Unsere Liebe Frau von Lourdes und Papst Pius IX.
Für uns dürfte von besonderem Interesse sein, die Huldigung glorreichen Andenkens; das ist ja die Huldigung der katholischen Kirche, selbst in ihrem vornehmsten Vertreter, ihrem sichtbaren Haupt; dieselbe ist zum Vorbild, zur Aufmunterung für die ganze Christenheit geworden, und vergessen wir nicht, der Kult Unserer lieben Frau von Lourdes ist der Kult der Immakulata selbst.
Hört also, wie der Vater der ganzen Christenheit, der selige Pius IX., Unserer lieben Frau von Lourdes seine Huldigung bezeigt hatte. Im Garten des Vatikans ließ er 1874 eine naturgetreue Nachahmung der Grotte von Lourdes, die ihm ein reicher Herr von Toulouse zum Geschenk gemacht hatte, aufstellen, und dahin pilgerte er oft in seiner Gefangenschaft und betete zur Unbefleckten für die schweren Anliegen der Kirche. Und oft sagte er, auf die die Statue der Unbefleckten hinweisend: „Die ist meine Hoffnung; menschliche Hoffnung habe ich keine.“ Als am 2. und 3. Juli 1876 die herrliche Basilika in Lourdes konsekriert worden und die Statue der Immakulata daselbst gekrönt werden sollte, ordnete der Heilige Vater eigens zwei Kirchenfürsten ab, in seinem Namen diese Feier vorzunehmen und gab ihnen eine goldene Palme mit, sie der großen Siegerin über die Hölle als Sinnbild ihrer Siege zu Füßen zu legen. Ein Jahr später sandte er der lieben Frau von Lourdes einen kostbaren, goldenen Rosenstrauch, mit Sinnbildern des Glaubens und der Hoffnung, ein kostbares Kunstwerk, mit edlen Steinen und erhabenen Figuren geziert; am 15. September 1877 brachte ein italienischer Pilgerzug das Weihegeschenk nach Lourdes, wo der Erzbischof von Reims es kniend in Empfang nahm und zu den Füßen der von Pius gekrönten Immakulata nieder legte, neben der goldenen Palme. Bereits im Jahre 1869 hatte der Heilige Vater Pius IX. die Erscheinungen von Lourdes als echt erklärt durch Breve vom 4. September.
Der große Nachfolger Pius IX. aber, Leo XIII. hatte für das Jahr 1883 für alle, die in diesem Jahr Lourdes besuchen würden, einen Jubiläums-Ablass gewährt, durch ein Schreiben vom 24. Dezember 1882.
So haben die Päpste des Zeitalters der Immakulata Unsere liebe Frau von Lourdes geehrt; ihren Fußstapfen folgten treu die Völker katholischen Namens…
Und unwillkürlich fragt sich ein jeder Katholik, dem es nicht vergönnt ist, selbst die heilige Grotte von Lourdes zu schauen und dort am Ort der Wunder sein ganzes Herz der unbefleckten Gottesmutter darzubringen, wie etwa auch er, dem Beispiel der Päpste folgend, in so weiter Entfernung vom Gnadenort, sich an den großen Huldigungen der Welt beteiligen und jene würdig ehren möchte, die mit den Worten: „Buße, Buße, Buße“ und „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“ alle Menschen, sicher alle Kinder der heiligen Kirche, gleichsam zu ihrem Gnadenthron herbei gerufen und Gnaden über Gnaden in Aussicht gestellt hat, wenn wir sie bei ihr, durch sie erflehen und ihrer Aufforderung zur Buße folgen wollen. Als Antwort weiß ich nichts Besseres zu sagen als: Trennen wir die Hauptsache von dem Nebensächlichen und fragen wir, was war der tiefere Gedanke der großen Wundererscheinungen von Lourdes? Offenbar gingen die heiligen Absichten Gottes dahin, durch diese außerordentlichen Ereignisse die zum großen Teil in Unglauben und Gleichgültigkeit und Gottvergessenheit versunkene Menschheit aus ihrem verderblichen Schlaf aufzurütteln, ihren Glauben neu zu beleben, ihnen Mut und Vertrauen auf höhere Hilfe einzuflößen, sie aufzumuntern, den ob auch rauhen Weg des Heiles aufzusuchen, und dabei ein unbegrenztes Vertrauen auf die unbefleckte Gottesmutter zu setzen, der nun in dieser neuen Ära von Gott die besondere Aufgabe geworden, durch ihre mächtige Fürbitte die Menschen, soweit sie nur noch einen Funken guten Willens haben, zu ihrem göttlichen Sohn Jesus Christus, zu seinem göttlichen Herzen, dem unerschöpflichen Born aller Gnade, das heißt, zum Glauben und zur Liebe Jesu Christi zurück zu führen.
Das ist die Hauptsache, die Wallfahrten kommen dann an zweiter Stelle; das ist die Bedeutung von Lourdes für alle; und darauf wird auch von allen, die davon hören und wissen, die rechte, lebensvolle Antwort gefordert. Welche Antwort? Sie ist im Gesagten enthalten: Folgen wir treu der Stimme unserer Mutter, üben wir eifrig und standhaft die uns allen so notwendige Buße der Selbst-Überwindung und Abtötung, wo immer es gilt, die Sünde zu meiden, Tugend zu üben. Erneuern wir uns im Glauben und im wahren Leben nach dem Glauben, trachten wir vor allem nach den höheren Gütern, nach dem ewigen Leben.
Vergessen wir aber dabei nie, was uns auch unser Heiliger Vater Pius X. in seinem Rundschreiben vom 2. Februar dieses Jahres so warm ans Herz gelegt hat: Der sicherste und kürzeste Weg zu Jesus ist Maria, durch ihre mächtige Fürbitte bei Jesus, ihrem göttlichen Sohn, durch ihre Liebe zu uns Menschen-Kindern, durch ihr Beispiel. Womit sie uns allen auf dem Weg des Heiles so wunderbar voran leuchtet. Das ist der Inhalt, die Bedeutung des großen Wunders von Lourdes, und der Stimme der Hochgebenedeiten: „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis.“
Wir wissen nun, was wir zu tun haben in diesem Zeitalter der Gnade: Fassen wir danach unsere heiligen Entschlüsse für dieses Jubeljahr, für unser ganzes Leben. O, diese heiligen Vorsätze, treu und beständig gehalten, sie sind die rechte, die schönste Antwort auf die Stimme der unbefleckten Mutter, ja fürwahr das lebendige, tatsächliche: Gelobt und gepriesen sei die heilige und Unbefleckte Empfängnis des seligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria. Amen. –
aus: Alois Jos. Schweykart SJ, Die Verehrung der Unbefleckten Empfängnis Mariä in der Geschichte der Kirche, 1905, S. 209 – S. 211