Das Kreuztragen Jesu und seine Bedeutung

Das Leben und Leiden und der Tod am Kreuz, das kostbarste Blut Jesu am Kreuz vergossen; Jesus hängt, halb nackt und mit einer Dornenkrone "geschmückt", mit ausgebreiteten Armen am Kreuz, geschunden durch die Marter der Geißelung und der Wunden, und verspottet

Das Leben und Leiden und der Tod Jesu

Was Kreuztragen Jesu bedeutet

Matth. 27,31. Und nachdem die Soldaten Jesum verspottet hatten, nahmen sie ihm den Mantel ab, zogen ihm seine Kleider an und führten ihn fort, um ihn zu kreuzigen.

Mark. 15,20. Und nachdem die Soldaten Jesum verspottet hatten, nahmen sie ihm das Purpurkleid ab und zogen ihm seine Kleider an und führten ihn hinaus, um ihn zu kreuzigen. – 22. Und sie führten ihn an den Ort Golgotha, welches verdolmetscht wird: Schädelstätte.

Joh. 19,16. Da übergab Pilatus den Juden Jesum, daß er gekreuzigt würde. Sie übernahmen also Jesum und führten ihn hinaus. – 17. Und er trug sein Kreuz und ging hinaus zu dem Ort, den man Schädelstätte nennt, auf hebräisch aber Golgotha.

Das Aufladen des Kreuzes

Das Urteil wurde nach orientalischer Sitte sofort vollzogen. Man nahm dem Heiland nun das Spottgewand ab und gab ihm seine Kleider wieder. Die Soldaten und Schergen sammeln sich, die zwei Schächer, werden heran geführt und die Kreuze gebracht. Die Übeltäter wurden mit wenigen Ausnahmen am Tage und öffentlich hingerichtet und mussten zur Erhöhung ihres Schmerzes und ihrer Schande die Kreuze selbst zum Richtplatz schleppen und tragen. Man machte beim Heiland keine Ausnahme und behandelte ihn wie einen gemeinen Verbrecher. Das Kreuz war zwei Mannslängen, also etwa 8-10 Fuß lang und etwa 20-40 Pfund schwer. Der Querbalken wurde dem Hauptstamm aufgebunden.

Wie hat nun der Heiland das Kreuz empfangen? Gewiß nicht ohne natürlichen Schrecken und Schauder. Es war ja der Inbegriff aller Leiden und aller Schande. Aber auch mit Ergebenheit empfing er es, mit religiöser Ehrfurcht, ja mit Sehnsucht und Liebe. Vielleicht mag er es geküßt und umfangen, vielleicht selbst auf den Knien empfangen haben. Er sah nämlich über den Schmerz und die Schande hinaus in dem Kreuz den anbetungswürdigen Willen des Vaters, das Werkzeug unseres Heiles und alles Segens und das Zepter der Ehren und Macht, die er einst besitzen sollte. Man liest vom hl. Andreas, daß er sein Kreuz von ferne mit Worten der innigsten Liebe und Sehnsucht begrüßte; es heißt auch von heiligen Märtyrern, daß sie auf den Knien ihrem Kreuz sich nahten. Woher sollen sie diese wunderbaren Gesinnungen geschöpft haben als vom Heiland selbst, der noch zeitlebens sein Kreuz mit den Worten begrüßte: „Wie drängt es mich, mit meiner Taufe getauft zu werden“ (Luk. 12,50; Hebr. 12,2).

Auf einem schön umrahmten Bild sieht man Jesus mit der Dornenkrone auf dem Haupt das Kreuz aus seiner Schulter tragen; die Soldaten und Schergen sind in mittelalterlicher Kleidung zu sehen

Das Tragen des Kreuzesholzes

Nun ging der letzte und bitterste Gang des Heilandes an, von der Burg Antonia bis zum Richtplatz außerhalb der Stadt. Der Weg ging südwestwärts durch die Stadt und mündete, die zweite Stadtmauer durchschneidend, durch das sogenannte Richttor auf den Platz der Hinrichtung. Der Weg mißt ungefähr tausend Schritte und wird via dolorosa genannt. –

Diesen Weg nun ging der traurige Zug; voraus ritt ein römischer Hauptmann, dann folgten die Verurteilten mit je vier Soldaten, hinter ihnen Schergen und Henkersknechte mit den Werkzeugen und den Straftiteln auf Stangen und neben und nach dem Zuge unabsehbares Volk, hoch und niedrig, besonders fremde und und einheimische Pharisäer. Und mitten in dem Gewühl schritt eine Gestalt, gebeugt, wankend, kaum sichtbar unter dem Kreuzbalken und dem überschattenden Dornenhut. Es ist unser Herr, der Kreuz tragende Heiland.

Wie trägt nun der Heiland das Kreuz? Erstens mit großer Schmach und Schande. Es ist eben ein Armersünder-Zug, und er ist der Hauptsünder, überall und von allen abgeurteilt als falscher Prophet und Gotteslästerer. Unzähliges Volk erwartet ihn, beschaut ihn von Türen, Fenstern und Dächern und höhnt ihn (Ps. 68,13). Dieselben Straßen geht er nun, auf denen er einst geachtet, gesucht und gefürchtet daher geschritten. –

Er trägt zweitens sein Kreuz mit Schmerz. Der Weg war lang genug, uneben und stellenweise steil. Die beiden anderen Verurteilten wurden erst auf dem Kalvarienberg, unmittelbar, unmittelbar vor der Kreuzigung gegeißelt und konnten den Weg ohne besondere Schwierigkeiten mit ihren Kreuzen zurücklegen. Der Heiland war aber schon gegeißelt und zerschlagen und erschöpft durch die Misshandlungen des Tages und der Nacht. Alle Glieder waren wund, die Schulter zerrissen und die Ermattung durch den Blutverlust unsäglich. Man kann denken, wie sauer dieser Gang für den Heiland war unter der Last des Kreuzbalken. Er soll nach der Überlieferung auch drei- bis siebenmal gefallen sein. –

Er trug endlich das Kreuz, ohne Mitleid und Linderung zu finden. Mit einem armen Tier selbst fühlt man Erbarmen, und wenn es fällt, hilft man ihm auf. Der Heiland fand kein Mitleid. Vielleicht mißhandelte man ihn noch. Und wenn man ihm endlich das Kreuz abnahm, so geschah es nur, weil er zu erliegen drohte. Im Grunde genommen war es nur Grausamkeit: man wollte ihn eben am Kreuz haben. Und er selbst strengt die letzte Kraft an; auch er will am Kreuz sterben.

Das Ziel des Zuges war die Richtstätte. Der Weg aus dem Richttor ging, von Nordost nach Südwest umbiegend, durch eine ziemlich breite Vertiefung zwischen felsigen Bodenerhöhungen weiter. Westlich und rechter Hand wurde die Vertiefung begrenzt durch eine felsige Erhöhung, in welcher Joseph von Arimathäa sein Grab in einem Garten angelegt hatte, östlich aber oder links von der einzelstehenden Felskuppe, die Golgotha oder Kalvaria hieß, vielleicht weil sie einem lang gestreckten, kahlen Schädel ähnlich sah. Das war die Richtstätte. Bei den Juden war dieselbe gewöhnlich außerhalb der Stadt, an einem öffentlichen Ort (Lev. 24,14; 3. Kön. 21,13; Apg. 7,57). Am nordöstlichen Rand des Felsenzuges stieg der Zug hinan und betrat die Kreuzigungsstelle.

Bedeutung des Kreuztragens

Dieses Kreuztragen Jesu hat eine doppelte Bedeutung.

Die erste Bedeutung ist die Erfüllung von alten Vorbildern und Prophezeiungen. An Vorbildern wurde da erfüllt, wie Kain den Abel hinaus führte, um ihn zu ermorden (Gen. 4,8), und wie Isaak das Holz den Berg hinan trug, auf dem er selbst als Opfer geschlachtet werden sollte (ebd. 22,6). Auch die Opfertiere, deren Blut am Versöhnungsfest durch die Hohenpriester in das Heiligtum gebracht ward, wurden außerhalb der Stadt verbrannt (Hebr. 13,11. u. 12). Ebenso wurde das Wort des Propheten erfüllt, daß der Herr die Missetaten aller auf ihn gelegt (Is. 53,6).

Die zweite Bedeutung des Kreuztragens ist eine vorbildliche für uns. Was der Heiland da tat und litt, trifft uns alle. Der Kreuzweg Christi ist der Kreuzweg aller Menschen. – Es liegt hierin eine doppelte Wahrheit. Vor allem müssen wir das Kreuz tragen. Unser Kreuz ist die Buße; unser Kreuz ist das Joch der Gebote Gottes; unser Kreuz ist die Überwindung der ungeordneten Leidenschaften; unser Kreuz sind endlich die äußeren Übel, die uns treffen. Niemand kann sich diesem vielfältigen Kreuz entziehen. Als Menschen, als Christen, als Priester und Religiosen müssen wir das Kreuz tragen, wenn wir vernünftig leben, Christus angehören und unsere Seelen retten und die Vollkommenheit und den Himmel erwerben wollen, wie der Heiland selbst sagt: „Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Matth. 10,38; 16,24; Mark. 8,34; Luk. 9,23; 14,27). –

Das ist die erste Wahrheit. Die zweite ist, daß wir unser Kreuz auch gut tragen müssen. Unser Kreuz aber tragen wir gut, wenn wir es tragen für Jesus, in geistiger Verbindung mit ihm, sei es im Besitz der heiligmachenden Gnade, sei es in glaubensvollem und liebendem Gedanken an ihn; endlich tragen wir das Kreuz gut, wenn wir es mit denselben Gesinnungen und mit derselben Art, innerlich und äußerlich, wie der Heiland, tragen. Er trug sein Kreuz nicht mit glorreicher äußerer Gebärde, aber edel und würdig. Er erleichterte sich aber auch das Kreuz nicht und entledigte sich desselben nicht. Er trug es demütig, liebend und starkmütig bis zum Ende, um an demselben zu sterben. –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes in Betrachtungen Zweiter Band, 1912, S. 378 – 382

O vos omnes – Tomás Luis de Victoria

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