Heiliger Godrik aus Norfolk Einsiedler

Christus sitzt in der Mitte, Löwe und Stier zu seinen Füßen

Heiligenkalender

21. Mai

Der heilige Godrik Einsiedler

(Der Schatz im Acker)

Wenn man so einen gewöhnlichen Krämer, sei er nun Jude oder Christ, auf den Ortschaften umher ziehen sieht, so fällt recht grell in die Augen, wie eben meistens der Hauptgegenstand seines Laufens, Denkens, seines Redens, seiner Hoffnung und seiner Missstimmung das Geld ist. Nicht selten ist das Geld so sehr sein Abgott, daß er deshalb Leib und Seele gefährdet; den Leib, indem er Entbehrungen, Strapazen und Gefahren sich unterzieht; die Seele, indem er lügt, übervorteilt, den Gottesdienst und die Sorge für sein ewiges Heil gänzlich vernachlässigt. Auch der Heilige des Tages war einmal ein solcher Krämer. Von armen Eltern herstammend, wanderte er vor 700 Jahren in der englischen Grafschaft Norfolk von Dorf zu Dorf und handelte mit geringen Waren, wie er sie bei seinen ärmlichen Vermögens-Umständen beischaffen konnte. Godrik hatte Glück bei seinem Handel, so daß er denselben allmählich großartiger betreiben konnte; er besuchte Jahrmärkte und Städte mit seinen Waren, und machte einige Male zu Schiff Handelsreisen nach Schottland. Da geschah es nun, daß so recht eigentlich und auf die schönste Weise an Godrik das Gleichnis zur Erfüllung kam, welches der Heiland bei Matth. 13, 44 gesprochen hat. Dort heißt es nämlich also: „Ferner ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Schatz, der in einem acker vergraben lag, den Jemand fand und verbarg. Voll Freude darüber geht er hin, verkauft Alles, was er hat und kauft diesen Acker. So ist es mit dem Himmelreich, wie mit einem Kaufmann, der echte Perlen sucht. Er findet eine Perle von hohem Wert, geht hin, verkauft Alles, was er hat, und kauft sie.“

Die Gnade Gottes hatte nämlich der Seele Godrik`s die Augen geöffnet und ihn erleuchtet, so daß er deutlich sah, wo ein großer Schatz begraben liege, und wo eine unermesslich kostbare Perle zu kaufen sei. Godrik aber zögerte nicht lange, den guten Handel zu machen. Als ein weiser Handelsmann vor dem Herrn verteilte er all` sein Erworbenes an die Armen und entschloss sich, von nun an alle seine Tage lediglich Gott zu widmen. Er zog sich in eine Wildnis zurück, machte sich unter einer Eiche eine Hütte aus Baumzweigen; daselbst waren Baumfrüchte, Wurzeln und Waldhonig seine Nahrung. Ein Geschichtsschreiber sagt über Godrik`s Leben daselbst: „Er führte ein Einsiedlerleben in Hunger und Durst, in Kälte und Blöße, in Fasten, Wachen und Beten, und führte es getreu bis zu Ende in Geduld und Beharrlichkeit. Ihn schreckte nicht der Tiere Wildheit, nicht die Menge des Gewürmes, nicht die Drohungen der Räuber, nicht die Erscheinungen böser Geister, nicht die Rauheit des Dorngeheges, nicht des Ortes ungebaute Wüste, weil die vollkommene Liebe alle Furcht gründlich austrieb.“

Nachdem Godrik einige Zeit sein strenges Leben geführt hatte, wurde allmählich die Heiligkeit des Einsiedlers ruchbar, so daß die Leute aus nah und fern zu ihm strömten, die sich bei ihm erbauten und zur Besserung des Lebens gebracht wurden. Die Besuchenden ließen sich nicht abhalten, ihm Nahrungsmittel zu bringen; allein Godrik nahm durchaus nichts für seine Person an, sondern gab es entweder den Armen oder legte es an einen Ort, wo die Wanderer am Weg sich damit erquicken konnten. Übrigens ließ er sich an Sonn- und Festtagen mit Niemanden in ein Gespräch ein, desgleichen an drei andern Tagen in jeder Woche, um diese Zeit lediglich dem Gebet widmen zu können. Godrik machte in seiner Abgeschiedenheit von der Welt überhaupt solche Fortschritte in der Heiligkeit, daß Gott selbst durch Wunder sein Wohlgefallen an demselben zu erkennen gab. In der Gegend, wo sich Godrik aufhielt, war ein Fluss, welcher einmal in eine solche Überschwemmung ausbrach, daß Alles weit und breit unter Wasser stand, namentlich auch die Hütte des Einsiedlers. Die Leute aus der Nachbarschaft liefen herbei in der Meinung, Godrik sei ertrunken, und beklagten seinen Tod. Als sich aber das Wasser verlaufen hatte und sie sich seiner Hütte näherten, fanden sie ihn im Gebet begriffen, nicht nur wohl behalten, sondern nicht einmal naß. Gefragt, warum er beim Einbrechen der Überschwemmung nicht geflohen sei, gab er zur Antwort, er habe bis jetzt nichts von einer Überschwemmung gewußt. –

So war Gottes schützende Hand wunderbar über ihm, während er im Gebet ganz bei Gott war. Außer diesem Wunder sind noch mehrere andere aufgezeichnet, namentlich Prophezeiungen und wunderbare Krankenheilungen, die durch Godrik geschahen.

Jeder wahrhaft Heilige ist zwar zunächst an der Seele wiedergeboren und in den Zustand zurück gekehrt, in welchem die ersten Menschen waren vor dem Sündenfall – aber bei manchen Heiligen kommen auch selbst äußerlich Erscheinungen vor, wie sie ursprünglich im Paradies waren, so z. B. daß die sonst wilden Tiere den Menschen als ihren Herrn anerkennen und ihm vertrauen. Einige Verwandte des Bischofs Rainulf trafen bei der Jagd auf einen ganz besonders prächtigen Hirsch und verfolgten ihn mit ihren Hunden. Unter dem wilden Geschrei und Gebell floh der Hirsch zu der Hütte des hl. Godrik und schien mit flehentlichem Geheul um Einlass zu bitten. Godrik ging heraus und erblickte das Tier abgejagt und zitternd vor dem Eingang stehen; er erbarmte sich und ließ es in die Hütte hinein gehen, wo es sich alsbald zu den Füßen des Heiligen nieder legte. Da er hernach die Jäger kommen hörte, ging er hinaus, machte die Türe zu und erwartete sie. Die Hunde kehrten wie klagend über die entgangene Beute mit heftigem Gebell zu ihren Herrn zurück; diese aber ließen nicht ab, sondern machten sich durch das Gestrüpp von Hecken und Dornen mit dem Hirschfänger einen Durchgang und fanden Godrik vor der Hütte in armselige Fetzen gehüllt. Sie fragten ihn wegen des Hirsches. Godrik antwortete ausweichend ohne zu lügen: „Gott weiß, wo er ist.“ Die Jäger aber sahen in seinem Gesicht die Anmut eines Engels, achteten die sichtliche Heiligkeit des Einsiedlers und entschuldigten sich wegen ihrer Zudringlichkeit. Und noch oft erzählten sie mit einer Art von Erstaunen, was ihnen daselbst im Wald vorgekommen sei. Der Hirsch blieb aber in der Hütte des Heiligen bis auf den Abend und kam dann nach Jahren oft wieder zu ihm, legte sich zu seinen Füßen und schien ihm für die Rettung des Lebens fortwährend Dank bringen zu wollen. –
Desgleichen nahmen auch Hasen und andere Waldtiere zu Godrik ihre Zuflucht, wenn sie von den Jägern verfolgt waren. Er nahm sie immer barmherzig auf und entließ sie, wenn keine Gefahr mehr war. Auch flogen ihm zuweilen Vögel in den Busen, um sich zu wärmen, wenn eine recht harte Winterkälte war; sie fühlten es gleichsam, daß Godrik ein Sohn ihres barmherzigen Schöpfers sei.

Nachdem Godrik 63 Jahre lang ein heiliges Leben geführt hatte, verfiel er in eine schwere Krankheit. Ein Geschwulst spannte die Haut des Körpers an und benahm ihm die Beweglichkeit der Glieder. Sein Übel wurde so groß, daß selbst Würmer aus dem Leib hervor brachen. Zwei Brüder aus einem benachbarten Kloster wurden vom Prior beauftragt, den todkranken Einsiedler zu verpflegen. Da es mit dem Kranken immer schlimmer wurde und das Ende heran zu nahen schien, wurde auf einmal sein Gesicht ganz heiter und er fing an zu singen. Später fragten die Brüder, was ihn angekommen sei? Godrik erwiderte: „Ich habe mich nicht vom Singen zurückhalten können; denn eine unendliche Klarheit leuchtete durch das Fenster gegen Morgen herein und meine Brust wurde erfüllt mit dem süßesten Wohlgeruch. Es schien mir, ich sei an der Pforte des himmlischen Jerusalems angelangt und habe die Glückseligkeit der Engel in mir empfunden; die himmlischen Einwohner aber sangen Kyrie eleison, Christe eleison, und ich habe fröhlich meine Stimme mit den ihrigen vereinigt.“

Godrik starb dann in der Oktav von Christi Himmelfahrt 1170, wie er voraus gesagt hatte. Und nun hat dieser Kaufmann die rechte Perle gefunden, Alles darum hingegeben und wahrhaftig den allerbesten Handel abgeschlossen.

Wenn einmal dem Menschen die Augen des Geistes aufgegangen sind, d. h. wenn er einmal zur lebendigen Erkenntnis des Christentums gelangt ist, dann sieht er ein, wie Alles, wonach die Weltmenschen streben und jagen, eitel Stroh ist, das sie für Gold ansehen in ihrer Verblendung; das wahre Gold ist ist nur Christus, die Liebe und der Wille Gottes in der Seele. Der Eine meint, reich werden sei die Hauptsache; ein Anderer will vor Allem Ansehen und Ruhm; eine Dritte möchte nicht leben, wenn es keine Liebschaften und keinen Putz gäbe; wieder Andere halten am meisten auf Essen und Trinken und Lustbarkeiten. Alles diese Leute sind gleichsam Mühlen, wo alle Räder toben und das ganze Werk sich abriebt; aber statt Korn ist nur Sand und Staub aufgeschüttet. Hingegen die gescheitesten Menschen, welche den besten Gewinn davon tragen, sind die, welche von der Welt oft als Toren verlacht und verfolgt werden – die Heiligen. Gebe Gott, daß ich und alle Leser auch den Schatz im Acker, die Perle, das echte Gold des Lebens suchen, finden und bewahren! Amen. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S.246-250

Tags: Heilige

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