Lichtmess Ein Licht zur Erleuchtung der Heiden
„Ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.“ (Luk. 2,32)
Einer der schönsten Orden (oder religiösen Vereine) unserer heiligen katholischen Kirche war der Orden von der heiligen Dreifaltigkeit zur Befreiung der Christensklaven aus den Händen der Sarazenen oder Türken. Mohammed ließ seine Religion ausbreiten mit Feuer und Schwert: wer nicht seiner Lehre glaubte, wurde getötet; jedem Türken, der sich an diesem Kampf um die Verbreitung seiner Lehre beteiligte, verhieß er die süßesten Freuden seines Paradieses. Das entflammte die wilden arabischen Völker zu unerhörtem Mut und Grausamkeit. Daher lange und schreckliche Kriege mit den Christen: die Türken eroberten das Heilige Land und Jerusalem, sie eroberten Konstantinopel, kamen bis vor Wien, sie eroberten alle christlichen Kirchen in Afrika, kamen nach Italien, nach Frankreich und Spanien, das sie fast ganz in Besitz nahmen. Viele Christen wurden gefangen und entweder grausam ermordet oder in harter Sklaverei gehalten. Das waren aber nicht bloß schreckliche Leiden für die Gefangenen selbst, sondern auch für deren Anverwandten in der Heimat: für die Kinder, deren Väter, für die Eltern, deren Kinder, für die Frauen, deren Männer in türkischer Gefangenschaft waren: sie litten unsägliche Pein. Daher dachten fromme und heilige Männer nach, wie da zu helfen wäre, und Gott selbst zeigte den Weg zur Hilfe.
Orden der Dreifaltigkeit – Loskauf der Sklaven
Der hl. Johannes von Matha hatte, als er in der Kapelle des Erzbischofs von Paris seine erste heilige Messe las, ein Gesicht: er sah einen Engel in weißem, lichtem Kleid, auf der Brust ein zweifarbiges, rotes und himmelblaues, Kreuz, seine beiden Arme auf zwei zu seinen Seiten stehende Gefangene, einen christlichen und einen türkischen, gestützt, und dieser Engel bedeutete ihm, er sei berufen zur Loskaufung der Christensklaven. Er ging im Verein mit dem hl. Felix von Valois in eine Einöde, um sich auf den erhabenen Beruf vorzubereiten; da waren sie drei Jahre; eines Tages saßen sie an einer Quelle, in Betrachtung versunken, da steht auf einmal ein Hirsch vor ihnen und trägt zwischen seinem Geweih das geheimnisvolle Kreuz von roter und blauer Farbe: sie verdoppelten ihre Gebete und gingen nach Rom; dann begaben sich beide zum Papst Innozenz III., der, im Traumgesicht von Gott dazu ermahnt, diesen großen schönen Orden bestätigte: den Orden der heiligen Dreifaltigkeit. Im Jahre 1200 sah man die erste Schar von zweihundert losgekauften Christen aus Marokko nach der Heimat zurück kehren. So groß aber die Opfer waren, welche die Glieder dieses Ordens brachten, – sie opferten ihr ganzes Vermögen – es reichte nicht aus und erschien auch den Gliedern noch nicht das größte Opfer. Der hl. Johannes, der Liebesjünger, sagt: Daran haben wir die Liebe Gottes erkannt, daß er sein Leben für uns dahin gab; und auch wir sollen für die Brüder das Leben lassen. Bisher hatten sie aber nur ihr Vermögen für die Brüder, noch nicht ihr Leben gelassen.
Orden zum Loskauf der Gefangenen
Daher entstand noch ein Orden, dessen Mitglieder das Gelübde machten, nicht bloß ihr Vermögen, sondern auch ihre Person und ihr Leben dem großen heiligen Zweck der Loskaufung der Sklaven zum Opfer zu bringen. Und die Ursache zu diesem großen Entschluss war die liebe Mutter Gottes. Sie erschien dem hl. Petrus von Nolasco, aus einem vornehmen Geschlecht in Frankreich, als dieser des Nachts in der Wallfahrtskirche zu Montserrat in Spanien betete und den Entschluss faßte, zur Befreiung der gefangenen Christen sich selbst zu verkaufen, – das Gotteskind auf dem Arm, von himmlischem Glanz umstrahlt, – und bedeutete ihm, daß es ihr und ihrem göttlichen Sohn das Angenehmste wäre, was er tun könnte, wenn er einen Orden gründete, dessen Mitglieder sich selbst, wie unser Heiland für uns, als Bürge stellten, um die Gefangenen Christen zu befreien. In derselben Nacht hatte der König Jakob I. von Aragonien dasselbe Gesicht: Maria ermahnte ihn, den hl. Petrus von Nolasco zu unterstützen. Und der König tat es: Petrus von Nolasco ging im Verein mit dem hl. Raimund von Pennafort nach Rom; Papst Gregor IX. bestätigte und segnete ihr Anliegen, und der Orden nannte sich der Orden der seligsten Jungfrau zum Lohn. Das ist eine wahre Geschichte, was ich da erzähle, und eine der schönsten Seiten aus der Kirchengeschichte: die großen heiligen Männer haben unseren Erlöser am vollkommensten nachgeahmt; wie er für uns sein Leben eingesetzt, so haben auch sie ihr Leben für ihre gefangenen Mitchristen eingesetzt, und das um so freudiger, als die seligste Jungfrau ihnen ihr und ihres Sohnes Wohlgefallen ausgesprochen.
Loskauf der Sklaven der Sünde
Keine Gefangenen und Sklaven sind aber unglücklicher und bejammernswerter als jene, die da schmachten und seufzen in der Sklaverei der Sünde und Leidenschaft, in den Ketten des bösen Feindes. Es ist diese Gefangenschaft um so gefährlicher, als jene, die darin liegen, sie oft nicht anschlagen und nicht einmal gern daraus erlöst sein wollen, obgleich sie die Seele ewig unglücklich macht. Daher wünscht denn auch die liebe Mutter Gottes nichts so sehr, als solchen armen Gefangenen Hilfe und Erlösung zu bringen, um das größte Opfer, das eine Mutter bringen kann, hat sie gebracht, um jenen Unglücklichen Trost und Rettung zu verschaffen. Das heutige Fest erinnert uns daran, wie gottergeben und opferwillig sie das liebe Jesuskind von Bethlehem in den Tempel hinüber getragen, um es daselbst auf dem Brandopfer-Altar nieder zu legen, und wie geduldig und starkmütig sie die Weissagung Simeons angehört, der sie segnete und zu ihr sprach: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel, und als Zeichen, dem man widersprechen wird. Und ein Schwert wird deine eigene Seele durchdringen, damit die Gedanken vieler Herzen offenbar werden.
Retterin aus den Banden der Sünden
Da ist doch aber nichts so trostreich für den armen Christen, der in den Banden der Sünden gefangen liegt, als noch eine Retterin in der Not zu kennen, die allzeit bereit ist, ihm ihre mütterliche Hand zu reichen. Denn heute singt die Kirche von ihr: Solve vincla reis, profer lumen caecis, löse den Schuldigen die Bande, bringe den Verblendeten Licht. Um was aber die Kirche die seligste Jungfrau bittet, das hält sie für ihren himmlischen Beruf, und so arbeitet sie unermüdlich daran, die Verschuldeten aus ihren Banden zu lösen und den Blinden ein Licht anzuzünden. Es braucht darum noch keiner zu verzagen, keiner zu verzweifeln, solange wir noch zu Maria rufen und beten können: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns arme Sünder; denn sie heißt nicht umsonst Hilfe der Christen und Zuflucht der Sündern. An diese trostreiche Hoffnung werden wir aber vor allem am heutigen Fest hingewiesen, am Fest Mariä Lichtmess. Als nämlich der greise Simeon das göttliche Jesuskind auf den Armen hielt, da begann er, für diese Gnade Gott zu danken und ein Jubellied zu singen: Nun entlässest du, o Herr, deinen Diener in Frieden; denn meine Augen haben dein Heil gesehen, das du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker als ein Licht zur Erleuchtung der Heiden. Dieses Licht aber, ohne das niemand weiß, woher er kommt, wohin er geht und gehen soll, dieses Licht, es leuchtet noch: es ist Jesus Christus und seine Lehre; denn er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben; der Weg durch seine Gebote, die Wahrheit durch seine Lehre, das Leben durch seine Gebote. Darum singt auch jeder gläubige Christ vom Heiland so oft und so gern:
Er ist meines Lebens Licht,
Meinen Jesus laß ich nicht!
Dieses Licht aber ist es, das heute die seligste Jungfrau vom Himmel aus allen Menschen hinhält, damit dieses Licht, das ewige Licht, ihnen leuchte. Ihr also sind wir darum Dank schuldig, und diesen Dank statten wir ihr am besten dadurch ab, daß wir uns von jenem Licht leuchten und erleuchten lassen und an ihm festhalten.
Irrlichter – Gefahren für das Seelenheil
Heut zu Tage gibt es nun viele, die damit umgehen, dieses herrliche, große, segensreiche Licht, die Sonne der Gerechtigkeit, auszulöschen und ihre eigenen Lichter den Menschen anzuzünden. Das sind aber Irrlichter, die da über Sumpf und Morast aufgehen und in Sumpf und Morast führen, Irrlichter, die allen jenen, verderblich werden, die ihnen folgen. Seht einmal genauer zu, ob es nicht so ist: man liefert jetzt den Leuten Zeitungen und Schriften ins Haus und verspottet darin Tag für Tag alle Religion, das Christentum, die Kirche, leugnet die Unsterblichkeit der Seele, die ewige Vergeltung, Himmel und Hölle. Was haben wir denn aber dann zu erwarten, wenn erst diese Leute recht hätten, wenn es nach diesem Leben für uns gar nichts mehr gäbe? Dann sind wir erst recht unglücklich. Das ganze Leben haben wir Tag für Tag zu leiden und Kreuz zu tragen, und haben mitten in den Trübsalen nur die Hoffnung, daß wir auch nach dem Tod fortleben, im Himmel eine Wohnung des Friedens finden und uns mit allen unseren Anverwandten und Freunden, die uns teuer und unvergeßlich sind, freuen können. Und nun kommen uns täglich solche sittlich abgehaufte und glaubensbankrotte Meuchelmörder und teuflisch gesinnte Leute und wollen uns diese unsere christliche Hoffnung ausreden und zunichte machen und unseren Herrgott als Lügner hinstellen. Sie also sind Irrlichter; und darum wird kein gläubiger Christ so töricht sein und die Sonne, die uns Maria gebracht, verlassen, um einem Irrlicht nachzugehen: nein, jeder, der nur einen Funken Vernunft hat, wird an Christus dem Herrn festhalten und sprechen:
Er ist meines Lebens Licht,
Meinen Jesus laß ich nicht!
Meine Augen haben das Heil gesehen
Ein größeres Glück aber kann es keines geben, als nach diesem schweren, kummervollen Leben hier im Tal der Tränen – dereinst unseren Heiland zu sehen. Welche Freude empfand der greise Simeon, als ihm die Mutter Gottes seinen Heiland in die Arme gab, wie jubelte der fromme Greis auf, und wie froh sprach er: Laß, o Herr, deinen Diener nun in Frieden scheiden, denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker, das Licht zur Erleuchtung der Menschen! Was aber wird es erst für uns einmal eine Freude sein, wenn wir ihn, unseren Heiland, nach unserem Tod zum ersten Mal sehen! Von Kindheit an haben wir Tag für Tag von ihm gehört und gelernt und gelesen, von Kindheit an haben wir Tag für Tag an ihn geglaubt, auf ihn gehofft, ihn geliebt; von Kindheit an haben wir Tag für Tag ihm uns mit Leib und Seele, mit Herz und Mund geweiht und so oft gebetet:
Jesus, dir lebe ich, Jesus, dir sterbe ich, Jesus, dein bin ich tot und lebendig.
Und wenn wir ihm auch manchmal untreu geworden, wenn wir ihn auch oft und schwer beleidigt, immer doch hat er uns wieder an sein liebreiches, barmherziges Herz, an seine Krippe, an sein Kreuz, an sein Grab, an seine Wohnung im Sakrament hingezogen. Wie also, sollten wir uns nicht freuen dürfen auf die Stunde, wo wir ihn zum ersten Mal sehen? – Wenn unser irdisches Leben und mit all unser Kummer, all unser Leid, all unsere Sorge, all unsere Not, all unser Elend zu Ende ist und unser Herz ausgeschlagen hat, ach ja! Da dürfen wir uns freuen, ihn zu sehen, der unsere einzige Hoffnung gewesen, und ihm zu Füßen fallen und ihm danken. Darum laßt auch uns mit dem seligen Hermannus Contractus singen:
So wende denn dein Angesicht
Auf uns vom Himmelsthrone,
Uns schirme, unsre Mittlerin:
Sei uns zum starken Schilde!
Nach diesem Leben zeig uns ihn,
O gütige, o Milde!
Das ist aber noch nicht alles, was die liebe Mutter Gottes am heutigen Tag tut: sie bringt nicht bloß den Blinden das Licht, sondern auch den Schuldigen und Gefangenen die Freiheit und Erlösung. In der christlichen Vorzeit hatte jeder Altar in der Kirche das Privilegium oder Vorrecht, daß auch der schwerste zum Tode verurteilte Verbrecher begnadigt und frei war, dem es gelang, in eine Kirche zu flüchten und sich an den Altar fest zu klammern: die Kirche, besonders der Altar, war eine Zufluchtsstätte der Sünder, welche Könige und Kaiser anerkannten und achteten. Ein solcher Schutz und Sühnaltar der Sünder ist aber die seligste Jungfrau, die da das Gotteskindlein auf den Armen trägt. –
Das ganze menschliche Leben ist wie ein schreckliches Ungewitter. Wie viele Donnerschläge, wie viele Blitzschläge darin! Was haben nicht jene zu befürchten, die Gott schwer beleidigen? Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Aber der Sturm des menschlichen Lebens mit seinen unordentlichen Leidenschaften geht glücklich an denen vorüber, die unter den Schutzmantel Marias fliehen.
Ach! Das hat niemand so gut gewußt als der hl. Bernhard; denn er hat jenes vertrauensvolle Wort gesprochen: Unica spes mea Jesus et post Jesum Maria, meine einzige Hoffnung ist Jesus und nach Jesus Maria.
Bete darum ein jeder vor ihrem Bild:
Sieh mich armen großen Sünder
Hier zu deinen Füßen knien.
Soll das ärmste deiner Kinder
Ohn` Erbarmen von dir ziehn?
Nein, o Mutter, usw.
Seht, Maria hat noch immer dasselbe mitleidsvolle, gute Mutterherz und hilft jedem, der geholfen werden will, aus den Ketten und Banden der Sünde, aus der Gewalt des bösen Feindes, sie verschafft jedem Begnadigung und hilft jedem ans Herz Gottes. Darum braucht keiner zu verzagen, nein, voller Zuversicht mag auch der größte Sünder kommen und mit dem hl. Bernardus zu ihr beten:
Mutter, Jungfrau der Jungfrauen,
Siehe, ich fliehe hin zu dir!
Siehe, ich komme voll Vertrauen,
Mutter, hilf, o hilf auch mir!
aus: Philipp Hammer, Marien-Predigten, 1909, S. 50 – S. 55