Von der Pein der Verdammten

Von der Pein der Verdammten

Von der Pein der Verdammten, der Anschauung Gottes beraubt zu sein

Predigtskizze vom heiligen Alphons Maria von Liguori

Das Fest des hl Alfons von Liguori: Porträt

Für den neunzehnten Sonntag nach Pfingsten

„Werfet ihn hinaus in die äußerste Finsternis, da wird Heulen und Zähneknirschen sein.“ Matth. 22, 13.

Nach allen göttlichen und menschlichen Gesetzen muss die Strafe der Größe des Vergehens entsprechen: Nach der Größe seiner Sünden soll auch die Zahl der Schläge sein. Deut. 25, 2.

Die Strafe muss der Größe des Vergehens entsprechen

Aber die Größe der Beleidigung, welche der Mensch Gott durch eine Todsünde zufügt, besteht darin, dass er seinem Schöpfer, seinem höchsten Gut den Rücken zukehrt, denn, sagt der heil. Thomas (p. 1. qu. 24. art. 4.), die Todsünde ist eine Abwendung von dem unveränderlichen Gut. Über diese Beleidigung beklagte sich der Herr, da Er beim Propheten ausrief: Du hast mich verlassen und bist zurückgewichen. Jer. 15, 6.

Weil die größte Strafbarkeit des Sünders darin besteht, dass Er freiwillig seinen Gott verlieren will, so ist es vollkommen gerecht, dass hinwieder in der Hölle seine größte Strafe im Verlust Gottes bestehe: Dort wird sein Heulen und Zähneknirschen. Die Bewohner der Hölle weinen unausgesetzt. Aber weshalb weinen wohl die armen Verdammten am heftigsten? Weil sie eingedenk sind, dass sie durch eigene Schuld ihren Gott verloren haben. Diese eine Wahrheit, meine Christen, wollen wir heute miteinander betrachten.

1. Nicht deshalb hat Gott uns in die Welt gesetzt, damit wir die Güter dieser Erde genießen, nein, bloß deshalb hat Er uns erschaffen, damit wir das ewige Leben erlangen. Das Ende ist das ewige Leben. Röm. 6, 32. Das ewige Leben besteht aber darin, dass man Gott liebe und für immer besitze. Wer dies Ziel erlangt, wird in Ewigkeit glückselig sein; wer es durch seine Schuld verfehlt, wer seinen Gott verliert, der wird ewig unglückselig sein und weinend ausrufen: Mit meinem Ende hat`s ein Ende. Klagel. 3, 18.

2. Der Schmerz über den Verlust eines Gegenstandes entspricht dem Wert desselben. Verliert jemand einen Edelstein, eine Perle, die hundert Taler wert ist, so empfindet er deshalb großen Schmerz. Ist sie zweihundert Taler wert, so ist der Schmerz doppelt groß, ist sie vierhundert Taler wert, so ist der Schmerz noch heftiger. Ich frage aber, welche ein Gut hat denn der Verdammte verloren. Ach, er hat Gott verloren, ein unendliches Gut, und deshalb, sagt der heil. Thomas, ist der Schmerz über den Verlust Gottes grenzenlos. Die Strafe des Verdammten ist unendlich, weil er das unendliche Gut verloren hat. (1. Thom. 2. 9. art. 4.)

Dasselbe sagte schon der heil. Bernhard, da er bemerkte, dass die Größe dieses Verlustes nach der Unendlichkeit des höchsten Gutes, nämlich Gottes, ermessen werde. Das Furchtbare der Hölle besteht also nicht darin, dass die Seelen von dem schrecklichsten Feuer gequält, vom grässlichsten Gestank gepeinigt werden, es ist nicht das Geschrei und Geheul, das die Verdammten fortwährend ausstoßen, nicht der Anblick der Teufel, der sie schreckt, nicht der Raum dieses Qualenschlundes, wo die Unglückseligen übereinander gehäuft liegen; nein, meine Christen, die Pein, welche eigentlich die Hölle ausmacht, ist der Verlust Gottes.

Alle übrigen Strafen sind gering im Vergleich mit dieser Qual. Der Lohn der treuen Diener Gottes im Himmel ist Gott Selbst, wie es der Herr dem Abraham schon gesagt hat: Ich bin dein sehr großer Lohn. Gen. 15, 1. Wie nun aber der Lohn des Glückseligen Gott Selbst ist, so ist auch der Verlust Gottes die Strafe des Verdammten.

Die Qual des Verdammten wegen des Verlustes Gottes

3. Deshalb hatte der heil. Bruno recht, da er sagte, dass, wenn die Verdammten auch noch so sehr gepeinigt würden, diese Peinen doch nie der Qual gleich kämen, die sie wegen des Verlustes Gottes empfänden. (Serm. de Jud. Fin.) Dasselbe sagt der heil. Chrysostomus, da er vom Verlust Gottes redet: Wenn es auch tausend Höllen gäbe, so wäre dies dennoch nichts im Vergleich mit der Qual, Gott verloren zu haben. (Hom. 49. ad pop.)

Gott ist so liebenswürdig, daß er eine unendliche Liebe verdient. Er erfüllt die Seligen im Himmel mit solcher Lust und beglückt sie so sehr durch Seine Liebe, dass sie nichts anderes wünschen und auf nichts anderes denken, als Ihn aus allen ihren Kräften zu lieben. Damit sie ihren unwürdigen Gelüsten nicht entsagen müssen, verschließen aber die Sünder hier auf Erden ihre Augen, auf dass sie Gott und die Liebe, welche Er verdient, ja nicht erkennen möchten.

Aber ach, in der Hölle wird der Herr ihnen zur Strafe zeigen, welch ein großes und liebenswürdiges Gut Er sei: Der Herr wird erkannt werden, da er Recht schafft. Ps. 9, 17. Von sinnlichen Lüsten erstickt, erkennt der Sünder kaum seinen Gott, nur dunkel erblickt er Ihn, und deshalb schätzt er es für ein geringes Gott zu verlieren, aber in der Hölle wird er zur Strafe Ihn gar wohl erkennen, und der furchtbare Gedanke, der ihn in Ewigkeit quälen wird, ist jener, dass er freiwillig dies sein höchstes Gut verloren habe.

Eines Tages erschien ein berühmter Doktor der Theologie zu Paris nach seinem Tod seinem Bischof und sagte ihm, dass er verdammt sei. Da ihn hierauf der Bischof fragte, ob er in der Hölle noch der Wissenschaften gedenke, die er mit so großem Erfolg auf Erden gelehrt habe, so antwortete jener, in der Hölle denke man an nichts anderes, als an das Unglück, Gott verloren zu haben.

4. Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer. Matth. 23, 41. Diese Worte, weichet von mir, sind es, welche die Hölle eigentlich ausmachen, ihr gehört nicht mehr Mir an, Ich gehöre nicht mehr euch an: Ihr seid nicht mehr mein Volk, und ich will nicht der Eure sein. Oseas 1, 9. Hier auf Erden, sagt der heil. Augustin, befürchten die Heiligen nur diese Pein, sie ist es, die jene, welche Gott lieben, weit mehr erschreckt als alle Qualen der Hölle. Aber ach, sie erschüttert nicht den Sünder, welcher in der Finsternis der Sünde dahinleben will. Wenn aber die Todesstunde gekommen, dann wird auch er es erkennen, welch eines großen Gutes er sich durch seine eigene Schuld beraubt hat.

Der Mensch ist für Gott erschaffen

5. Wir müssen uns also wohl merken, meine Christen, dass der Mensch für Gott erschaffen ist, und dass er natürlicherweise schon sich zu Ihm hingezogen fühlt. Hier auf Erden aber lähmt die Finsternis, welche die Sünde um uns verbreitet, und die Anhänglichkeit an sinnliche Güter, diese Neigung und Richtung, sich mit Gott, seinem höchsten Gut, zu vereinigen, und deshalb verursacht es der Seele keinen großen Schmerz, von Gott getrennt zu sein. Wenn aber die Seele einmal den Leib verlassen und von den Sinnen, die sie verdunkeln, befreit sein wird, alsdann wird sie klar einsehen, daß sie für Gott erschaffen ist, und dass Gott jenes einzige Gut ist, das uns allein nach dem Ausspruch des heil. Antonin, zufrieden stellen kann,

Wenn also die Seele von den Banden des Leibes befreit ist, so schwingt sie sich sogleich empor, um sich mit ihrem höchsten Gut zu vereinigen. Ist sie aber alsdann im Stande der Sünde, so stößt Gott sie als Seine Feindin von Sich zurück. Obgleich die Seele aber zurückgestoßen und vertrieben wird, so verliert sie dennoch nicht jene heftige Neigung, sich mit Gott zu verbinden; aber gerade darin wird ihre Hölle bestehen, dass sie sich stets zu Gott emporgezogen und jedes Mal wiederum von Ihm zurückgestoßen fühlt.

Unglückseliger, wo ist jetzt dein Gott?

6. Sobald der Hund einen Hasen bemerkt, so bietet er all seine Kräfte auf, um die Kette zu zerbrechen, die ihn bindet, damit er sich auf seine Beute stürzen könne. Auf gleiche Weise wird die Seele, wenn sie sich vom Leib trennt, einerseits von Gott emporgezogen, andererseits reißt sie aber die Sünde, wodurch sie von Gott geschieden ist, in die Hölle hinab. Die Sünde, sagt der Prophet, gleicht einer unermesslich großen Mauer, die zwischen Gott und der Seele aufgeführt ist, und beide voneinander trennt: Eure Missetaten scheiden euch von eurem Gott. Is. 59, 2. Da sich nun der Unglückselige fern von Gott in diesem Kerker befindet, so wird er immerfort weinend ausrufen:

Ach, mein Gott, ich werde denn also niemals Dir angehören, und Du wirst nimmermehr mein Eigentum werden. So werde ich Dich denn also niemals lieben, so wirst denn auch Du mich nimmermehr lieben!

Erschrocken über diese Trennung von Gott rief der König David aus: Wird denn ewig Gott verwerfen und sich nicht hinfür noch versöhnen lassen. Ps. 76, 8. O wie unglücklich würde ich sein, sagt der Heilige, wenn Gott mich auf ewig von Sich stieße, wenn Sein Zorn gegen mich nie wieder besänftigt würde. Aber dies Unglück ist schon über jeden Verdammten gekommen, und er wird es die ganze Ewigkeit hindurch erdulden müssen.

Als der König David sich im Stande der Sünde befand, da vernahm er die Vorwürfe seines Gewissens, das ihm zurief: Wo ist dein Gott? Dieser Gott, der dich so innig geliebt hat? Ach, jetzt hast du Ihn verloren, und Er ist nicht mehr der deinige. Und der Heilige selbst lehrt uns, dass er in seiner Betrübnis Tag und Nacht Tränen vergoss: Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, da man täglich zu mir sagt: Wo ist dein Gott? Ps. 41, 4.

So werden auch die Teufel zu dem Verdammten sprechen: Unglückseliger, wo ist jetzt dein Gott? David indes besänftigte den Zorn Gottes durch seine Tränen und gelangte wieder in den Besitz desselben, aber ach, wenn der Verdammte auch ein unermessliches Meer von Tränen vergießen würde, so könnte er dennoch Gott niemals wieder besänftigen, Ihn niemals wieder gewinnen.

Der Verdammte wird nie wieder seinen Gott schauen

7. Der heil. Augustin sagt, dass, wenn die Verdammten die Schönheit Gottes sehen könnten, sie keine Strafe empfinden würden, und dass die Hölle selbst sich für sie alsdann in ein Paradies verwandelte. (Lib. de Tripl. Hab.) Aber nein, der Verdammte wird nie wieder seinen Gott schauen. Als David seinen Sohn Absolon dazu verurteilte, dass er ihm nimmermehr unter die Augen trete, so war der Schmerz Absolons so groß, daß er den Joab bat, seinem Vater zu sagen, er möchte ihn doch lieber zum Tode verurteilen: Mache, ich bitte dich, daß ich des Königs Angesicht sehe. Gedenket er aber noch meiner Missetaten, so töte er mich. 2. Kön. 14, 32.

Als Philipp II. bemerkte, dass einer seiner Großen sich in der Kirche unehrerbietig benehme, so sprach er mit ernstem Gesicht zu demselben: Ich verbiete Ihnen, jemals wieder vor mir zu erscheinen. Hierüber empfand jener einen so großen Schmerz, dass er bald daraus vor Kummer starb.

Aber ganz anders wird es sein, wenn Gott beim Tode des Verdammten zu demselben spricht: Weiche von Mir, Ich will dich nicht mehr sehen, du sollst Mein Angesicht nicht wieder erblicken: Und ich werde mein Angesicht vor ihm verbergen, und alle Übel sollen es finden. Deut. 31, 17 u. 18. Ach, welches Mitleid haben wir nicht mit einem Sohn, der, nachdem er immer aufs engste mit seinem Vater verbunden gewesen, der mit ihm speiste und schlief, nach dem Tod des Vaters weint und keine Ruhe mehr finden kann und ausruft: O mein Vater, ich habe dich also verloren, ich werde dich also nie wieder sehen.

Aber wenn wir jetzt das Geschrei eines Verdammten hören würden und ihn fragten, warum weinst du denn, so würde der Unglückliche antworten: Ich weine, weil ich meinen Gott verloren habe und denselben nie wieder erblicken werde.

Wenn der gottlose Mensch stirbt, ist keine Hoffnung mehr

8. Die Erkenntnis, welche der Verdammte zu gleicher Zeit von der Herrlichkeit besitzt, deren die Seligen im Himmel teilhaftig geworden, und wovon er auf ewig ausgeschlossen bleibt, vermehrt noch seine schreckliche Pein.

Wie groß würde nicht der Schmerz desjenigen sein, der, nachdem er von seinem Fürsten zu einem Fest geladen, später aber um eines begangenen Fehlers willen davon ausgeschlossen wurde, nun von außen den Jubel und die Freude der Geladenen anhörte. Aber die Sünder achten den Himmel gering und verlieren ihn, um eines nichts willen, nachdem doch Jesus Christus all` Sein Blut vergossen hat, um sie desselben teilhaftig zu machen. Aber nachdem diese Unglücklichen einmal in die Hölle gestürzt sind, so wird der Anblick des Himmels für sie die furchtbarste unter all` ihren Qualen sein.

Der heil. Chrysostomus sagt, dass der Schmerz der Verdammten, von diesem Vaterland der Seligen ausgeschlossen zu sein, die übrigen Peinen der Hölle tausendmal übersteige. Ich hätte doch wenigstens die Hoffnung, wird der Verdammte alsdann sagen, nach tausend, ja selbst nach Millionen Jahrhunderten, die ich in dieser Pein zugebracht, die göttliche Gnade wieder zu erlangen und würdig zu werden, im Himmel meinen Gott zu genießen. Aber jetzt ruft dem Unglückseligen unausgesetzt eine Stimme zu: Wenn der gottlose Mensch stirbt, ist keine Hoffnung mehr. Sprichw. 11, 7.

Solange er noch lebte, konnte er selig werden, da er aber in der Sünde gestorben, so ist sein Untergang ohne Abhilfe und deshalb wird der Elende verzweiflungsvoll ausrufen: Nimmer schaue ich Gott den Herrn im Lande der Lebendigen. Is. 38, 11.

Der Verdammte kann Gott nicht mehr lieben

9. Aber auch der Gedanke wird die Verdammten peinigen, dass sie Gott und den Himmel ganz durch eigene Schuld verloren haben. Hätte ich Gott geliebt, wird der Unglückliche zu sich selbst sagen, so hätte ich schon auf Erden ein glückliches Leben geführt, und hätte mir eine unendlich Glückseligkeit in der Ewigkeit verschafft; weil ich mich aber dem Laster ergeben, so muss ich an diesem Ort der Pein verharren, solange Gott Gott ist. Alsdann wird ein solcher mit Job ausrufen: Wer gibt mir, daß ich sei wie in den vorigen Monden, in den Tagen, da Gott mich hütete. Job 29, 2.

Ach, wenn doch für mich die Zeit zurückkehrte, da Gott mich so sorgfältig behütete, damit ich mich nicht in das ewige Feuer stürzen möchte. Ich wurde nicht unter Heiden in Indien oder China geboren, wo ich der heiligen Sakramente, des Wortes Gottes und der Belehrungen beraubt gewesen wäre, ich bin im Schoß der wahren Kirche geboren und habe so viele Belehrungen und Ermahnungen von Predigern und Beichtvätern empfangen.

Nicht die Teufel haben mich in dies Gefängnis geschleppt, nein, ich bin freiwillig in dasselbe eingegangen. Diese Bande, welche mich von Gott trennen, habe ich mir selbst mit meinem bösen Willen bereitet. O wie oft hat Gott zu meinem Herzen geredet, wie oft hat Er mich die Worte vernehmen lassen: Bessere dich, kehre wieder zu Mir zurück, es kommt die Zeit, da du deinem Verderben nicht mehr wirst abhelfen können. Diese Zeit ist jetzt schon gekommen, das Urteil ist bereits gefällt. Ich bin verdammt, und die ganze Ewigkeit wird meinem Unglück nicht mehr abzuhelfen sein.

Aber vielleicht könnte der Unglückliche, nachdem er seinen Gott verloren und nicht mehr zu Seiner Anschauung gelangen kann, Ihn doch wenigstens lieben – aber nein, weil er der göttlichen Gnade entsagt hat und in die Sklaverei der Sünde gelangt ist, so muss der Elende seinen Gott hassen. Darin gerade besteht die Verzweiflung des Verworfenen, dass, weil er den Herrn während seines Lebens verachtet hat, Gott ihm jetzt widerstrebt: Warum setzest du mich zum Gegner dir, so daß ich mir selbst zur Last bin. Job. 7, 20.

Daher kommt es, dass der Verdammte, weil er erkennt, dass er Gott zuwider und Sein Feind geworden, zugleich aber einsieht, dass Gott eine unendliche Liebe verdient, nichts mehr verabscheuen wird als sich selbst. Die schrecklichste Züchtigung, die Gott ihm auferlegt hat, besteht darin, dass Er ihm zeigt, wie Gott so liebenswürdig und wie er selbst so hässlich und zugleich ein Feind dieses Gottes ist: Ich stelle dir’s unter deine Augen. Ps. 49, 21.

Tausend Höllen sind nicht so furchtbar wie der Hass Christi

10. Auch der Anblick alles dessen, was Gott für sein Heil getan, wird die Qual des Verdammten noch vermehren: Der Sünder wird es sehen und zürnen. Ps. 111, 10. Er wird alle Wohltaten sehen, die der Herr ihm erwiesen, alle göttlichen Einsprechungen und die große Geduld, mit der Gott ihn ertragen, vor allem aber wird er erkennen, wie sehr Jesus Christus ihn geliebt und wie viel Er aus Liebe zu ihm gelitten hat, und ach, er wird erkennen, daß er aus eigener Schuld nicht mehr von Ihm geliebt, sondern vielmehr verabscheut wird.

Tausend Höllen, sagt der heilige Chrysostomus (Hom. 24, in Matth.), sind nicht so furchtbar, als der Hass Christi; so hat denn also, ruft der Verdammte aus, dieser mein Erlöser, der aus Liebe zu mir Blut geschwitzt, Todesangst erduldet, ohne allen Trost gestorben ist, so hat Er denn kein Erbarmen mehr mit mir Unglückseligen. Ich weine, ich wehklage, aber Er hört mich nicht mehr, Er wendet Sein Angesicht von mir ab, Er hat mich ganz vergessen. Es gab eine Zeit, da Er mich liebte, jetzt aber hasste Er mich; Er verabscheut mich mit Recht, weil ich Undankbarer Ihn nicht habe lieben wollen.

David sagt, daß die Verdammten in den Brunnen des Todes gestürzt werden: Ja, du, o Gott, wirst sie hinabstürzen in den Brunnen des Verderbens. Ps. 34, 24. Weshalb der heilige Augustin sagt (Hom. 16. c. 50.), dieser Brunnen wird sich über uns zuschließen, unter uns öffnen und in die Tiefe hinabgehen; jene werden von Gott nicht mehr anerkannt, die Ihn nicht erkennen wollten.

Der Verdammte muss Gott ewig hassen

11. So erkennt also der Verdammte, daß Gott eine unendliche Liebe verdient und daß er Ihn dennoch nicht zu lieben vermöge. Als die heil. Katharina von Genua eines Tages vom Teufel geplagt ward, fragte sie ihn, wer er sei, worauf derselbe weinend antwortete: Ich bin jener Bösewicht, welcher der Liebe Gottes beraubt ist, und der seinen Gott nicht mehr lieben kann. Der Verdammte kann nicht nur Gott nicht lieben, sondern um seiner Sünden willen sieht er sich sogar genötigt, Ihn zu hassen. Gott hassen und zugleich wissen, daß Er unendlich liebenswürdig ist, das ist es, was die Hölle eigentlich ausmacht. Der Verdammte möchte Gott lieben als das höchste Gut, und Er muss Ihn hassen als den Bestrafer seiner Sünden.

Welch ein Elend ist es doch, ruft ein gelehrter Schriftsteller aus, jemanden heftig lieben und zugleich den Geliebten hassen! Die Liebe zieht ihn unaufhörlich zu Gott empor, der Hass dagegen trennt ihn mit Gewalt wieder von Gott.

Diese beiden entgegengesetzten Leidenschaften sind gleich zwei wilden Tieren, welche das Herz des armen Verdammten fortwährend zerreissen, so dass er unausgesetzt die ganze Ewigkeit hindurch Todespeinen erduldet. So wird also der Verdammte Gott ewig hassen und verfluchen und zugleich alle Wohltaten hassen und verfluchen, die er von Ihm empfangen hat: Seine Erschaffung, seine Erlösung, die heiligen Sakramente, und vor allen das Sakrament der Taufe, das ihn vor Gott als Sünder nur noch schuldiger macht; das Sakrament der Buße, wodurch er sich so leicht hätte retten können, wenn er gewollt, und vor allen das Sakrament des Altars, worin Gott Sich ihm ganz hingegeben hatte.

Er wird auch alle übrigen Mittel hassen, die Gott ihm zu seinem Heil verliehen; er wird alle Engel und Heiligen, vorzüglich seinen Schutzengel, die göttliche Jungfrau Maria und besonders die drei göttlichen Personen, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist hassen und verwünschen! Vor allem wird er Jesu Christo, dem fleischgewordenen Wort, fluchen, der, um ihn zu erlösen, so viel gelitten und der sogar für ihn gestorben ist. Er wird die Wunden Jesu, das Blut Jesu und den Tod Jesu verfluchen. Seht, meine Christen, wohin die verwünschte Sünde Seelen bringt, welche Jesus Christus um so hohen Preis erlöst hat. –
aus: Gesammelte Predigten des hl. Alphons Maria von Liguori, 48. Predigt, 1864, S. 447 – S. 456

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