Die Päpste werden unabhängige Fürsten
Der heilige Papst Gregor II. (regierte von 715-731)
Der heilige Gregor war geboren in Rom im Jahre 669 als Sohn eines gewissen Marcellus. Schon in seiner frühen Jugend wurde er Benediktiner, kam er in den Lateranpalast und wuchs so unter den Augen der Päpste heran. Der heilige Papst Sergius, sein fünfter Vorgänger, verwendete den talentvollen, edlen Jüngling schon im kirchlichen Dienst. Der heilige Gregor wurde später Subdiakon und Verwalter der großen päpstlichen Büchersammlung. Er sah hervorragende deutsche Apostel und selbst deutsche Könige in Rom und konnte mit denselben verkehren, weil er beständig in der Nähe der Päpste war. Um sich noch mehr auszubilden, begleitete er seinen unmittelbaren Vorgänger Konstantinus nach Konstantinopel und lernte so die Griechen und das kaiserliche Hofleben kennen. Er machte durch in der Beantwortung von mehreren wichtigen Fragen durch seine Gelehrsamkeit und Gewandtheit sogar auf den Kaiser Justinian II. einen so günstigen Eindruck, daß derselbe ihn mit würdevoller Verehrung und Hochachtung behandelte.
Nach dem Tod des Papstes Konstantinus wurde er nach sieben morgenländischen Päpsten wieder als der erste Römer am 19. Mai des Jahre 715 auf den Apostolischen Stuhl erhoben. Er zeigte während seiner fast 16-jährigen Regierung eine außerordentliche Geisteskraft. Die Umstände, unter denen Papst Gregor sein hohes Amt antrat, waren nicht günstig und verschlimmerten sich im zweiten Jahr seiner Regierung noch bedeutend. In Konstantinopel waren in vier Jahren ein Kaiser ermordet und drei Kaiser entthront worden. Dann bestieg der wilde Leo der Isaurier den Kaiserthron. An der Spitze der unbändigen Langobarden stand der tapfere, einsichtsvolle, aber ehrgeizige König Luitprand, der es verstand, die Kraft seines Volkes zu seinem Vorteil zu verwerten. Sein Plan war kein anderer, als ganz Italien zu unterjochen. Die Araber eroberten Spanien und drangen bis nach Frankreich vor. Während des Kriegsgetümmels lockerte sich auch die kirchliche Ordnung… –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 234 – S. 236
Kampf im Bilderstreit
In diesem Papst begegnen wir einem wahrhaft edlen und großartig angelegten Charakter, einem Mann von unerschrockenem Mut, von brennendem Eifer für Gottes heilige Sache, von inniger Liebe und tiefem Mitleid. Er war ein geborener Römer und wurde von zarter Jugend auf im Patriarchen-Palast im Lateran unter den Augen der Päpste erzogen, unter Papst Sergius zum Subdiakon und später zum Diakon geweiht. Auf den päpstlichen Stuhl erhoben, zeigte Gregor seine Tatengröße in der beharrlichen Verteidigung der Wahrheit, in seiner Sorgfalt für die Ausbreitung des Glaubens, in seinem Eifer für den inneren Aufbau des Reiches Gottes. Seinen Mut in Verteidigung der Wahrheit gab Gregor noch vor seiner Papstwahl kund in Konstantinopel, wohin er seinen Vorgänger begleitet hatte. Es wird von ihm berichtet, daß er alle Fragen des Kaisers treffend beantwortete, denn er war sehr gut unterrichtet in der Heiligen Schrift und beredt in seiner Sprache. Seine Sitten waren rein, er hatte festen Mut und verteidigte die kirchlichen Rechte mit Entschiedenheit. Während Gregor die Kirche Gottes regierte, herrschten im oströmischen Reich nacheinander die Kaiser Anastasius II. (713-716), Theodosius III. (716-171) und Leo III., der Isaurier (717-741). Der letzte, zuerst Viehhändler, dann Soldat, bewies sich in den ersten zehn Jahren seiner Regierung als trefflicher Regent. Er schlug die Araber zurück, die zweimal Konstantinopel belagert hatten, und stellte auch im Innern Ruhe und Ordnung her. Mit dem Papst stand er in gutem Einvernehmen.
Da verfiel er auf den unglücklichen Gedanken, nach dem Beispiel so vieler Vorgänger auf dem Kaiserthron sich zum Kirchen-Reformator aufzuwerfen. Um sich den Juden und Mohammedanern anzubequemen, erließ er den Befehl, daß in allen seiner Herrschaft unterworfenen Gebieten die Bilder, welche Christum und die Heiligen darstellten, vernichtet werden sollten. Mit unerbittlicher Grausamkeit ging der Tyrann daran, im Orient seinen Plan auszuführen. Im Abendland aber verwarf Gregor das Edikt und verwies dem Kaiser seine Einmischung in die Dogmen der Kirche. Die Römer erhoben sich gleichfalls gegen die Befehle und Anmaßungen des Kaisers, verweigerten ihm die Steuern und brachten den Truppen seiner Statthalter empfindliche Verluste bei. Sie vereitelten auch die Mordversuche gegen den Papst, welche die Statthalter gemäß der Weisung des Kaisers angestiftet hatten. Als die Griechen sich mit den Langobarden vereinigt hatten, um den Papst nach dem Willen des Kaisers entweder gefangen zu nehmen oder zu töten, und schon vor Rom das Lager aufgeschlagen hatten, verlor Gregor auch da den Mut nicht. Er begab sich in das Lager der Langobarden zu König Liutprand und überwältigte ihn durch die Macht seiner Rede so sehrt, daß er sich dem Papst zu Füßen warf, die Römer seines Schutzes versicherte und seinen Mantel und sein goldenes Schwert nebst einer Krone als Gabe auf das Grab des heiligen Petrus nieder legte. Trotzdem der Kaiser schmählich handelte, hielt Papst Gregor doch dessen weltliche Herrschaft in Italien aufrecht und verhinderte die Losreißung der italienischen Teile vom oströmischen Reich.
Mit welcher Kühnheit aber Gregor dem Bilder stürmenden, grausamen Kaiser ins Gewissen redete, davon geben die zwei erhaltenen Briefe Zeugnis. Er wirft ihm sein gottloses, knabenhaftes und kindisches Tun vor, fordert ihn mit ernsten Worten zur Bekehrung auf und schließt mit der Warnung: „Wenn Du wirklich Leute sendest, um das Bild des heiligen Petrus zu zerstören, so beteuern wir: Wir sind unschuldig am Blut, welches sie vergießen werden; auf Deinen Nacken und auf Dein Haupt möge es kommen!“ In dieser Angelegenheit hielt endlich der Papst in Rom noch eine Synode, auf welcher die Ketzerei der Bilderstürmer verworfen und die katholische Lehre von der Verehrung der Bilder bestätigt wurde. –
Missionierungsauftrag und innere Reform
Erfreulich für Gregor waren seine Bemühungen in Ausbreitung des Glaubens und in der Ordnung der kirchlichen Verhältnisse in Deutschland. König Chlodwig war 496 getauft worden und mit seinen Franken in die Kirche eingegangen. Vom Frankenreich kam das Christentum nach und nach zu den einzelnen deutschen Stämmen. Irländer waren es vorzüglich, die im 6. und 7. Jahrhundert in verschiedenen Gegenden Deutschlands als Glaubensboten wirkten, so die Heiligen Fridolin, Kolumban, Gallus und Pirmin. Später traten neben einzelnen anderen Missionaren die Heiligen Rupert, Korbinian und andere auf; hauptsächlich angelsächsische Missionare verkündeten das Evangelium. Der hervorragendste unter diesen war Winfrid, bekannt unter dem Namen der hl. Bonifatius, welcher als der Apostel Deutschlands gefeiert wird…
Winfrid arbeitete mit solchem Erfolg, daß viele Tausende sich bekehrten. Freudig meldete er dies dem Papst, der ihn sofort nach Rom beschied, ihn im Jahre 722 zum Bischof weihte und ihm den Namen Bonifatius gab. Gregor II. gab ihm die kirchliche Gesetzessammlung mit, um Leben und Sitte der Neubekehrten mit den Vorschriften der Kirche in Einklang zu bringen. Gestärkt durch inbrünstiges Gebet am Grab des hl. Petrus und durch die freundlichen Worte des Papstes, wirkte Bonifatius mit neuem Eifer an der Ausrottung des Heidentums…
Einen nicht minder großen Eifer wie für die Erweiterung des Reiches Gottes entwickelte der Papst für dessen inneres Ansehen. Er hielt Synoden, auf denen er eingerissene Übelstände zu beseitigen bemüht war und heilsame Gesetze zur Hebung der Kirchenzucht gab. Da er wohl geordnete Klöster als die Lichtherde des Glaubens, als die Schulen wie der Frömmigkeit so auch der Wissenschaften, der Gesittung und Kultur, als die Zufluchtsstätten der Armen in den Tagen der Not sah, so ging sein unermüdliches Streben dahin, zerstörte Klöster wieder aufzubauen, verlassene zu bevölkern, neue zu errichten und in den bestehenden die verfallene Ordnung wieder herzustellen. So richtete er das von den Langobarden zerstörte Kloster von Monte Cassino wieder auf und baute das Haus seiner verstorbenen Mutter Honesta in ein Kloster um. Eine besondere Sorgfalt widmete er den Kirchen, so daß das Papstbuch meldet, alle aufzuzählen, die er während seines Pontifikates gründlich restaurierte oder mit neuer Zierde versah, würde zu weit führen. So wachte, arbeitete und kämpfte Gregor II. ohne Furcht und Ermüdung, bis der Herr ihn durch einen heiligen Tod am 1. Februar 731 zu sich rief. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, I. Band, 1907, S. 224 – S. 227