. Ich sehe hier viele, die ich vorher nicht gekannt habe. O wie viel besser ist doch diese Gesellschaft! Du beklagst mich, daß ich die Welt verlassen habe: aber ich bedaure euer Los, daß euch noch das Gefängnis der Erde einschließt, daß ihr noch täglich kämpfen müsset, und bald der Zorn, bald die Habsucht, bald sinnliche Lust, bald andere Versuchungen euch ins Verderben ziehen wollen. Wenn du meine Mutter sein willst, so sorge dafür, daß du Christus gefallest. Ich erkenne nicht als Mutter an, wer meinem Herrn sich mißfällig macht.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 101 – S. 105