3. Advent Wer ist Johannes der Täufer

3. Advent: Wer ist Johannes der Täufer?

Predigt zum dritten Sonntag im Advent

„Wer bist du? Was sagst du von dir selber?“ (Joh. 1, 19 — 28)

Wer ist Johannes der Täufer?

Wenn wir das heutige Evangelium betrachten, so ist es nicht mehr und nicht weniger als ein scharfes Examen, welches Johannes vor den Priestern bestehen musste, welche der hohe Rat zu Jerusalem an ihn abgeschickt hatte, um ihn zu fragen, wer er sei und woher er das Recht habe zu taufen; denn das ganze Evangelium besteht fast aus lauter Fragen und Antworten.

Wenn Jemand öffentlich über sein Tun und Treiben zur Rede gestellt wird, wie z. B. jetzt bei einem öffentlichen Gericht, so ist alles Aug und Ohr und merkt angestrengt, was zu hören, was für Fragen gestellt werden, und was der Gefragte für Antworten gibt, wie er sich aus der Sache herausziehe.

Auch der heil. Johannes der Täufer steht hier vor einem Gericht, das nicht mehr öffentlicher sein könnte, da es auf freiem Feld zu Bethanien stattfand; merkt also recht auf auf alle Fragen und Antworten, wir wollen sehen, wie Johannes sein Examen besteht und wie er sich aus dieser heiklen Sache herausziehe; denn eine Frage ist verfänglicher als die andere für ihn, und für uns eine Antwort lehrreicher als die andere.

Betrachten wir zuvor die Gesandten selbst, die hohe amtliche Kommission, welche den Johannes zu Rede stellen musste. Haben sie das Recht dazu gehabt? Ja, nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, denn die Gesandten waren Priester und Leviten, und sie waren vom Hohenrat zu Jerusalem abgeschickt worden, und die hatten das Recht und die Pflicht, sich um die Religionssachen zu bekümmern.

Die Sache mit Johannes hatte schon lange großes Aufsehen gemacht; die Leute gingen scharenweise an den Jordan hinaus, Bürger, Landleute und Soldaten, Hohe und Niedere bewunderten den außerordentlichen streng lebenden Mann, und es gingen die verschiedensten Gerüchte herum.

Einige hielten ihn für den Elias, andere für den großen Propheten, der durch Moses verheißen war, wieder andere glaubten gar, er sei selbst der verheißene Messias. Bei solchen Umständen musste endlich die Priesterschaft die Sache zur Hand nehmen und untersuchen. Insoweit ging die Sache ihren geregelten Gang; denn das müsst ihr euch merken, in Sachen der Religion haben die Priester zu wachen, dass nicht jeder hergeht, und sich unter dem Vorwand, die Religion zu verbessern, als einen Religionslehrer aufwirft, und sich selbst das Recht nimmt, zu predigen und sich einen Anhang zu machen.

Die Priester und vorzüglich die Bischöfe haben die Pflicht, sich in einer solchen Sache genau zu unterrichten oder eine Kommission aus Geistlichen niederzusetzen, und einen solchen Mann, der in der Religion ein Aufsehen macht, zu fragen: du, woher hast du denn deine Sendung dazu? wie sieht es denn mit deiner Lehre aus? u. s. w.

Wir sehen es schon, wie weit es in unsern Zeiten käme, wenn man einen jeden ungefragt in der Religion gleichsam Geschäfte machen ließe; wir bekämen lauter neue Sekten, und jeder ihrer Stifter würde sich als einen Volksbeglücker ausgeben, während ihr nur um euren Glauben betrogen würdet. Es ist also ganz recht, wenn sich die Priester und vornehmlich die Bischöfe um die Sache annehmen; es ist ihre Schuldigkeit und euer Glück.

Die erste Frage, welche die Kommission an Johannes richtete, lautet: „Wer bist du?“ Das war eine verfängliche Frage; wäre Johannes weniger demütig gewesen als er wirklich war, so hätte er sogleich von sich selbst zu reden angefangen und hätte sich als einen Gesandten Gottes zu erkennen gegeben. Allein ein wahrhaft demütiger vermeidet es so lange er kann, von sich selbst zu reden, und weicht allen derartigen Zumutungen aus; so machte es auch Johannes; er wich aus, er suchte es zu vermeiden, von sich selbst zu reden, und weil er schon wusste, dass man geneigt sei, ihn für den Gesalbten des Herrn, für Christum zu halten, so bekannte er, und leugnete nicht, er bekannte:

„Ich bin nicht Christus.“ Dieser Ausdruck: „er bekannte und leugnete nicht, er bekannte“ bezeichnet, dass er entrüstet und von Schmerz darüber durchdrungen sei, weil man nur auf den Gedanken kommen konnte, ihn für den Messias zu halten. Es war ein ähnlicher Schmerz, wie ihn später einmal Paulus und Barnabas hatten, als man sie zu Lystra für Götter halten wollte. Apstlg. 14, 10 ff. Der wahrhaft Demütige sagt es gleich ohne Umschweife, dass es nichts mit ihm sei, während der falsche Demütige ein Lob auf eine Weise zurückweist, wodurch er nicht undeutlich zu erkennen gibt, dass er es annimmt und dass es ihm gebührt; er trägt die Demut nur wieder als eine an ihm zu lobende Eigenschaft zur Schau.

„Wer bist du denn?“ fragte die Kommission weiter, „bist du Elias?“ Aus einer Stelle bei Malach. 4, 5. geht hervor, dass am Ende der Zeiten vor der Ankunft des Herrn Elias kommen werde. Allein, dieses wird vor der Ankunft Jesu zum Gericht geschehen, die Juden verstanden es aber von der Ankunft des Messias, und meinten, dieser außerordentliche Mann müsse wohl Elias sein, wenn es der Messias nicht selbst ist. Daher kam ihre Frage. Johannes suchte noch einmal auszuweichen, von sich selbst zu reden und antwortete: „Ich bin es nicht.“

In dem Sinne, wie es die Juden nahmen, war er es freilich nicht, weil er der Elias selbst nicht war, aber in einem anderen Sinne war er es doch, dem Geiste nach nämlich war er es, wie es Jesus nachher selbst erklärt hat; Matth. 11, 14. und wie es der Engel dem Zacharias gesagt hatte, als er ihm die Geburt des Johannes verkündete. Luk. 1, 17. Ein wahrhaft Demütiger weiß in den Lobsprüchen und Eigenschaften, die man ihm beilegt, allezeit einen Sinn zu finden, in welchem er sie nicht verdient, und umgeht den andern Sinn, in welchem er sie verdienen würde. „Bist du der Prophet?“ fragten ihn die Abgesandten weiter.

„Nein“, antwortete Johannes ganz kurz. Es war nämlich dem Moses versprochen worden, dass Gott einst aus den Israeliten einen Propheten erwecken werde, der ihm, dem Moses gleich sein werde. 5. Mos. 18, 15. Dieser Prophet, meinten sie, müsse er wenigstens sein. „Nein,“ antwortet Johannes ganz kurz. Merken wir wohl darauf, wie die Antworten des Johannes immer kürzer werden; diese bestand nur mehr in einem Worte.

Das war edle Einfalt und hohe Klugheit des Johannes. Er kannte seine Leute. „Diese Abgesandten aber gehörten zu den Pharisäern“ heißt es; sie gingen nicht aufrichtig mit ihm um. Er verschweigt vorsichtig seine Gaben, so lange er kann, er spricht nicht mehr, als eben notwendig ist. Nehmen wir uns ein Beispiel daran, wie wir Antwort geben sollen, wenn wir gefragt werden, kurz, wahr, bündig, ohne Zusätze und Umschweife, nicht mehr und nicht weiter hinaus als wir gefragt werden. Ein wahrhaft Demütiger beantwortet das, was ihn angeht, kurz, und sieht nicht leicht etwas für eine Gelegenheit an, die er ergreifen müsste, seine Vorzüge ans Licht zu setzen.

Endlich stellt die Kommission eine Frage, auf welche Johannes bestimmt antworten musste. — „Wer bist du? damit wir Antwort geben können denen, die uns gesandt haben? was sagst du von dir selbst?“

Das war wohl die verfänglichste Frage; denn nun musste sich Johannes erklären. Für einen Menschen, der gerne von sich selbst redet, ist das die erwünschteste Gelegenheit, wenn es an ihn kommt, sich erklären zu sollen; da wirft er sich in die Brust, und expektoriert sich nach der Länge und Breite über sein liebes Ich, und vergisst am Ende nach einer langen Aufzählung seiner Vorzüge und Verdienste auf das, was er eigentlich ist, weil er alles zu sein scheint; für einen demütigen bescheidenen Mann ist das aber eine widerwärtige Sache, denn da er in seinen Augen nichts ist oder wenigstens nicht viel ist, so ist er in großer Verlegenheit, zu sagen, wer er ist.

Muss er es denn doch sagen, so tut er’s wenigstens in den kürzesten Ausdrücken und allezeit so, dass er alles, was er von sich selbst sagt, auf den Urheber alles Guten zurückführt. Also tat es Johannes; er antwortete:

„Ich bin die Stimme des Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn.“ Weniger konnte Johannes von sich nicht sagen, er sagte aber dadurch genug, was die Juden aufmerksam machen konnte, zu erkennen, dass die Zeit des Messias da sei.

Ihr wisst es, wollte er sagen, dass von der Ankunft des Messias vorausgesagt ist, es werde dann eine Stimme in der Wüste rufen: „Bereitet den Weg des Herrn.“ Diese Stimme bin ich. Der euch ruft, in das Reich Gottes einzugehen, ist eigentlich Gott selbst, ich bin nur die Stimme, deren er sich bedient, euch zu rufen. Ich bemerke dazu, wofür sich ein jeder Priester und Prediger ansehen soll, und wofür ihr uns Geistliche, Priester und Prediger ansehen sollt — für die Stimme des Rufenden in der Wüste.

Wenn ich für Geistliche predigen würde, so wüsste ich schon, was ich ihnen zu sagen hätte, und wie ich ihnen diesen Text zurechtlegen müsste; aber: was geht das uns an, möchtet ihr sagen; ich will also ein Wort vorbringen, das euch angeht. Viele haben die Meinung, was die Geistlichen sagen und predigen, das sagen und predigen sie so auf ihre Faust hin, das sei so ihre Sache, ihr Handwerk, ihr Metier, sie müssen das sagen, denn dafür seien sie auch bezahlt und beziehen dafür ihr Einkommen.

Nein, meine Lieben, mit einem Handwerk, mit einer Profession dürft ihr unsern Beruf nicht auf eine Linie stellen. Es ist nicht unsere Sache, dass und was wir euch predigen; nicht wir sind es, die zu euch reden, sondern Gott ist es; wir sind nur die Stimme, durch die er euch zuruft. Darum sagt auch der heil. Paulus: „Wir sind Botschafter an Christi statt; denn Gott ermahnt durch uns, wir bitten euch an Christi statt: lasset euch versöhnen mit Gott.“ 2. Kor. 9, 20.

Man kann die heutige Welt wirklich mit einer Wüste vergleichen, mit einer Wüste auch manche Pfarrgemeinde und den inneren Zustand manches Menschen, der deshalb ganz passend ein Wüstling genannt werden kann. In diesen Wüsten stehen wir nun da, und rufen: Bekehrt euch und tut Buße. O höret doch unsere Stimme, sie ist Gottes Stimme, die euch zum Heile ruft!

Nun stellten die Abgesandten den Johannes wegen seiner Taufe zu Rede. „Warum taufest du?“ Sie sahen das für einen Übergriff, für einen Eingriff in eine höhere Macht an; gerade wie bei uns, wo man genau Acht gibt, dass die Bischöfe und Priester ja keinen Übergriff, keinen Eingriff in eine andere Gewalt machen.

Indes sie hatten das Recht dazu, zu fragen und Johannes gab ihnen die gehörige Antwort darauf. Sie sollten sich nur nicht kümmern, meinte er, er richte mit seiner Taufe keinen Schaden an, er ermahne nur die Leute damit, dass sie Buße tun, und sich auf den Empfang des Heilandes vorbereiten; wenn sie ihr Heil verständen und einsehen wollten, was zu ihrem Nutzen ist, so würden sie sich sogar freuen, dass eine so religiöse Bewegung durch das Volk gehe, und würden selbst daran Teil nehmen; aber sie seien blind und kennen den nicht, der doch in ihrer Mitte steht und dessen Anstalt zum Heile aller Menschen gereiche.

Ich habe nicht mehr Zeit, die gehörige Anwendung davon für unsere Tage zu machen, weil eine Frühlehre nicht lange dauern kann; aber das setze ich doch noch bei: Wenn man einsehen würde, wie viel Gutes die Stimmen in der Wüste, die Missionen meine ich, wie viel Gutes die Kirche überhaupt stiftet, wenn man sie frei handeln ließe, so würde man diesen Johannes in der Wüste, dieser Heilsanstalt des Herrn, nicht so viel Hindernisse in den Weg legen, man würde nicht so misstrauisch gegen die Kirche und gegen alles sein, was die Bischöfe und die Priester tun, das Volk für das Reich Gottes zu gewinnen.

Da denn die Kommission gegen die Antworten des Johannes nichts aushaben konnte, ließ sie die Sache bewenden, auf sich ruhen. Natürlich, sie ging das Weitere nicht mehr an; ihnen war es auch nur darum zu tun, wie sie selbst sagten, „denen, die sie gesandt hatten, eine Antwort zu geben.“ Wir lesen auch nicht, dass sich einer von ihnen die Sache zu Herzen genommen hätte, und sich zum Zeichen seiner Bekehrung hätte taufen lassen. Aber so sind die Vornehmen und Großen gewöhnlich; wenn irgendetwas in der Religion und Kirche auffallendes geschieht, fragen sie nach dem wie und warum, und ob nichts Staatsgefährliches dahintersteht, ob es für Land und Leute nicht nachteilig ist.

Sie schicken und lassen beobachten; kommen etwa auch selbst, um zu sehen und zu hören, nehmen zu guter Letzt noch Akt von der Sache, und damit Punktum, wenn sich sonst nichts herausstellt; sie geht die Sache nicht weiter an; dass sie selbst einer anderen Gesinnung werden, und auf ihr Heil bedacht sein sollen, fällt ihnen nicht ein.

Aber leider geschieht das auch bei dem gemeinen Volk, und selbst bei sonst guten Christen. Sie hören von dem und dem Prediger, der Aufsehen macht: „den muss ich auch hören“, sagen sie; sie hören von außerordentlichen Andachten, Missionen u. s. w., „da muss ich auch hingehen“, sagen sie. Sie hören den Prediger, gehen zu der außerordentlichen Andacht, aber — bleiben die alten, die sie zuvor gewesen. Macht euch solche außerordentlichen Gelegenheiten zu Nutzen, sie sind besondere Gnadenrufe Gottes.

Eins noch will ich bemerken. Nichts ist schwerer, als die Antwort auf die Frage: „Wer bist du? Was sagst du von dir selber?“ Wer diese Frage recht beantworten könnte, der wäre der weiseste Mensch, denn er würde sich selbst kennen; die Kenntnis seiner Selbst ist aber die größte Kunst, aber auch „unter allen Wissenhaften die vortrefflichste“, sagt der heil. Clemens von Alexandria. Wenigstens sollen wir darnach streben, uns selbst recht kennen zu lernen.

Es liegt viel an der Frage: Wer bist du? bist du das, was du dem Willen Gottes nach, deinem Berufe nach, der Gnade nach, welche dir Gott gibt, sein sollst? bist du das, was du bei treuer Benützung der Gnaden Gottes sein könntest? Füge die Frage noch bei: wer wirst du einst sein müssen? Ach entweder ein Seliger im Himmel oder ein Verdammter in der Hölle! Ihr seht, ich kann all diese Fragen nicht mehr weiter erörtern, ich muss abbrechen; vielleicht ein andersmal, wenn wir wieder dies Evangelium lesen.

Für heute denkt selbst über diese Fragen nach, und forget, dass ihr euch eine tröstliche Antwort darauf geben könnt. O dass ein jeder einst sagen könnte: Wohl mir, ich bin ein Seliger im Himmel. Amen. –
aus: Dr. Fr. Xaver Maßl, Kurz und gut über die sonntäglichen Evangelien des ganzen Jahres, 1852, S. 18 – S. 26

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