Die Päpste werden unabhängige Fürsten
Der heilige Papst Zacharias (regierte von 741-752)
Das schönste Lob dieses Papstes wie seines Vorgängers hinterließ Photius ( † 891), der größte Gegner des Papsttums unter den Griechen, mit den Worten: „Wie könnte ich die römischen obersten Priester Gregorius und Zacharias mit Stillschweigen übergehen, Männer, die durch ihre Tugenden hervorleuchteten, die durch ihre Lehren voll göttlicher Weisheit zur Vermehrung der Herde Christi beitrugen, ja, die sogar durch die Gnadengabe der Wunder glänzten.“ Dieses Zeugnis wird durch alle anderen geschichtlichen Dokumente bestätigt, die wir aus dieser Zeit besitzen. Zacharias, seiner Abstammung nach ein Grieche, wurde in Süditalien geboren. Er war ein Mann von ungewöhnlicher Herzensgüte, so daß er diejenigen, welche ihn vor seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl verfolgt hatten, mit Gütern und Ehrenstellen überhäufte. Als er einmal erfuhr, Kaufleute aus Venedig hätten eine Menge Christensklaven gekauft, um sie wieder nach Afrika zu verkaufen, brachte er mit großen Opfern das Lösegeld für sie auf und legte den Sklavenhändlern das Handwerk, weil es unbillig sei, daß Menschen, welche, durch die heilige Taufe geheiligt, Christo angehören, zu Sklaven der Heiden gemacht würden.
Aus seinem weiteren schönen heiligen Leben leuchten besonders zwei Tugenden gleich hell glänzenden Sternen hervor: seine Liebe, mit der er sich der bedrängten Bewohner Italiens annahm, und seine väterliche Sorge, die er dem deutschen Volk angedeihen ließ.
Die Liebe für das bedrängte Italien
In jämmerlicher Lage befand sich damals Italien. Die Langobarden machten immer weitere Fortschritte und hatten es darauf abgesehen, sich auch der übrigen Teile Italiens zu bemächtigen, die noch den Griechen gehörten. Die griechischen Kaiser dagegen verstanden es wohl, ihre Untertanen sowohl materiell zu unterdrücken, indem sie dieselben unbarmherzig aussogen, als auch im Gewissen zu belästigen, indem sie ihre Einfälle als Glaubens-Vorschriften ihnen aufzuzwingen versuchten, ihnen aber gegen ihre Feinde Schutz zu gewähren, waren sie zu ohnmächtig. Luitprand hatte die Belagerung Roms, die er unter dem vorigen Papst unternommen, aufgegeben, aber vier Städte, die zur Herrschaft Roms gehörten, zurück behalten. Auf Verwenden des neuen Papstes versprach er deren Rückgabe. Als er jedoch zögerte, begab sich Zacharias selbst zum König und machte einen so überwältigenden Eindruck auf denselben, daß er alles bewilligte, was der Papst verlangte; er gab auf Verwendung des Papstes alle Gefangenen frei, die er aus dem den Griechen gehörigen Italien besaß, und gewährte dem Papst und dem römischen Gebiet einen zwanzigjährigen Frieden. Als Luitprand im nächsten Jahr Ravenna zu erobern sich anschickte und keine Aussicht auf Rettung erschien, begab sich der Papst trotz der ärgsten Sommerhitze auf den Weg nach Pavia zum König. Da ihn der Weg über Ravenna führte, kamen der griechische Statthalter, welcher dem Papst Gregor II. nach dem Leben gestrebt und über Gregor III. große Not gebracht hatte, sowie alle Bewohner, Männer, Frauen und Kinder, ihm entgegen und riefen unter Tränen: „Gesegnet sei unter Hirte, der seine Schafe verlassen hat und gekommen ist, uns zu befreien, die wir zugrunde gehen.“ Obschon der König nichts zugestehen wollte und selbst die Gesandten des Papstes, ohne sie zu empfangen, abwies, zog Zacharias, die Gefahr nicht achtend, weiter und machte dem König so eindringliche Vorstellungen, daß er vom Angriff auf die Stadt abließ und ihm das ganze entrissene Gebiet zurück gab.
Nach Luitprand ( † 744) wurde Rachis König der Langobarden. Auch diesem verstand der Papst so nachdrücklich zum Herzen zu reden, daß er von seinen Eroberungsplänen abstand und gleichfalls einen zwanzigjährigen Frieden schloß. Ja, Rachis entsagte der Krone (749), erbat sich von Zacharias das Mönchsgewand und begab sich ins Kloster von Monte Cassino. Seinem Beispiel folgten seine Gemahlin und Tochter, entsagten der Welt und weihten ihr Leben dem Dienst Gottes im Kloster.
Anm.: Zu gleicher Zeit lebte in Monte Cassino Karlmann, der Bruder Pippins. Nach glänzenden Siegen, die er über die Alemannen und Baiern erfochten, verließ er die Welt, erhielt in Rom vom Papst Zacharias das Mönchsgewand und zog nach einiger Zeit nach Monte Cassino, wo er mit einem Begleiter, ohne sich zu erkennen zu geben, um Aufnahme bat.
Papst Zacharias schützte eben so gut den politischen Besitz der griechischen Kaiser in Italien, wie er das harte Los der Untertanen derselben nach Möglichkeit erleichterte. Damals regierte im oströmischen Reich Konstantin V. (741-755) mit dem Beinamen Kopronimus, weil er bei der Taufe den Taufbrunnen besudelt hatte. Im Orient wird bis heute die Taufe durch Eintauchen des Täuflings in das Wasser erteilt. Er war seinem bilderstürmenden Vater in der Regierung gefolgt und folgte ihm auch in der Grausamkeit und Wut gegen die Bilder. Die Dienste, die Zacharias seiner Herrschaft geleistet, anerkannte er und schenkte dem hl. Petrus zwei Besitzungen, jedoch von seiner Feindseligkeit gegen die Bilder vermochte der Papst ihn nicht abzubringen, wiewohl er ihn in einem Schreiben ernstlich davon abgemahnt hatte.
Die Sorge gegenüber dem deutschen Volk
Besondere Sorgfalt wandte Papst Zacharias Deutschland zu. Von den 39 Briefen, die uns von diesem Papst erhalten sind, beschäftigen sich die meisten mit dem hl. Bonifatius und den Angelegenheiten Deutschlands. Zacharias hatte dem Heiligen die Vollmachten, die er von Gregor III. erhalten, erneuert und denselben ermächtigt, die kirchlichen Verhältnisse zu ordnen, Missbräuche abzustellen und Synoden abzuhalten. Über gestellte Anfragen traf Zacharias die nötigen Entscheidungen, löste die erhobenen Zweifel, zollte ihm Lob für seinen Eifer, ermunterte ihn zur fortgesetzten Tätigkeit und ermutigte ihn bei Hindernissen und Schwierigkeiten. – Ein höchst wichtiges Ereignis in der Geschichte trat unter dem Pontifikat dieses Papstes ein. Die Nachkommen des Königs Chlodwig waren nur mehr Schattenkönige; sie trugen wohl den Titel eines Königs, ohne aber den Pflichten eines Regenten nachzukommen. Seit einer Reihe von Jahren hatten die Hausmeier, Großhofmeister (Majordomus), tatsächlich die königliche Gewalt bereits ausgeübt. Damals war der unfähige Childerich III. König, Pippin, der Sohn des berühmten Karl Martell ( † 741), Hausmeier. Eine Reichsgesandtschaft erschien nun bei Zacharias mit der Frage, ob der, welcher bloß den Namen trage, aber unfähig zu Hause sitze, oder der, welcher alle Geschäfte des Reiches besorge, König sein soll. Der Papst antwortete, es sei besser, daß derjenige König genannt werde, welcher die Macht habe, als daß derjenige es länger bleibe, welcher keine Macht besitze. Da das Frankenreich nach altem Herkommen ein Wahlreich war, so benützten die Franken auf diesen Bescheid hin ihr Recht: Pippin der Kleine wurde durch die Wahl aller Franken, der Bischöfe und der Großen, nach altem Brauch auf den Thron erhoben. Bonifatius, den Zacharias zum Erzbischof vom Mainz erhoben hatte, vollzog im Auftrag des Papstes als apostolischer Legat die Salbung Pippins zum König des Frankenreiches. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste 1907, S. 229 – S. 232
Der hl. Papst Zacharias und der hl. Bonifatius
Im April des Jahres 742 hatte unter der Leitung des hl. Bonifatius die erste deutsche Nationalversammlung stattgefunden. Eine Reihe der heilsamsten Bestimmungen wurde dort gefaßt. Den Bischöfen und Geistlichen wurde untersagt, Waffen zu tragen. Sie sollten nur ihrem Beruf leben, die heidnischen Gebräuche abschaffen und nicht gestatten, daß man christliche Sklaven an die Heiden verhandle. In demselben Jahr, in dem der hl. Zacharias die Reise nach Ravenna und Pavia unternommen hatte, fand auf dem fränkischen Boden die zweite Kirchenversammlung statt. Die Beschlüsse dieser Versammlungen brachten Gesandte nach Rom, um sie vom heiligen Vater prüfen zu lassen. Der Papst hielt nun zu diesem Zweck in der St. Peterskirche zu Rom ebenfalls eine Kirchenversammlung, in der über die Kirchenzucht wichtige Bestimmungen getroffen wurden. So wurde auch beschlossen, daß die in der Nähe Roms wohnenden Bischöfe jedes Jahr im Mai sich in der Hauptstadt einfinden sollten, um sich mit dem Papst über die wichtigsten Vorkommnisse zu besprechen. Die weiter entfernt wohnenden Bischöfe mussten schriftlich über ihre Diözesen Bericht erstatten.
Im gleichen Jahr erschien der berühmte deutsche Benediktiner-Abt Sturm in Rom, um dem Papst die Pläne des neuen Klosters Fulda in Deutschland vorzulegen. Es sollte nämlich genau nach dem Muster des Klosters Monte Cassino erbaut werden.
Mit der ganzen christlichen Welt stand der hl. Zacharias in eifrigem Verkehr. Er schrieb an den hl. Bonifatius und bestätigte im April des Jahres 742 seine kirchlichen Anordnungen. Viele Briefe des Papstes Zacharias sind noch erhalten, von denen sich die meisten auf Bonifatius und die kirchlichen Verhältnisse in Deutschland beziehen. Zur Zeit des heiligen Bonifatius befanden sich in Deutschland mehrere Irrlehrer, von denen besonders zwei, nämlich Adelbert und Klemens große Unruhen stifteten. Der eine hielt sich für einen Heiligen und großen Wundertäter, der andere wollte die Gläubigen gegen die kirchlichen Vorschriften über die Ehehindernisse aufreizen; beide lehrten, daß durch die Erlösung Jesu Christi auch die Menschen selig werden, welche in ihren Sünden sterben; außerdem verlangten sie, daß die Priester heiraten sollten. Nachdem der heilige Bonifatius im Jahre 744 zu Soissons in Frankreich gegen diese Irrlehrer eine Kirchenversammlung gehalten hatte, berichtete er auch dem Papst über seine Beschlüsse, welche in Rom auch bestätigt wurden. Papst Zacharias sandte dem heiligen Bonifatius wiederum genaue Anweisungen und ordnete eine neue Versammlung an, welche auch im Jahre 747 in England abgehalten wurde. Er stellte in Gallien die Kirchenzucht her und ermunterte den Erzbischof Guthbert in England zum Eifer für die Ausbreitung der wahren Kirche Christi.
Ein Vorwurf betreffs einer Glaubenssache
Ein Vorwurf wird von den Feinden der Päpste gegen den heiligen Zacharias oft angeführt. Auch Papst Zacharias soll in Glaubenssachen geirrt haben. Heute, wo man so gern nachweisen möchte, daß die Päpste nicht unfehlbar sind, kann man diese Anklage nicht mit Stillschweigen übergehen. Es lebte in Deutschland zur Zeit des hl. Zacharias ein Priester, Virgil mit Namen, der behauptet haben soll, es gebe unter unserer Erde auch Menschen. Deswegen berichtete der heilige Bonifatius an den Papst, und dieser schrieb im Mai des Jahres 748: „Was seine gefährliche und verkehrte Lehre angeht, daß er behauptet, es gäbe eine andere Welt und andere Menschen unter der Erde, eine andere Sonne und einen anderen Mond, so setzt ihn ab und stoßt ihn aus der Kirche aus, sobald ihr darüber auf einer Versammlung geurteilt habt.“ In dem ganze Brief ist nicht ein unrichtiges Wort enthalten. Der Papst hat ganz recht, wenn er einen Priester tadelt, der so auffallende Neuerungen lehrt. Es leben zwar Menschen auf der anderen Seite unserer Erdkugel, das stellt der Papst nicht in Abrede. Allein jene Menschen sind dieselben, wie die in Europa und sie bewohnen mit diesen dieselbe Erde. Wenn aber, wie Bonifatius glaubte, Virgil gelehrt hätte, es gebe auf Erden Menschen, die nicht von Adam stammen, so war das eine Lehre, die mit Recht verurteilt und verdammt wurde.
Das Abendland bereitete dem heiligen Papst auch viele Freuden. Von allen Seiten rief man die Vermittlung des Stellvertreters Christi an. Könige und Fürsten entsagten freiwillig der irdischen Krone, um desto gewisser die ewige Krone zu erhalten. Die Völker begriffen immer mehr die Segnungen des Christentums. Mord und Totschlag, Empörung und Grausamkeit wurden seltener. Das Leben der Kinder fand einen Schutz in der christlichen Familie. Diese Wahrnehmung war ein großer Trost für den Vater der Christenheit. Die letzten Stunden des heiligen Zacharias gehörten den unglücklichen Sklaven. Wir wissen, daß für sie im ganzen heidnischen Altertum kein fühlendes Herz geschlagen hat. Anders wurde es im Christentum. Jetzt denkt noch ein sterbender Papst an sie und weiht ihnen seine letzte Liebe. Die Venezianer beschäftigten sich mit der Schiffahrt und mit dem Handel, wobei sie auch den Handel mit Sklaven betrieben. Der heilige Papst verbot ihnen, Christensklaven an die Heiden zu verkaufen; denn „es ist Unrecht, daß Menschen, die in der heiligen Taufe Kinder Gottes geworden sind, Sklaven der Heiden werden.“ Dieses edle Verbot ist die letzte öffentliche Handlung des Papstes gewesen, ehe er einging zur ewigen Freude am 22. März des Jahres 752; er wurde in der St. Peterskirche in Rom begraben. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 250 – S. 253