1. Adventssonntag Was ist der Advent?

1. Adventssonntag: Was ist der Advent - Die erste Kerze brennt

Predigt zum ersten Sonntag im Advent

Was ist der Advent? (1. Adventssonntag)

Nun ist der Advent — ja, nun ist der Advent. — Und was ist es denn mit dem Advent? Viele Tausend und Tausend sagen: „Nun haben wir wieder den Advent,“ und wenn man sie fragen würde: nun, was ist denn der Advent? was ist es mit dem Advent? so würden sie kaum eine genügende Antwort wissen, weil sie weniger um die Bedeutung der Zeit, als wie sie sich eine Zeit, die ihnen als eine freuden- und genussleere erscheint, vertreiben können, besorgt sind.

Und doch ist eben diese Zeit, die wir Advent nennen, so wichtig für unser Seelenheil, dass wir sie nicht ernst genug auffassen und nicht heilig genug zubringen können. Oder ist die Ankunft Jesu Christi, des Sohnes Gottes, auf Erden nicht ein Ereignis, das uns mit ebenso großer Freude als Furcht erfüllen muss?

Mit Freude, weil uns in ihm unser Heil und unsere Erlösung erschienen ist, mit Furcht, weil seine Ankunft auf Erden unsere Verdammung ist, wenn wir ihn nicht hören, nicht an ihn glauben, nicht nach dem Glauben leben. „Wenn ich nicht gekommen wäre, und zu ihnen geredet hätte, so hätten sie keine Sünde: nun aber (weil ich gekommen bin) haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde.“ Joh. 15, 22. Ist die Ankunft Jesu Christi, des Sohnes Gottes, zum Gericht nicht ein Ereignis, das, obgleich erst in Aussicht gestellt, ungewiss zwar der Zeit nach, gewiss aber des Eintreffens nach, der Gegenstand unserer beständigen Sorge und Wachsamkeit sein muss?

„Alsdann werden sie den Menschensohn kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit.“ Und eben an diese zwei Ankunften des Herrn — an die erste, als er auf die Erde kam als Heiland der Welt, und an die zweite, wann er kommen wird als Richter aller Menschen — erinnert uns der Advent, denn Advent heißt in unserer Sprache Ankunft. Damit aber die erste Ankunft des Herrn für uns heilsam, und die zweite trostreich werde, muss noch eine dritte Ankunft Jesu, eine geistliche, in uns vorgehen, und diese geschieht durch die Umgestaltung unseres irdischen Sinnes in einen himmlischen Sinn, durch aufrichtige Bekehrung bei den Sündern, durch Zunahme in der Vollkommenheit bei den Gerechten.

Diese Zeit des Adventes sollen wir aber besonders für einen glücklichen Erfolg der geistlichen Ankunft Jesu Christi in unseren Herzen verwenden; dann wird die erste Ankunft Jesu für uns heilsam, die zweite trostreich sein. Die Kirche stellt uns diese auch am Anfang eines neuen heiligen Jahres vor, um uns gleich einer sorgsamen Mutter mit aufgehobenem Finger zu sagen: Kinder, Kinder, vergesst nicht auf die Wiederkunft des Herrn, denkt an dieselbe, bereitet euch vor auf dieselbe; denn die Zeit der Wiederkunft Jesu ist 1) obgleich eine unbekannte, doch 2) eine gewisse und 3) selbst eine nahe.

Das ist es auch, was wir jetzt in Kürze betrachten wollen.

1) Ich umgehe die Schrecknisse, welche der Zeit der Ankunft Jesu Christi zum Gerichte teils vorangehen, teils sie begleiten. Der Herr beschreibt sie hinlänglich mit den Worten: „Die Menschen werden verschmachten vor Schrecken und banger Erwartung der Dinge, die da kommen werden über den ganzen Erdkreis; denn selbst die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“ Und wann wird diese Zeit kommen? „Jenen Tag und die Stunde weiß niemand, auch die Engel des Himmels nicht, als der Vater allein“, sagt Jesus Matth. 24, 36. Die Zeit der Wiederkunft Jesu ist also unbekannt.

So viel aber wissen wir davon, dass sie unvermutet hereinbrechen wird, wie ein Dieb, wie ein Strick, wie eine Wasserflut: genug, wir müssen also wachen und uns für diese Zeit bereitet halten. „Ihr wisset, dass der Tag des Herrn wie ein Dieb in der Nacht kommen wird“, sagt der heil. Paulus, Thess. 6, 2., d. i. ohne dass man es vermutet; wenn der Hausherr wüsste, um welche Stunde der Dieb kommen würde, würde er wachen, sagt Jesus und setzt bei: „Wachet also.“ Matth. 24, 42, 43. „Wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf der ganzen Erde wohnen“, sagt Jesus weiter. Luk. 21, 35.

Gleichwie die Vögel und wilden Tiere im Walde ihrem Hang nachgehen und, weil sie nichts weniger als auf die Fallstricke und Schlingen acht geben, die man ihnen gelegt hat, gefangen werden, so bringt auch der Herr über die sinnlichen, unachtsamen, nur ihrem Hang nach zeitlichen Gütern nachgehenden Menschen den Tag des Gerichtes plötzlich herein. Deshalb warnt Jesus: „Hütet euch, dass euere Herzen nicht beschwert werden durch Unmäßigkeit, Trunkenheit und Nahrungssorgen, damit euch jener Tag nicht plötzlich überfalle.“ Luk. 21, 24.

„Wie es in den Tagen Noe war, sagt Jesus ferner, und es nicht achteten bis die Flut hereinbrach und alle hinwegraffte, so wird auch die Ankunft des Herrn sein.“ Matth. 24, 39. Wie eine Wasserflut unvermutet herankommt, so der Tag des Herrn. Ihr habt ja schon öfter gehört, wie es bei einer plötzlich einbrechenden Wasserflut zugeht. Sie nimmt alles mit fort. Wenn die Leute wüssten, an dem und dem Tage bricht eine Wasserflut ein, wie würden sie eilen, sich selbst und das Ihrige in Sicherheit zu bringen, wie viele Vorbereitungen und wie sorgfältig würden sie Anstalt machen, um ohne Schaden durchzukommen! Die beste Vorbereitung für den Tag der Ankunft Jesu Christi ist die Bewahrung vor Sünden.

„Wenn du dich zu irgendeiner Sünde versucht fühlst, so führe jenes furchtbare und für jeden Menschen erschreckliche Gericht Christi zu Gemüte, und lege es dir gleich einem Zaum an“, sagt der hl. Basilius. Gleicherweise soll man oft und oft der Wiederkunft Jesu Christi gedenken. Wer bei der Wiederkunft Jesu Christi gerettet werden will, muss ein beständiges Andenken an das letzte Gericht bewahren. „Wenn die Menschen recht zu Gemüt führen wollten, was ihnen bei der Ankunft Jesu Christi für ein Gericht bevorstehen wird, so würden sie gewiss die Liebe zur Eitelkeit der Welt in sich unterdrücken.“ St. Ambrosius; denn wenn die Zeit der Ankunft Jesu Christi auch unbekannt ist, so ist sie doch

2) gewiss. Jesus selbst hat seine Wiederkunft zum Gericht öfter vorhergesagt. Wo er von dem Untergang der Welt und von den ihn begleitenden Schrecknissen der Natur redet, setzt er immer bei: „Alsdann werden sie den Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit.“ Er beteuert seine Wiederkunft bei dem Hohenrat zu Jerusalem in demselben Augenblick, als er sich als den Sohn Gottes bekennt, und bringt seine Wiederkunft als einen Beweis seiner Gottheit an. Gefragt, ob er der Sohn Gottes sei, und nicht gleichhin gefragt, sondern in Form eines Eidschwures aufgefordert, sagt er:

„Ich bin es“, ja, ich bin der Sohn Gottes, und setzt sogleich hinzu: „Von nun an werdet ihr den Sohn der Menschen zur Rechten der Kraft Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“ So gewiss es also ist, dass Jesus der Sohn Gottes ist, so gewiss ist seine Wiederkunft zum Gericht. Und haben es ja auch die zwei Engel gesagt, welche bei der Himmelfahrt Jesu den Aposteln erschienen sind: „Wie ihr ihn habet hingehen sehen in den Himmel, so wird er wiederkommen.“

Und die hl. Apostel haben auch immer die Wiederkunft Jesu Christi gelehrt und die Gläubigen ermahnt, sich auf dieselbe vorzubereiten.

„Das sagen wir euch als ein Wort des Herrn, dass wir bei der Ankunft des Herrn mit den Entschlafenen auferstehen werden; denn der Herr wird mit einem lauten Schall, mit der Stimme des Engels, mit der Posaune Gottes vom Himmel herabkommen …“ „So lasset uns denn nicht schlafen, sondern wachen und nüchtern sein … wir wollen als Kinder des Lichtes nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung des Heiles.“ 1. Thess. 4, 14. 5, 6. „Zögere nicht, dich zum Herrn zu bekehren, und verschiebe es nicht von Tag zu Tag, denn schnell wird sein Zorn kommen und zur Zeit der Rache wird er dich vernichten.“ Pred. 5.

Zögern wir nicht, Geliebte, denn die Zeit der Ankunft Jesu zum Gericht ist, so ferne sie auch sein mag, doch immerhin auch

3) eine nahe zu nennen. Was waren die Jahre von der Voraussagung der Zerstörung Jerusalems bis auf die Zerstörung selbst? Eine kurze Zeit, so kurz, dass Jesus sagen konnte: „Wahrlich ich sage euch: dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dieses alles geschehen wird.“ (*)

Und in der Tat noch lebten welche von den Juden des Tages der Voraussagung, als der Tag der Erfüllung gekommen war. Was ist die Zeit, welche noch bis zur Ankunft Christi verfließen wird in Rücksicht auf die Ewigkeit — eine kurze Zeit und immerhin nahe zu nennen — sie kommt, sie kommt gewiss, und in welchem Belange sind dann auch tausend verflossene Jahre, wenn dieser Tag einmal anbricht? Mit Recht stellen uns also die Apostel den Tag der Ankunft Jesu als einen nahen vor, um uns immer im frischen Eifer zu erhalten und uns vor der Lauheit zu schützen.

Mit Recht sagt der heil. Augustin: „Weder der liebt die Ankunft des Herrn, welcher sagt, er sei ferne, noch der, welcher sagt, er sei nahe, sondern der liebt ihn, welcher ihn, er sei ferne oder nahe, in Reinheit des Glaubens, in Festigkeit der Hoffnung, in Wärme der Liebe erwartet.“

Die Zeit der Ankunft des Herrn ist aber für jeden Christen — sein Tod; sein letzter Lebenstag ist für ihn der jüngste Tag, der Tag des Gerichtes. Und wie weit ist denn diese Zeit entfernt? Die täglichen Unfälle sagen es einem jedem, diese Zeit der Ankunft des Herrn sei ihm so nahe als eine Sekunde der andern, als ein Pulsschlag dem andern ist — die nächste Sekunde, der nächste Pulsschlag kann die letzte, der letzte sein. Da nun die Zeit, zu welcher der Herr kommt, so nahe ist, wie viele Ursache haben wir, uns auf sie bereitet zu halten!

„Sehet also auf, und erhebet euere Häupter, ermahnt Jesus, denn euere Erlösung ist nahe.“ Machet diese Zeit zur Zeit der Erlösung von eueren Sünden, zur gnadenreichen Zeit der geistlichen Ankunft Jesu in eueren Herzen; denn „die Stunde ist da, vom Schlafe aufzustehen, ermahnt der heil. Paulus in der heutigen Lektion. Jetzt ist unser Heil näher. Die Nacht ist vergangen, der Tag ist angebrochen; so lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes. Wie am hellen Tage lasset uns ehrbar wandeln. Ziehet den Herrn Jesus Christus an.“

Möge dann der Herr kommen, zu welcher Stunde er will; „selig der Knecht, den der Herr, wenn er kommt, also, d. i. getreu handeln sieht, wahrlich, ich sage euch, er wird ihn über alle seine Güter setzen.“ Amen. –
aus: Dr. Fr. Xaver Maßl, Kurz und gut über die sonntäglichen Evangelien des ganzen Jahres, 1852, S. 1 – S. 7

(*) siehe auch den Beitrag auf katholischglauben.online:

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