Von der Flucht der bösen Gesellschaft und falscher Freunde
Predigtskizze vom heiligen Alphons Maria von Liguori
Für den dreizehnten Sonntag nach Pfingsten
Und es begegneten ihm zehn aussätzige Männer, und da er sie sah, sprach er, geht hin, zeigt euch den Priestern! Und es geschah, indem sie hingingen, wurden sie rein. Luk. 17 12 u. 14
Im heutigen Evangelium heißt es, dass zehn Aussätzige Jesu begegneten und Ihn baten, Er wolle sie doch vom Aussatz befreien. Da befahl ihnen der Herr, sie sollten sich den Priestern im Tempel zeigen, aber ehe sie daselbst anlangten, waren sie bereits geheilt. Man könnte hier die Frage aufwerfen, warum der Heiland, da Er sie doch auf der Stelle heilen konnte, von ihnen verlangte, dass sie diesen Ort verließen, worauf Er sie erst auf dem Wege heilte?
Antonius von Lissabon sagt, Jesus Christus habe vorhergesehen, dass, wenn Er sie auf der Stelle geheilt, die Aussätzigen an jenem Ort geblieben wären, wo sie mit denen, die sie angesteckt, noch ferner Umgang gehabt, und so leicht wieder in ihr altes Übel zurückgefallen wären. Deshalb wollte Jesus, dass sie jenen Ort verließen, worauf Er sie dann erste heilte.
Wir wollen indes jetzt, dem sei wie ihm wolle, näher betrachten, was wir aus dieser Begebenheit lernen können.
Der Aussatz gleicht der Sünde, denn gleichwie der Aussatz ein Übel ist, das man durch Ansteckung erlangt, so sind auch die bösen Sitten jener ansteckend für uns, mit welchen wir Umgang haben. Solche Aussätzige können also nur dann genesen, wenn sie sich von ihren bösen Gefährten trennen, denn, sagt das Sprichwort, wer mit Krätzigen umgeht, bekommt selbst die Krätze.
In der heutigen Predigt will ich euch also zeigen, meine Christen, dass, um ein gottgefälliges Leben zu führen, man die böse Gesellschaft fliehen muss.
Mit den Verkehrten wirst du verkehrt
1. Der heilige Geist sagt: Der Freund der Toren wird ihnen gleich. Sprichw. 13, 20. Jene Christen, die in der Ungnade Gottes dahinleben, sind Toren, welche nach dem Ausspruch des P. Avila ins Narrenhaus eingesperrt zu werden verdienten. Kann es auch nur eine größere Torheit geben als die, an eine Hölle zu glauben und dennoch in der Sünde fortzuleben. Wer aber mit solchen Toren Freundschaft schließt, wird ihnen binnen kurzem ähnlich sein.
Wenn ein solcher auch noch so oft den Predigten selbst heiliger Männer beiwohnen sollte, so wird er dennoch lasterhaft bleiben, nach jenem Ausspruch: Das Beispiel bewirkt mehr als Worte. Weshalb der königliche Prophet ausruft: Mit den Heiligen wirst du heilig sein und mit den Verkehrten verkehrt. Ps. 26, 27.
Der heil. Augustin sagt, dass der vertrauensvolle Umgang mit lasterhaften Menschen einer Kralle gleiche, die uns zu demselben Laster fortreiße. Fliehen wir, sagt der Heilige, solche bösen Freunde, damit ihre Gesellschaft uns nicht zur Teilnahme an ihren Lastern verleite. Ein großes Mittel zur Seligkeit ist es, sagt der heil. Thomas, dass man wisse, wen man fliehen solle.
Du wirst gleich werden mit jenen, mit denen du Umgang hast
2. Ihr Weg soll finster und schlüpfrig werden: und der Engel des Herrn verfolge sie. Ps. 34, 6. Solange wir noch in dieser Welt sind, wandeln wir in der Finsternis und auf schlüpfrigem Pfade. Wenn nun also ein böser Engel, nämlich ein schlechter Gefährte (der noch schlimmer als der Teufel ist), uns verfolgt und in einen Abgrund hinreißt, so werden wir nur schwerlich dem Tode entgehen. Plato sagte: Du wirst sein gleichwie jene, mit denen du Umgang hast.
Und der heil Chrysostomus behauptete, dass, um einen Menschen genau zu kennen, man nur Acht geben müsse, mit wem er Umgang habe, denn die Freundschaft fordert, dass man entweder dem Freund schon zuvor sehr ähnlich sei, oder dass man es werde; und dies aus zwei Gründen, erstens, weil man, um seinem Freund zu gefallen, sich bemühen wird, ihn nachzuahmen, und zweitens, wie Seneca bemerkt, weil wir von Natur geneigt sind, das zu tun, was wir andere tun sehen.
Vor allem lehrt uns dies die heilige Schrift, in welcher es heißt: Sie mischten sich unter die Völker und lernten ihre Werke. Ps. 105, 35. Auch bemerkt der heil. Bernhard, dass der heil. Petrus erst da seinen Herrn verleugnet habe, als er mit den Feinden Jesu beisammen war.
Wer mit Lasterhaften Umgang hat, wird selber lasterhaft
3. Wie ist es auch nur möglich, sprach der heil. Ambrosius, dass deine bösen Gefährten, die vor Unlauterkeit die Lüfte verpesten, dir den Geruch der Keuschheit einflößen. Wie könnten sie dir auch wohl Geschmack an heiligen Dingen mitteilen, da sie selbst dieselben verachten? Wie sollten sie bewirken, dass du bei der Beleidigung Gottes errötest, da sie selbst Ihn von sich stoßen. Der heil. Augustin (Confess. L. 2. C. 5.) sagt von sich selbst, dass, als er Umgang mit Lasterhaften gehabt, die sich ihrer Verbrechen rühmten, er gereizt wurde, ohne Scham zu sündigen, und dass er sich seiner Gottlosigkeit rühmte, um nicht angesehen zu werden, als ob er ihnen hierin nachstehe: Ich schämte mich, nicht schamlos zu sein.
Deshalb ermahnt uns der Prophet Isaias: Rührt nichts Unreines an. Is. 52, 11. Auch heißt es in der heiligen Schrift: Wer Pech anrührt, besudelt sich damit: und wer mit einem Hoffärtigen Umgang hat, wird auch hoffärtig werden. Eccl. 13, 1. Dasselbe gilt auch noch für alle übrigen Laster.
Der Teufel bedient sich der bösen Freunde
4. Was sollen wir nun also tun? Der weise Mann antwortet, dass wir nicht nur die Laster solcher sittenlosen Menschen fliehen, sondern dass wir uns auch hüten sollen, nicht jene Wege zu wandeln, die sie betreten: Mein Sohn halt zurück deinen Fuß von ihren Wegen. Sprichw. 1, 15.
Wir müssen also ihren Umgang, ihre Unterhaltung, ihre Einladungen, ihre Vergnügungen und Geschenke meiden, wodurch sie uns in ihre Netze zu locken suchen: Mein Sohn, wenn dich die Sünder locken, folge ihnen nicht. Sprichw. 1, 10. Ohne die Schlinge, dessen sich der Jäger bedient, würde der Vogel nicht ins Netz fallen: Fällt wohl der Vogel in den Strick auf der Erde, ohne Vogelsteller? Amos 3, 5. Der Teufel bedient sich, nach dem Ausspruch des Propheten Jeremias der bösen Freunde als Schlingen, womit er die Seelen in seinem Netz fängt: Es machten Jagd und fingen mich wie einen Vogel, meine Feinde ohne Ursache. Klagel. 3, 52.
Er sagt ohne Ursache, denn wenn man solch einen Gottlosen fragt, warum er diesen armen Jüngling zur Sünde verleitet habe, so antwortet er gar oft: Ohne besondere Ursache, ich wollte nur sehen, ob er es auch so machen werde wie ich. Gerade das, sagt der heil. Ephrem, ist ein Kunstgriff des Teufels, dass, wenn er eine Seele in seinem Netz gefangen, er dieselbe benützt, um sich ihrer als Lockspeise für andere zu bedienen.
Du musst den Umgang mit den lasterhaften Freunden wie die Pest meiden
5. Deshalb müssen wir, wie die Pest den genauen Umgang mit solch höllischen Skorpionen meiden. Ich verstehe aber hierunter, dass man sich nicht mit solchen verbrüdere, nicht oft mit ihnen speise oder sich länger mit ihnen unterhalte, denn, sagt der Apostel, es ist unmöglich, gar keine Gemeinschaft mit ihnen zu haben: Denn sonst müsstet ihr aus dieser Welt gehen. 1. Kor. 5, 10.
Es ist hingegen möglich, einem freundschaftlichen Umgang mit ihnen zu entsagen: Ich schrieb euch, fährt der Apostel fort, keine Gemeinschaft damit zu haben; mit einem solchen sollt ihr nicht einmal essen. Wenn ich solche Menschen Skorpione nenne, so wiederhole ich nur, was der Prophet Ezechiel gesagt hat: Aufwiegler sind bei dir, und unter Skorpionen wohnst du. Ezech. 2, 6.
Und du wagst es, mein Christ, mitten unter Skorpionen zu wohnen? Siehe, von heute an musst du alle jene, welche Ärgernis geben, und welche durch Beispiele und Worte die Seelen vergiften, aufs sorgfältigste meiden: Des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein. Matth. 10, 36. Gottlose Freunde werden für unsere Seele nur desto schädlicher sein, je enger wir mit ihnen verbunden sind.
In der heiligen Schrift heißt es: Wer wird mit einem Beschwörer Mitleid haben, wenn er von der Schlange gebissen worden, oder mit allen, die sich wilden Tieren nahen? So auch niemand mit dem, der mit einem bösen Menschen Umgang hat. Eccl. 12, 13. Wer wird auch nur mit Menschen Mitleid haben, die sich mit Schlangen und wilden Tieren abgeben wollen, wenn sie von ihnen verwundet werden? Ebenso ergeht es aber dem, der mit gottlosen Menschen Umgang hat, wenn er durch ihr Beispiel verführt, in Sünden fällt, und sich ins Verderben stürzt; alsdann werden weder Gott noch die Menschen sich seiner erbarmen, nachdem er so oft ermahnt wurde, sich vor dieser Gefahr zu hüten.
Böse Reden verderben gute Sitten
6. Ein einziger, der Ärgernis gibt, reicht hin, um alle anzustecken, die freundlichen Umgang mit ihm haben: Wisset ihr nicht, sagt der heil. Paulus, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Tag durchsäuert. 1. Kor. 5, 6. Der heil. Thomas sagt über diese Stelle, dass durch eine einzige Sünde des Ärgernisses die ganze Gesellschaft angesteckt werde. Durch einen einzigen falschen Grundsatz kann solch ein ärgerlicher Mensch alle seine Freunde verderben. Das sind jene falschen Propheten, vor denen Jesus Christus ermahnt, uns in Acht zu nehmen. (Matth. 7, 15)
Die falschen Propheten betrügen nicht nur durch falsche Weissagungen, sondern auch durch ihre falschen Lehren und Grundsätze, die noch weit schädlicher sind; denn, sagt Seneca, sie lassen in den Seelen gewisse gottlose Samenkörner zurück, die zum Bösen reizen. Die Erfahrung lehrt die Wahrheit dessen, was der heil. Paulus sagt, dass nämliche ärgerliche Reden die Sitten derjenigen verderben, die sie anhören: Böse Reden verderben gute Sitten. 1. Kor. 15, 33.
Ein Jüngling wird vielleicht noch, aus Furcht Gottes davor zurückbeben, diese oder jene Sünde zu begehen. Da kommt aber solch ein gottloser Freund und spricht zu ihm, gleichwie die Schlange zur Eva: Keineswegs werdet ihr sterben. Gen. 3, 4. Was fürchtest du dich auch nur? Mache es, wie so viele andere; du bist ja noch jung. Gott hat Mitleid mit deiner Jugend. Alsdann sprechen sie zu ihm, wie es im Buch der Weisheit heißt: Kommt, überall wollen wir Zeichen der Freude hinterlassen. Weish. 22, 9. Komme mit uns, wir wollen uns unterhalten und fröhlich sein.
O gottlose Freundschaft! Ruft ein heil. Augustin aus; wenn es heißt, gehen wir, tun wir es, so schämen wir uns, nicht unverschämt zu sein. Wir schämen uns vielmehr, den anderen nicht zu folgen, und es nicht zu machen wie sie.
Suche den Rat eines christlichen Ratgebers
7. Wenn sich aber eine Leidenschaft in unserer Seele entzündet hat, so müssen wir besonders sorgfältig in der Wahl unserer Ratgeber sein; denn die Leidenschaft bewirkt es, dass wir gerade dann am liebsten bei jenen Rat suchen, deren Urteil am meisten unserer Leidenschaft schmeicheln wird. Mehr als jeden anderen Feind müssen wir solche Ratgeber fliehen, die nicht nach dem Geist Gottes entscheiden, denn wenn zu der Leidenschaft noch ein schlechter Rat hinzukommt, so kann uns dies zu den schrecklichsten Ausschweifungen verleiten.
Freilich werden wir, wenn Ruhe in unser Herz zurückgekehrt, unseren Irrtum und den Fallstrick erkennen, den ein falscher Freund uns gelegt hat, aber wir werden alsdann dem Schaden nicht mehr abhelfen können. Dagegen wird der Rat eines Freundes, welcher der Wahrheit gemäß mit christlicher Sanftmut entscheidet, uns vor vielen Verirrungen bewahren und Ruhe in unser Herz flößen.
Entferne dich von deinen bösen Gefährten
8. Fortwährend ermahnt uns der Herr: Entferne dich vom Unrecht, so wird das Übel von dir weichen. Eccl. 7, 2. Fliehe, entferne dich von deinen bösen Gefährten, und du wirst nicht in Sünden fallen: Lass dir den Weg des Bösen nicht gefallen und fliehe davor. Sprichw. 4, 14 u.15. Fliehe die Wege, auf welchen die gefährlichen Freunde einhergehen, damit du ihnen nicht etwa begegnest: Verlasse einen alten Freund nicht, denn der neue kommt ihm nicht gleich. Eccl. 9, 14. Verlass nicht deinen alten Freund, nämlich Gott, der dich schon geliebt, ehe du noch in der Welt warst: Mit ewiger Liebe lieb` ich dich. Jer. 31, 3.
Die neuen Freunde lieben dich nicht, nein, sie hassen dich mehr als dein größter Feind, da sie nicht, gleichwie Gott, auf dein Wohlergehen bedacht sind; denn sie verlangen bloß ihre eigene Lust, sie wollen dich nur zu Teilnehmern ihrer bösen Handlungen haben, damit sie dich mit sich ins Verderben hinabziehen.
Aber, wendet hierauf vielleicht jemand ein, ich mag nicht mit einem Freund brechen, der es gut mit mir meint, dies scheint mir Undank zu sein. Was, er meint es gut mit dir, es wäre dies Undank? Gott allein meint es gut mit uns, da Er unser ewiges Heil will, dieser Freund dagegen sucht nur unseren ewigen Tod zu bewirken. Er will, dass wir ihm nachahmen und es liegt ihm nichts daran, ob wir selig oder verdammt werden. Es ist aber auch kein Undank, wenn man einen Freund verlässt, der uns ins Verderben stürzt, dagegen ist es der größte Undank, Gott zu verlassen, der uns erschaffen hat, der für uns am Kreuz gestorben ist und der unsere Seligkeit so innig wünscht.
Fliehe auch die Orte, wo gottlose Reden gehalten werden
9. Deshalb müssen wir also den Umgang solcher schlechten Freunde fliehen: Verzäune deine Ohren mit Dornen und höre auf keine gottlose Zunge. Eccl. 28, 28. Fliehen wir sogar die Orte, wo wir sie reden hören, denn schon ihre Worte können uns zum Fall bringen; und wenn wir ihre bösen Reden anhören müssen, so bewaffnen wir uns mit Dornen; weisen wir solche Menschen alsdann auch zurecht, damit wir sie nicht nur abweisen, sondern auch bessern.
Vernehmt jetzt, meine Christen, ein schreckliches Beispiel, woran ihr erkennen könnt, welches Verderben schlechte Freunde anrichten. Der Pater Sabatinus erzählt, dass, als zwei solche Freunde sich eines Tages beisammen befanden, der eine von ihnen eine Sünde beging, um dem anderen einen Gefallen zu erweisen. Nachdem sie sich hierauf voneinander getrennt, starb jener plötzlich. Als nun der andere, der noch nichts von dem Tod seines Freundes erfahren, sich schlafen gelegt, da erblickte er im Traum seinen Freund und wollte ihn wie gewöhnlich umarmen. Dieser aber erschien plötzlich von Feuer erglühend und begann hierauf zu fluchen und ihm Vorwürfe zu machen, dass er die Ursache seiner Verdammnis sei.
Da erwachte der Jüngling und nachdem er den Tod seines Freundes erfahren, bekehrte er sich und änderte sein Leben. Sein unglücklicher Freund war aber des ungeachtet ohne Rettung verloren, und es wird ihm die ganze Ewigkeit nicht mehr zu helfen sein. –
aus: Gesammelte Predigten des hl. Alphons Maria von Liguori, 42. Predigt, 1864, S. 387 – S. 393
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