2. Advent Die Frage nach dem Messias

2. Advent: Die Frage nach dem Messias

Predigt zum zweiten Sonntag im Advent

2. Advent Die Frage nach dem Messias (Matth. 11, 2 — 10)

Drei Dinge müssen uns in dem heutigen Evangelium auffallen:

a) die Gesandtschaft des hl. Johannes des Täufers,
b) die Antwort, welche Jesus den Gesendeten gibt,
c) das Lob, das er dem hl. Johannes dem Täufer erteilt.

Ich sage, sie müssen uns auffallen; denn wie kommt denn Johannes dazu, Jesum fragen zu lassen, ob er der sei, der da kommen soll, der verheißene Messias, oder ob sie einen andern zu erwarten haben?
Und wie stimmt denn die Antwort Jesu auf diese Frage?

Er sagt nicht ja und nicht nein; und endlich das Lob für den heil. Johannes, wozu sollte es nützen? Wir wollen nun alle drei Stücke kurz und bündig erklären.

a) Wie kommt denn Johannes dazu, Jesum fragen zu lassen, ob er der Erwartete sei? Dass Johannes nicht daran zweifelte, dass Jesus der verheißene Messias sei, ist ganz gewiss; denn er hatte nicht nur sein nahes Auftreten angezeigt, er hatte ihn ja selbst getauft und bei der Taufe Jesu die Offenbarung des himmlischen Vaters gehört und gesehen, und endlich deutete er bei einer Predigt, als Jesus eben daherkam, auf ihn hin und sprach:

„Seht, das ist das Lamm Gottes, welches die Sünden der Welt hinwegnimmt.“ Aber seine Jünger waren noch nicht alle in die Nachfolge Jesu eingetreten. Mehrere von ihnen hingen so fest an ihm, dass sie selbst gegen Jesus Christus misstrauisch waren, und, eifersüchtig für die Ehre ihres Meisters, die Wunder und das immer wachsende Ansehen Jesu ungerne sahen. Sie waren geneigt, ihren Meister, den Johannes, selbst für den Messias zu halten.

Diese zu hohe Achtung für ihren Meister hätte ihnen in der Folge sehr nachteilig werden und sie wohl gar abhalten können, an Jesum zu glauben. Johannes sah wohl ein, dass er aus dem Gefängnis nicht mehr herauskommen, sondern bald ein Opfer der Rache der Herodias werden werde. Um nun seine noch schwachen Jünger vor dem Schaden ihres Heiles zu schützen, den sie genommen hätten, wenn sie im Misstrauen gegen Jesus fortgefahren wären, und um sie Jesu Christo als Jünger zuzuführen, schickte er sie mit der uns bekannten Frage zu Jesus.

Johannes war überzeugt, dass sie eine solche Antwort erhalten werden, aus der sie überzeugt werden mussten, dass Jesus der verheißene Messias sei, und dass sie sich fortan an ihn halten und an ihn glauben müssten, wenn sie ihr Heil finden wollten.

Johannes handelt hier wie ein weiser, vorsichtiger Vater, der auf seinem Sterbebett besorgt ist, seine Kinder einem treuen Freund und weisen Lehrer übergibt, damit sie gut erzogen und vor der Gefahr, Verführern in die Hände zu fallen, geschützt werden. Eltern, seht an dem heil. Johannes das Beispiel der Sorgfalt, mit der ihr bei
der Auswahl der Lehrer, denen ihr euere Kinder übergebt, zu Werke gehen sollt.

Betrachtet es wohl, wer der ist, dem ihr sie zur Erziehung und zum Unterricht zuführt. Unsere Zeit macht eine solche Vorsicht doppelt wichtig und notwendig. Lernt von Johannes euere Kinder für Jesum gewinnen, erzieht sie für seine Nachfolge, und glaubt, dass ihr nach euerem Tode am besten für sie gesorgt habt, wenn ihr sie in der Furcht des Herrn wohl begründet habt. —

Noch eine andere Wahrheit können wir aus dieser Handlungsweise des Johannes ziehen; und diese ist: Es gibt nur einen Lehrer, zu dem wir in die Schule gehen, an den wir uns halten müssen, wenn wir unser Heil finden wollen, und dieser ist Christus, und alle Lehrer und Meister, welche weise sind, und es aufrichtig mit ihren Schülern und Lehrjüngern meinen, nehmen sichs nicht heraus, sich dergestalt als Autorität hinzustellen, dass nur sie, und außer ihnen niemand zu hören sei, sie weisen ihre Lehrjünger immer an Christus an, und behalten für sich keinen andern Ruhm als den, ihre Schüler zu Jesus zu führen.

Selbst unter den heidnischen Lehrern und Meistern war einer, der seine Jünger auf denjenigen hinwies und vertröstete, den alle Völker erwarteten. Plato war es, der zu einem seiner Jünger sagte: „Was übrigens die Wahrheit ist, wissen wir nicht, und müssen warten, bis derjenige kommt, den alle Guten hoffen, wenn dieser kommen wird, so halte dich an ihn.“ Was ist jede andere Lehre, jeder andere Lehrer? Betrüger oder Betrogene, Verführer oder Verführte, wenn sie behaupten, ihre Lehren oder sie seien es, wodurch die Welt zum Lichte der Wahrheit, die Menschheit zu ihrem Heile komme. Eine solche Lehre ist nur Eine, ein solcher Lehrer ist nur Einer; und diese Lehre ist Christi Lehre und dieser Lehrer ist Jesus Christus.

Das hat einst selbst ein recht ungläubiger Mann bekennen müssen, als seine Tochter am Sterben lag. Sie hatte von ihrem Vater nichts als gottlose Grundsätze gehört. Am Sterbebett fragte sie ihren Vater mit ernstem Ton: „Vater, sag mir einmal, was muss ich glauben? das, was du mich gelehrt hast, oder was mich meine Mutter zu glauben gelehrt hat?“ Wie ein Blitz fuhr ihm das durch die Seele. „Kind, sprach er, Kind, glaube fortan nur, was deine fromme Mutter dich gelehrt hat.“ Damit wies er sie denn doch wieder auf Christus hin, und führte sie dem Herrn und Meister zu, bei dem wir allein das Heil finden können.

b) Nun wollen wir aber zur Antwort kommen, die Jesus den Jüngern des Johannes gegeben hat. Er sagt nicht ja und nicht nein, und doch sagt er alles, wodurch er es bewies, dass er es sei, der da kommen soll, und dass sie keinen andern zu erwarten haben.

Schon durch den Propheten Isaias ist es vorausgesagt worden, „wenn der Messias komme, werden die Augen der Blinden aufgetan, die Ohren der Tauben werden geöffnet, die Zungen der Stummen werden gelöst werden, und die Lahmen werden wie die Hirsche springen.“ Isai. 35, 5, 6. 61, 1. Jesus wollte also mit seiner Antwort sagen: Ihr wisst, was von dem Messias geschrieben steht; ihr hört von mir diese Taten, ihr seht sie mit eigenen Augen; urteilt nun selbst, und ihr werdet mich als den Messias erkennen müssen.

Bemerken wir hierbei die bescheidene und anspruchlose Hinweisung auf seine Taten; er sagt nicht: Ich mache die Blinden sehend u. s. w., ich tue dies, ich tue jenes; sondern ganz einfach: „Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Tauben hören u. s. w.“ und lehrt uns, wie demütig, bescheiden und anspruchslos wir uns benehmen sollen, wenn wir auch veranlasst sind, von uns selbst zu reden. Er lehrt uns, wenige Worte zu machen, dagegen aber unsere Taten reden zu lassen.

Ach wie viel gibt es doch Maul-Christen, wie wenige zeigen durch ihre Taten, dass sie es sind! Übrigens geht aus dieser Antwort hervor, dass der Messias lange zuvor schon vorausgesagt und all sein Wirken bis in das Kleinste beschrieben war, ein Beweis, dass es messianische Weissagungen gibt, dass Jesus Christus der Mittelpunkt derselben und des ganzen A. T. ist, und dass Jesus Christus der wahre Messias ist, und wir keinen andern zu erwarten haben, weil sich an diesem Jesus alle Weissagungen vollzogen haben.

Es sind also lauter Trug- und Lugvorspiegelungen, wenn man euch jetzt noch von diesem oder jenem Manne sagt, dass er es sei, der erst die Welt mit seiner Religion, die sein Hirngespinst ist, beglücke, und die Menschheit zum Lichte, zur Freiheit des Geistes führe. Solche Leute haben in der Regel schöne Worte, aber keine, oder keine schönen Taten, viel weniger Wunder. Sie verwerfen sogar die Wunder, und Wunder mussten doch das sicherste Kennzeichen des Messias sein.

Weil sie aber eben Jesum nicht als den Heiland der Welt wollten gelten lassen, ärgern sie sich an den Wundern Jesu Christi und an allen Wundern, welche nachher die Apostel wirkten, und die in der katholischen Kirche zum Zeugnis für ihre Wahrheit fort und fort geschehen und noch heut zu Tage von Zeit zu Zeit geschehen. Jesus setzt darum seiner Antwort auch bei:

„Selig ist, wer sich an mir nicht ärgert.“

Dies sagte Jesus wegen der Jünger des Johannes. Diese waren an die strenge Lebensweise ihres Meisters gewohnt und mochten sich an der Leutseligkeit, an dem freundlichen Umgang Jesu Christi mit jedermann stoßen; nehmt daran keinen Anstoß, wollte Jesus sagen, wenn ich nicht so strenge zu leben scheine, wie Johannes, denn meine Sendung ist eine andere als die seinige; er musste zur Buße vorbereiten, ich muss die zur Buße Geneigten aufnehmen. Wenn man Menschen sieht, die munter und aufgeräumt, leutselig und freundlich sind, und in ihrem äußeren Benehmen keine Strenge und Abtötung, keine Kreuzigung des Fleisches und Weltentsagung verraten, so darf man nicht gleich den Stab über sie brechen. Übrigens gilt dieser Ausspruch auch im Allgemeinen.

Die Armut des Heilandes, sein mühevolles, erniedrigtes Leben, seine alle Leidenschaften an der Wurzel angreifende Lehre, die Tiefen der Geheimnisse seiner Offenbarung, sein Tod am Kreuze waren lauter Steine des Anstoßes; selig, wer sich dadurch von der Annahme und Befolgung meiner Lehre, von meiner Nachfolge nicht abhalten lässt; wer sich meiner und meiner Lehre nicht schämt, vergl. Luk. 2, 34. Matth. 13, 55. Joh. 6, 53. Matth. 27, 40. Apstlg. 24, 25. 26, 24. wollte Jesus sagen, denn nur ein solcher wird im Stande sein, alle Hindernisse zu überwinden, die sich ihm entgegenwerfen, wenn er sich anschickt, mir nachzufolgen, und an mich zu glauben.

c) Nun bleibt uns noch übrig, von dem Lob zu sprechen, das Jesus dem Johannes erteilte, als seine Jünger fort waren. Warum denn erst als diese fort waren? Jesus wollte die Jünger des Johannes auf keine Weise gewinnen und an sich ziehen, welche den Verdacht der Bestechung ihrer Herzen hätte, das wäre aber der Fall gewesen, wenn er den Johannes in ihrer Gegenwart gelobt hätte; es wäre herausgekommen, als lobte er ihren Meister, um sie sich geneigt zu machen; Jesus will aber, dass man ihm um seiner selbst willen nachfolge, und alle anderen Rücksichten bei Seite setze.

Er lobt den Johannes in Abwesenheit seiner Jünger, um uns zu lehren, niemanden durch Lobsprüche ins Gesicht für sich gewinnen zu wollen, wie es die Schmeichler machen, niemanden durch ein solches Lob in Versuchung zu führen, stolz auf sich selbst zu werden; Jesus lehrt uns dadurch, selbst kein Lob ins Angesicht suchen und lieben zu wollen und über Abwesende nur Gutes zu sagen. Er lobt den Johannes, als dieser im Kerker war, und lehrt uns damit, dass wir Leute, die zuvor mächtig waren und in Ansehen standen, nicht aufgeben, nicht verachten, nicht in den Tadel über sie einstimmen sollen, wenn sie unverschuldeter Weise von ihrer Macht und von der Höhe ihres Ansehens herabgestürzt werden. —

Eine Sache, die in unsern Tagen häufig geschehen ist und geschieht. —

Endlich lobte Jesus den Johannes, um uns zu lehren, dass wir uns um unseren Nächsten annehmen sollen, wenn andere Vorurteile gegen ihn haben, oder gegen seine Ehre falsche Meinungen hegen. Die Anwesenden konnten aus der Gesandtschaft des Johannes leicht die falsche Meinung gewinnen, als schwanke er nun selbst in seinem Glauben an Jesum; als sei er ein Betrüger oder ein Betrogener, der seine Einkerkerung verdient habe, und nun, weil er das Schwert über seinem Haupt sehe, in sich gehe, und durch Widerruf die Sache bei Herodes wieder gut machen wolle; als sei er also nichts weniger als ein Prophet, für den man ihn gehalten, sondern ein gewöhnlicher Mensch, der keine göttliche Sendung, wohl aber eine große Portion Überspannung gehabt habe.

Dieser falschen Meinung gegenüber verteidigt nun Jesus den Johannes und erweist seine Standhaftigkeit, seine Unschuld und seine Prophetenwürde durch die eigenen Erfahrungen, welche die Anwesenden an Johannes gemacht haben durch Fragen, auf die sie bei sich selbst nicht anders als zu Gunsten des Johannes antworten konnten.

Wie, ein Mann wie Johannes, der sich so frei und unerschrocken den Pharisäern gegenüberstellte, der dem Herodes die Wahrheit sagte, und den ihr selbst deshalb so hoch geschätzt habt, der sollte gleichsam über Nacht seine Grundsätze, seinen Glauben, seine Überzeugung wechseln? Urteilt selbst; ihr seid zu ihm in die Wüste hinausgegangen, weil ihr ihn für einen Mann der Wahrheit und der Festigkeit gehalten habt. Wie, ein Mann wie Johannes, der eine so strenge Lebensweise führte, der nichts von der Welt suchte, nichts von der Welt verlangte, sollte ein Sünder sein? Hat euch nicht gerade seine Strenge gegen sich selbst angezogen und veranlasst, ihn für einen Heiligen zu halten?

Urteilt selbst, weil ihr ihn für einen heiligen Mann gehalten habt, seid ihr zu ihm in die Wüste hinausgegangen, und er ist es auch. Ihr habt ihn für einen Propheten gehalten, und nun sollte er euch für einen überspannten Mann gelten? Ich sage euch, er ist wohl noch mehr als ein Prophet, er ist der Engel, von welchem Malachias gesagt hat, dass ihn der Herr vor dem Messias hersenden werde, um ihm den Weg zu bahnen.“ Mal. 3, 1.

Jesus nennt Johannes mehr als einen Propheten, weil diese ihn nur vorausverkündigten, ohne seine Gegenwart selbst erlebt zu haben. Johannes aber lebte in seiner Gegenwart, taufte ihn sogar und führte ihn selbst in seine Wirksamkeit ein; wie ein Brautführer dem Bräutigam die Braut zuführt, so führte Johannes Jesu die Auserwählten zu, und nahm schon selbst an den Gnadenschätzen der Verdienste Jesu unmittelbar Teil, indem er seines Berufes wegen schon im Mutterleib geheiligt wurde. Joh. 3, 29. Luk. 1, 44.

In diesem Lobe des heil. Johannes hebt Jesus drei Eigenschaften hervor, welche jeder, der zum Reiche Gottes gehören will, haben muss: Die Standhaftigkeit, die Abtötung des Fleisches oder die Bußstrenge, die Prophetenwürde oder, damit ich es recht sage, mehr als die Prophetenwürde. Die Standhaftigkeit ist notwendig bei der Gewalt, welche das Himmelreich leidet, seit den Tagen des Johannes. Matth. 11, 12.

Die Abtötung ist ein unterscheidendes Merkmal des Christen, und seine Prophetenwürde besteht in der Erleuchtung des heil. Geistes, vermöge der wir, wie der Apostel sagt, alle von Gott gelehrt sind; sie besteht in der Würde, die wir als Christen haben, und vermöge der wir den Gnaden nach, die wie jetzt im Christentum genießen, höher stehen und glücklicher sind als die Propheten, ja, nach Versicherung des Heilandes selbst, begnadigter als Johannes der Täufer. Matth. 13, 16, 17.

Wir haben es nun gehört; Jesus ist der verheißene Messias, und wir haben keinen andern zu erwarten Apstlg. 14, 12. 1. Kor. 3, 11. halten wir treu an ihm; wir haben es gehört, was er seines Lobes würdiget, trachten wir nach diesen Tugenden; wir haben es gehört, wie unsere Würde nicht geringer ist als die der Propheten, befleißen wir uns eines solcher Würde würdigen Wandels. Amen. –
aus: Dr. Fr. Xaver Maßl, Kurz und gut über die sonntäglichen Evangelien des ganzen Jahres, 1852, S. 8 – S. 17

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