Über die Zahl der Auserwählten und der Verworfenen
Erster Teil
1. Es geschieht bisweilen, dass die Kranken im Schlaf Honig im Munde zu haben träumen. Sie selbst pflegen dies für ein gutes Vorzeichen zu halten. Nicht so aber die mehr erfahrenen Ärzte. Diese sind der Ansicht, dass jene geträumte Süßigkeit von einer Überfülle von Schleim herrührt, der vom Magen herauf bis in die Kehle dringt; und sie fürchten deshalb, dass die natürliche Wärme endlich von jenen kalten Säften überwunden werde, und gänzlich weichen müsse.
So träumen auch die Sünder in der tiefsten Betäubung ihrer Schlafsucht immer von so süßem Honig, dass ihnen der Mund stets übergeht von der Barmherzigkeit Gottes, von leichter Hoffnung, von der begründeten Sicherheit ihres Heiles; und sie betrachten dies als ein gutes Zeichen.
Aber die Heiligen, welche erwägen, dass ein solches von gar keiner Furcht begleitetes Vertrauen bei diesen Kranken von einem Gewissen kommt, das übervoll von Sünden ist, fürchten sehr viel Schlimmes von diesen Träumen, und sind bemüht, dieselben zu verscheuchen, indem sie in den Sünden eine heilsame Furcht zu erwecken suchen, die ihnen bis ins Gebein dringen soll. „Es gibt Gottlose“, sagt der Prediger, „die so sicher sind, als hätten sie die Taten der Gerechten; aber auch dies betrachte ich als höchst eitel.“ (Eccle. VIII. 14)
Auch ich halte mich an diese Lehre der Heiligen, und darum will ich versuchen, die, welche in so süßen Träumen sich wiegen, wo möglich zu heilen.
Ich will hier einen der wichtigsten Gegenstände erörtern, welche je in einer Versammlung zum Vortrag kamen; und bei dem Licht des höheren, auf Gott sich stützenden Lehransehens und der Vernunft die große Frage behandeln: ob die Zahl der Christen, welche zum Heil gelangen, größer sei als die Zahl derer, welche verdammt werden.
Ich bin fest überzeugt: wenn ihr mich aufmerksam anhört, dann werdet ihr sicher jene große Vermessenheit ablegen, an welcher die gedankenlose Welt so überreich ist, und jene heilige Furcht Gottes gewinnen, an der allüberall so großer Mangel herrscht.
2. Um nun in dieser sehr schwierigen und bedeutungsvollen Frage mit aller Klarheit zu Werke zu gehen, müssen wir in bestimmter Ordnung uns aussprechen.
Setzt also vor allem zwei ganz gewisse Wahrheiten voraus.
Erstens: wenn man alle Menschen ohne Unterschied ins Auge fasst, so ist die Zahl der Verworfenen zweifelsohne größer, als die Zahl der Auserwählten.
Dies verkündet uns der ausdrückliche Ausspruch Jesu Christi: „Viele sind berufen, wenige aber auserwählt.“ (Matth. XX. 16, et XXII. 14) Denn da zum Heile der wahre Glaube notwendig ist, so muss sicher der größte Teil des Menschengeschlechts der Verdammnis zur Beute werden, da eben der größte Teil den wahren Glauben entweder gar nicht kennt, oder denselben nicht bekennt.
Zweitens: wenn man alle Gläubigen zusammenrechnet, sowohl jene, welche nach, als welche vor dem Gebrauch der Vernunft hinsterben, so kann man ebenso wenig zweifeln, dass der größere Teil der Katholiken selig wird.
Denn es ist schon öfter die Berechnung gemacht worden, dass beiläufig die Hälfte der Geborenen und Getauften nach dem Empfang der heiligen Taufe und bevor das Alter des freien Gebrauches der Vernunft eintritt, von dem Tod hinweggerafft wird. (Ruiz, Disp. LIV. de Praed. Sect I. n. 14) Fügt man daher zu dieser Hälfte noch die ganze übrige Zahl der erwachsenen Gläubigen, welche zur Seligkeit gelangen, so muss man den Schluss ziehen, dass die Gesamtzahl, welche daraus sich ergibt, notwendigerweise viel größer ist, als die entgegengesetzte Zahl. Folglich muss die Zahl der Gläubigen im Himmel, welche ihr Heil erlangt haben, viel größer sein, als die Zahl der Gläubigen in der Hölle, welche der Verdammnis anheimgefallen sind.
Und dies um so mehr, da unter die Seligen auch eine sehr große Menge von Kindern irrgläubiger Eltern gezählt werden müssen, welche nach der Taufe starben, bevor sie einer Sünde fähig waren, und darum auch in die Herrlichkeit eingegangen sind, welche ihnen durch das Blut Jesu Christi verdient worden ist.
Was also noch zu besprechen übrig bleibt, ist die Frage: ob unter den erwachsenen Gläubigen, welche als solche fähig sind, kraft ihres freien Willens zu ihrem Heil tätig mitzuwirken, am Ende die Zahl der Auserwählten oder die Zahl der Verworfenen größer ist.
I.
3. Wenn ich zu jener Gattung von Ärzten gehörte, welche den Kranken lieber sterben lassen, als ihm wehe tun wollen, so würde ich hier Halt machen: – so unangenehm werden für manche meine Worte sein, falls ich in meiner Rede weiterfahre. Aber was könnte das Schweigen helfen? Es hieße dies mit dem höllischen Feind sich verbinden, der, dem Ausspruch des Eusebius zufolge, kein besseres Mittel hat, um die Seelen zu verderben, als sie in falsche Sicherheit zu wiegen: „Es bringt Sicherheit, um das Verderben zu bringen.“
1.
Bedenkt also, dass Gott die Lehrer der heiligen Wissenschaft dazu in der Kirche bestimmt hat, dass sie uns den Weg zum Himmel zeigen.
Damit die frommen Pilger, welche von Konstantinopel nach Jerusalem zogen, den Weg nicht verfehlten, ließ die heilige Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, auf der ganzen Straße von Strecke zu Strecke hohe Türme erbauen, auf welchen zur Nachtzeit immer Lichter brannten, welche den Wallfahrern die rechte Richtung des Weges zeigten.
Etwas Ähnliches hat der Herr in seiner heiligen Kirche getan. Von Zeit zu Zeit hat er einige große Geister gleich hohen Türmen hingestellt, und mit einer größeren Fülle Lichtes sie begabt, damit sie den minder kundigen Wanderern, welche zu der heiligen Stadt des Himmels wallen, sozusagen als Leuchttürme dienen sollen.
Daraus ergibt sich die Folge, dass dasjenige, was die heiligen Lehrer uns einstimmig bezeugen, von uns auch als Wahrheit angenommen werden muss, welche die Richtung und den Pfad uns weist, den wir auf einer so gefährlichen Fahrt einzuschlagen haben, wie jene ist, die von der einen Welt in die andere geht.
Diese heiligen Lehrer nun sprechen einhellig die Überzeugung aus, dass die Zahl der Christen, welche den Himmel verlieren, viel größer ist als die Zahl derer, welche denselben erringen. Nach dieser Lehre müssen wir uns demnach richten, wenn wir in einer so unendlich wichtigen Angelegenheit klug und verständig zu Werke gehen und uns nicht täuschen wollen.
4. Um nun von den griechischen Vätern anzufangen, so war es der oben ausgesprochene Satz, dem sie allgemein beipflichteten, wie dies der heilige Abt Nilus bei Baronius bezeugt (Baron. Tom. X. ad an. 976), und zur Bekräftigung seiner Angabe, außer dem Simeon Stylites, von dem man glaubte, dass er hierüber einer besonderen Offenbarung gewürdigt wurde, einen heiligen Theodor, einen heiligen Basilius, einen heiligen Ephrem, einen heiligen Johannes Chrysostomus namentlich anführt.
Der heilige Johannes Chrysostomus insbesondere hielt diese Wahrheit für so ausgemacht, dass er sogar von der Kanzel herab behauptete, er glaube nicht, dass in der ganzen großen Stadt Konstantinopel auch nur hundert Personen zur Seligkeit gelangen. Und doch war damals Konstantinopel die bevölkertste Stadt nach Rom, das eine kleine Welt heißen durfte. Und obwohl zu jener Zeit alle Ordensleute außerhalb der Städte und bewohnten Orte, in Wüsten und einsamen Gegenden lebten; so hatte jene prächtige Hauptstadt des Reiches doch, im Allgemeinen gesprochen, keine andere Bevölkerung als eine christliche.
Dessen ungeachtet sprach ihr eifriger Oberhirt nicht in der Stille und am Schreibtisch, sondern öffentlich bei der Verkündigung des göttlichen Wortes den furchtbaren Satz aus, dass von jenem ganzen äußerst zahlreichen Volk kaum hudert der Verdammnis entgehen dürften! „Unter so vielen Tausenden können nicht hundert gefunden werden, die zum Heil gelangen, ja sogar darüber zweifle ich noch.“ (S. Joh. Chrys. hom. XXIV. in Actt. Ap.)
5. Mit den Zeugnissen der heiligen Lehrer aus der griechischen Kirche stimmen die Aussprüche der Lehrer aus der lateinischen Kirche vollkommen überein.
Der heilige Gregor der Große erklärt, bloß von den Christen redend, offen, dass er die Zahl derer, die verdammt werden, für größer halte, als die Zahl derer, die in den Himmel kommen, indem er sagt: Zum Glauben kommen mehrere, zum himmlischen Reich aber gelangen nur wenige.“ (S. Gregor. M. hom. XIX. in Evang.)
Der gleichen Meinung ist der heilige Anselm, der es für klar hält, dass nur wenige der Seligkeit teilhaftig werden: „Wie man sieht, sind es nur wenige, welche selig werden.“ (S. Anselm. in Elucid.)
Ebenso lehrt der heilige Augustinus in verschiedenen Stellen ganz das Nämliche (S. August. contra Crescon. lib. II, c. LXVI; lib. IV, c. LIII); besonders aber, wo er das Gleichnis Jesu Christi von der Spreu und dem Weizen erklärt. Er versteht da unter der Tenne die Kirche Gottes, unter der Spreu die größere Zahl der Gläubigen, welche verloren gehen, und unter dem Weizen die andere, kleinere Zahl derer, welche zum Heil gelangen, und schließt dann seine Erklärung ausdrücklich mit folgenden Worten: „Wenige also sind es nur, die gerettet werden, im Vergleich mit den vielen, die zu Grunde gehen.“
Der heilige Hieronymus endlich hatte nicht nur während seines Lebens seine Überzeugung in Betreff der geringen Zahl der Auserwählten offen erklärt (S. Hier. c. XXIV. in Isai.); sondern an der Schwelle seines Lebens stehend, in einem Augenblick, da man die Wahrheit deutlicher erkennt und ungescheuter ausspricht, schloss er dasselbe, indem er seinen Schülern sagte, unter hunderttausend Menschen, welche bis ans Ende immer schlecht gelebt haben, dürfte sich kaum ein Einziger finden, der Verzeihung für sein böses Leben erhielte und wahre Buße täte: „Von hunderttausend, welche immer ein schlechtes Leben führten, verdient kaum einer von GottVerzeihung zu erlangen.“ (Ap. Euseb. ad Damas)
6. Und damit ja kein Raum zu dem Verdacht bleibe, als hätten diese Heiligen einigermaßen in Übertreibungen gesprochen, so müsset ihr vor allem bedenken, dass ein solcher Verdacht sehr ungerecht wäre. Denn hätten sie öffentlich Dinge ausgesprochen, welche sie selbst nicht für wahr hielten; dann hätten sie nicht übertrieben, sondern gelogen, indem sie eine falsche Lehre verkündeten.
Dann, damit ihr euch klar überzeugt, dass ein solcher Verdacht nicht Platz greifen kann, – sehr nur, wie ihre Aussprüche aufs Vollkommenste durch die Erörterungen jener Lehrer der heiligen Wissenschaft bestätigt werden, welche es sich zur Aufgabe machten, die Wahrheit aufs Genaueste zu prüfen und zu untersuchen, und deshalb weit entfernt waren, in dem, was sie lehrten, irgendwie zu Übertreibungen zu greifen.
Zwei der gelehrtesten und zugleich frömmsten Kardinäle also, welche je unsere heilige Kirche hatte, der Kardinal Cajetan (Cajet. in parab. de dec. Virg.), und der Kardinal Bellarmin (Bellarm. de Gen. Col. lib. I, c. VI.), bekennen sich offen zu der Ansicht, dass unter den Christen der größte Teil verdammt wird.
Alphons Tostatus, Bischof von Abula, welcher wegen des erstaunlichen Umfangs und der Tiefe seiner Kenntnisse der Salomon seiner Zeit hieß, sagt, dass die Meinung, nach welcher die Zahl der Auserwählten nur eine geringe ist, als allgemein und sehr wahrscheinlich betrachtet werden müsse: „Dieser Satz ist allgemein angenommen und sehr wahrscheinlich.“ (Tostat. Abul. In cap. XXII Matth., q. LXIX)
Dasselbe erklärt auch Suarez, ein nicht minder berühmter Gottesgelehrter: „Die allgemeiner angenommene Meinung hält fest, dass es unter den Christen mehr Verworfene als Auserwählte gibt.“ (Suar. de Deo, lib. VI, c. III, n. 5)
2.
7. Alle bisher angeführten Zeugnisse haben jedoch, so groß ihr Gewicht auch ist, immerhin nur menschlichen Wert. (Recup. De Sign. tr. II, c. III) Nehmen wir daher die Waage des Heiligtums zur Hand und prüfen wir nach dieser unseren Satz; ich will sagen: sehen wir zu, was Gott selbst über die Zahl der Auserwählten in der heiligen Schrift uns lehrt.
In der Sprache der heiligen Schrift nun finden wir den Ausdruck auserwählt gleichbedeutend mit wenig (Maldon. in c. XXII. Matth.) : „Herr! von den wenigen im Lande scheide sie aus“ (Ps. XVI. 14); wobei die chaldäische Übersetzung aus der Ursprache ausdrücklich hat: „Von den Auserwählten im Lande scheide sie aus“ (Vers. Chald.: ab electis); und ebenso finden sich die Ausdrücke verworfen und viel miteinander verwechselt (Fasol. Tom. II, p. I, q. XXIII, a. 7): Unter vielen waren sie mit mir“ (Ps. LIV. 19).
Ferner, wenn wir auf die Vorbilder eingehen wollen, so wissen wir, dass die Zeit des Naturgesetzes ebenso wie die Zeit des mosaischen Gesetzes gleichsam ein Vorspiel für die Zeit der Gnade war. (Ruiz de Praedest., diss. LIV, sect. I) Betrachtet demnach, wie der Herr in jenen beiden ersten Zeiten diese wichtige Wahrheit in lebendigen Bildern vorgezeichnet hat.
Zur Zeit des Naturgesetzes wurden von dem ganzen Menschengeschlecht, das in den Wassern der Sündflut ertrank, nur acht Personen in der Arche gerettet. Der heilige Petrus aber lehrt in seinem Brief (I. Petr. III, 20, 21), dass diese Arche ein Sinnbild der Kirche war, in welcher wenige Seelen durch die heilige Taufe sich retten; da wie der heil Augustinus bemerkt (S. August. in Ps. LIV), nur wenige durch ihr Leben und ihre Taten die Abschwörung bestätigen, welche sie bei der Taufe feierlich in Worten ausgesprochen haben: „Diejenigen, welche der Welt bloß mit Worten, nicht aber auch in ihren Werken entsagen, gehören nicht zum Geheimnis dieser Arche, weil in ihnen nicht die Angelobung eines guten Gewissens ist.“
Das andere Vorbild finden wir im mosaischen Gesetz, indem von wenigstens zwei Millionen Juden, die aus Ägypten gezogen waren, nur zwei das Glück hatten, in das Land der Verheißung einzugehen. Auch dieses geschah, wie der Apostel erklärt, zu unserer Belehrung: „Dies aber ist geschehen zu unserem Vorbild.“ (1. Kor. X, 6)
Und der heilige Augustinus macht, ganz erschüttert, zu dieser Stelle wieder die Bemerkung, dass wir über derartige Ereignisse nicht flüchtig und leichtsinnig hinweggehen dürfen, sondern sie mit großer Furcht beherzigen sollen: „Nicht vorübergehend und nicht nachlässig, sondern mit mächtiger Furcht muss dies betrachtet werden“; – was, wie der Heilige hinzufügt, namentlich jene hören sollen, welche sich Gott immer nur als barmherzig vorstellen, und so als ob er nicht auch gerecht wäre: „Dies also mögen jene hören, welche so den Herrn barmherzig wissen wollen, dass sie nicht glauben, er sei auch gerecht.“ (S. August. Serm. CII. De Temp.)
8. Aber es ist nicht nötig, auf den bildlichen Sinn zurückzugehen, da so viele Stellen der heiligen Schrift in ihrem buchstäblichen Sinn genommen uns klar zur Seite stehen.
Der heilige Paulus vergleicht die Vorherbestimmten mit denjenigen, welche vor Alters in den öffentlichen Wettrennen und Ringkämpfen den ausgesetzten Preis gewannen: „Die, welche in der Rennbahn laufen, laufen zwar alle, aber nur einer erhält den Preis.“ (I. Cor. IX. 24) Viele sind es, die um den Preis sich bewerben, und doch nur einer ist es, der ihn erringt. In diesen Worten, bemerkt der heilige Thomas, werden drei Dinge uns angedeutet:
in dem Laufen unser gegenwärtiger Zustand als Pilger und Wanderer; in der großen Zahl derer, welche zum Wettlauf zugelassen werden, die Menge der Menschen, die zum Glauben berufen sind; und endlich in dem einen, der den Preis empfängt, die geringe Zahl der Auserwählten: „Im ersten wird unser Zustand als Wanderer angedeutet, im zweiten die Menge der Berufenen, im dritten die kleine Zahl der Auserwählten.“ (S. Thom. in I. ad Cor. IX, lect. V)
Eine solche höchst wichtige Wahrheit sollte aber, wie es sich geziemte, von niemand klarer ausgesprochen werden, als von Jesus Christus, der das Licht der Welt ist: „Ich bin das Licht der Welt.“ (Joh. VIII. 12)
Eine der Wahrheiten, die er am häufigsten in seinem göttlichen Munde hatte, war der Spruch: „Viele sind berufen, wenige aber auserwählt“; womit er zwei seiner wahrhaft himmlischen Gleichnisse schließt: – ein Spruch, der, wie der heilige Augustin sagt, keine Rede, sondern ein Donner war. Und doch reicht er nicht hin, euch zu erschüttern!
Überdies spricht der Herr im siebenten Hauptstück des heiligen Matthäus die wahrhaft Furcht erregenden Worte: „Weit ist das Tor und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele wandeln darauf und eilen auf demselben dem Abgrund zu.“ (Matth. VII.13) Und sogleich fügt er hinzu: „O wie eng ist das Tor und schmal der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige sind, die ihn finden!“ (Ibid. v. 14)
Endlich aber lehrt er diese große Wahrheit klarer und deutlicher als je in dem Evangelium des heiligen Lukas. Als ihn da jemand ausdrücklich fragte, ob es wahr sei, dass nur wenige selig werden; – was meint ihr, dass er darauf zur Antwort gab? Schwieg er etwa? Schwankte er? Verhehlte er vielleicht die Wahrheit, um keinen Schrecken zu machen? Oder antwortete er in zweideutiger Redeweise? Nichts weniger als dies. Er antwortete aufs Klarste und Offenste; aber er richtete seine Antwort nicht bloß an den, der ihn gefragt hatte, sondern wendete seine Rede an alle, welche ihn da umstanden. Denn es handelte sich um eine Sache, welche für alle von unermesslicher Wichtigkeit war.
Er sprach also: Strengt euch an, durch die enge Türe einzugehen; denn viele werden einzugehen suchen; aber ich sage euch in Wahrheit, dass sie nicht eingehen werden und nicht eingehen können, weil sie sich mit einer geringen Bemühung begnügen werden, während es einer großen Anstrengung bedarf, um durch jene Türe einzugehen. „Es sagte aber jemand zu Ihm: Herr! Sind es nur wenige, die selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringet einzugehen durch die enge Türe! Denn ich sage euch: Viele werden suchen einzugehen, und es nicht vermögen.“ (Luk. XIII. 23,24)
Was sagt demnach ihr, die ihr vielleicht in euren Herzen den Vorwurf wider mich erhebt, dass ich euch den Weg zum Himmel zu eng mache? Die Worte, die ich euch angeführt habe, kommen aus dem Mund Jesu Christi selbst, und sind an alle Gläubigen gerichtet, wie dies aus dem Zusammenhang der ganzen Stelle und aus der einstimmigen Erklärung der Ausleger, eines Chrysostomus (S. Joh. Chrys. Adv. Vitup. Vitae monast.), eines Gregor von Nazianz (S. Gregor. Naz. Or. XXXV.), eines Augustinus (S. August. In Ps. XXXIX) u.s.w. erhellt.
Ich kann daher nicht verstehen, wie ein menschliches Herz den Glauben zu bewahren vermag, ohne bei dieser Wahrheit voll Entsetzen zu werden. –
aus: P. Paul Segneri, Der Christ in seinem Gesetz unterrichtet oder christliche Sittenreden, Erster Band, 1854, Fünfte Rede, S. 125 – S. 135
Siehe auch auf katholischglauben.online den Beitrag:
- Die geringe Anzahl der Geretteten – Die meisten Christen kommen in die Hölle
Bildquellen
- Der_breite_und_der_schmale_Weg_2008: Wikipedia